Seehofer: „Eine vorzügliche Kanzlerin“
Gemeinsam mit der CDU verständigt sich nun auch die CSU auf Angela Merkel als Kandidatin für die Bundestagswahl und legt den Streit um die Obergrenze beiseite
Es gibt Dinge, über die kann Angela Merkel herzlich lachen – zum Beispiel über das Bild, das ihr Horst Seehofer gestern zum Abschluss des zweitägigen Spitzentreffens von CDU und CSU in München geschenkt hat. Das Bild zeigt CSUÜbervater Franz Josef Strauß in den 80er Jahren vor der Berliner Mauer – „auf der Westseite“, wie Merkel feststellt. „Wir haben in der DDR sehr viel über ihn gesprochen“, erinnert sich die Kanzlerin, die in der DDR aufgewachsen ist. Thema seien vor allem die Milliardenkredite der Bundesrepublik für die DDR gewesen, die der frühere CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident mit eingefädelt hatte. Die habe sie damals ganz gut gefunden, sagt Merkel und fügt noch hinzu: „Ich hab mich damals in der DDR mit den Kreuther Trennungsbeschlüssen nicht so intensiv beschäftigt.“Prompt hat sie in der überfüllten Pressekonferenz in der CSU-Zentrale die Lacher auf ihrer Seite. Alle wissen, wem der Seitenhieb gilt. Doch auch Horst Seehofer, der neben ihr sitzt, lächelt tapfer.
Kreuth 1976. Seinerzeit hatte CSU-Chef Strauß eine derartige Wut auf den damaligen CDU-Chef Helmut Kohl, dass er drohte, die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag aufzukündigen. Das erwies sich zwar als politischer Flop, sorgte aber für jede Menge Ärger. Eine ähnliche Drohung steht auch jetzt – 40 Jahre später – wieder im Raum. Seehofer hat angekündigt, die CSU werde nach der Bundestagswahl im Herbst keiner Bundesregierung beitreten, wenn eine Obergrenze für Flüchtlinge im Koalitionsvertrag nicht ausdrücklich verankert sei.
Darüber freilich soll zum Abschluss des Spitzentreffens zwischen CDU und CSU auch gar nicht mehr groß geredet werden. Die Botschaft des Tages ist schließlich eine ganz andere: CDU und CSU haben vereinbart, mit Merkel als gemeinsame Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf 2017 zu ziehen und dazu in den kommenden Monaten auch ein gemeinsames Wahlprogramm zu erarbeiten. Dafür gebe es, wie Seehofer betont, „ein großes Fundament der Gemeinsamkeiten“. Wo es, wie vor allem bei der Obergrenze für Flüchtlinge, unterschiedliche Positionen gebe, wolle man dies gegenseitig respektieren. Diese Unterschiede würden, wie Merkel sagt, „nicht zugekleistert“. Dies könne ihrer Auffassung nach auch gar nicht gelingen.
Das Rätsel, wie der Gegensatz in der Flüchtlingspolitik zwischen den Schwesterparteien im Falle eines Wahlsiegs der Union aufgelöst wer- den könne, lassen Seehofer und Merkel trotz mehrfacher Nachfrage offen. Merkel lehnt die Obergrenze nach wie vor ab. Sie sagt: „Ich habe nicht die Absicht, diese Position zu ändern.“
Seehofer bleibt dabei, die Forderung in einem eigenen, zusätzlichen Wahlprogramm der CSU, dem sogenannten „Bayernplan“, festzuschreiben. Seine Drohung, im Ernstfall eine Regierungsbeteiligung der CSU zu verweigern, wiederholt er nicht. Er rückt aber auch nicht davon ab. Einen kleinen gemeinsamen Nenner haben Merkel und Seehofer aber offenbar doch gefunden. Es sei ihr gemeinsames Anliegen, dass sich ein Flüchtlingszustrom wie im Jahr 2015 nicht mehr wiederholen dürfe. Derzeit kämen monatlich im Durchschnitt etwa 12 000 Asylsuchende nach Deutschland. „Das liegt aufs Jahr gerechnet schon deutlich unter der Obergrenze“, sagt Seehofer und deutet leise an, dass es in der Politik immer „unterschiedliche Instrumente“gebe, um ein Ziel zu erreichen.
So einfach ungeschehen machen aber kann er seine Attacken auf die Kanzlerin nicht. Dass er ihr im Streit über die Flüchtlingspolitik vor knapp einem Jahr das böse Wort von einer „Herrschaft des Unrechts“ vorgehalten hat, wirkt offensichtlich nach. Als sie in der Pressekonferenz danach gefragt werden, verfinstert sich Merkels Miene. Der Blick, den sie Seehofer zuwirft, spricht Bände. Merkel schweigt. Er muss antworten, spricht von einer „deutlichen Veränderung der Lage“und zählt auf, was CDU und CSU seither gemeinsam nach vorne gebracht haben. „Das ist eine Entwicklung, die wir sehr begrüßen“, sagt Seehofer. Merkel sagt danach nur, dass sie vor ihrer Entscheidung, noch einmal als Kanzlerkandidatin der Union anzutreten, die Vergangenheit habe Revue passieren lassen. Jetzt richte sich ihr Blick in die Zukunft.
Dazu gehört auch die Frage, wie die Unionsparteien auf den neuen SPD-Herausforderer Martin Schulz reagieren. Diese Antwort fällt Merkel wieder leicht: „Ich habe bei jeder Bundestagswahl meine Herausforderer ernst genommen und ihnen Respekt gezollt. Das gilt auch bei dieser Bundestagswahl.“Seehofer sagt: „Wir haben eine vorzügliche Kanzlerin.“
„Ich habe bei jeder Bundestagswahl meine Herausforderer ernst genommen und ihnen Respekt gezollt.“
Angela Merkel über Martin Schulz