Fillon will wieder in die Offensive
Kandidat kämpft um seinen Ruf
„Stoppt die Menschenjagd!“, wird auf dem Flyer gefordert. „Genug ist genug!“Tausende Exemplare ließen die französischen Republikaner davon drucken, um die Menschen drei Monate vor der Präsidentschaftswahl zurückzugewinnen. Doch viele Passanten winken ab, als sie den Handzettel sehen – auf dem das Gesicht von François Fillon prangt. „Ich war so überzeugt von ihm“, sagt eine Frau. „Jetzt bin ich sehr enttäuscht.“
Bislang fruchteten die Rechtfertigungsversuche des 62-jährigen Konservativen kaum, mit denen er dem Verdacht begegnete, er habe seiner Frau Penelope und zwei seiner fünf Kinder aus der Staatskasse jahrelang hohe Gehälter als parlamentarische Assistenten bezahlt, ohne dass diese wirklich arbeiteten. Penelope Fillon erhielt ein Bruttogehalt von insgesamt mehr als 830000 Euro. Doch gegenüber den Ermittlern konnte sie offenbar keinen einzigen konkreten Beleg für ihre Arbeit liefern, keine Presseschau, keine E-Mail. Bei seiner gestrigen Pressekonferenz erklärte Fillon, ihr Durchschnittseinkommen von 3600 Euro pro Monat sei „perfekt gerechtfertigt“, legal und transparent gewesen. Er legte seine gesamten finanziellen und Besitzverhältnisse sowie die Aktivitäten seines Beratungsunternehmens offen. Und nun wolle er wieder über sein Programm sprechen, sagte Fillon.
Zuletzt häuften sich allerdings die Rufe in der eigenen Partei nach einem Alternativkandidaten – mehrere Namen zirkulieren, vom früheren Premierminister Alain Juppé, der „definitiv“abwinkte, über den Sarkozy-Vertrauten und Ex-Budgetminister François Baroin bis zu Nicolas Sarkozy selbst. Denn laut Umfragen würde Fillon nicht einmal die Stichwahl erreichen. Von seinem Glaubwürdigkeitsverlust profitieren vor allem die Rechtspopulistin Marine Le Pen und der Sozialliberale Emmanuel Macron.
Kann Macron den Erfolg Le Pens abwenden? Am Wochenende lieferten sich der 39-jährige Ex-Wirtschaftsminister und die Chefin des Front National bei ihren jeweiligen Wahlkampfauftritten in Lyon ein Fernduell. „Manche behaupten, im Namen des Volks zu sprechen, aber das sind Bauchredner“, spielte Macron auf Le Pen an.
Während Macron für ein starkes Europa eintritt, lautet Le Pens Devise „Frankreich zuerst“. Ihrem 144-Punkte-Programm zufolge will sie aus dem Schengen-Raum austreten, Referenden über einen Austritt aus der EU und der Nato organisieren, die Steuern senken, die Rente mit 60 wieder einführen und die Zahl der Einwanderer senken. Ihr Hauptversprechen besteht in einer Verankerung der „nationalen Priorität“in der Verfassung, nach der Franzosen bei der Job- und Wohnungsvergabe sowie bei Sozialleistungen bevorzugt werden. Gegenüber den korrupten Konkurrenten sei sie die „Kandidatin des Volkes“. Dass die Justiz gegen ihre Partei selbst in Korruptionsaffären ermittelt, erwähnte sie nicht.