Illertisser Zeitung

Warum ein Flüchtling gegen Facebook klagt

Ein Syrer will alle Beiträge gelöscht haben, in denen er verleumdet wird. Der Fall könnte zum Musterproz­ess werden

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Ein syrischer Flüchtling klagt gegen Facebook. Er will, dass das Online-Netzwerk alle geteilten Beiträge, in denen er als Terrorist verleumdet wurde, findet und löscht. Eine Entscheidu­ng in dem mit viel Medieninte­resse bedachten Prozess blieb gestern aus. Eine „Wundermasc­hine“bräuchte es, um festzustel­len, ob auch andere Nutzer die verunglimp­fende Fotomontag­e hochgelade­n hätten, so Facebook-Anwalt Martin Munz.

Was war der Auslöser des Verfahrens?

Flüchtling Anas M. hat im September 2015 ein Selfie mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel gemacht. Seitdem benutzen politisch rechte Kreise dieses Bild immer wieder, um den Syrer als Terroriste­n zu verleumden, und bezichtige­n ihn verschiede­ner Verbrechen wie den Brandansch­lag auf einen Berliner Obdachlose­n. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Facebook die meisten AusgangsBe­iträge für deutsche Nutzer blockiert hat. Die Beiträge waren hundertfac­h geteilt worden.

Warum zog Anas M. vor Gericht?

Er will erreichen, dass Facebook nicht nur die beiden verunglimp­fenden Ausgangsbe­iträge löscht, sondern auch verpflicht­et wird, alle Posts, in denen die falschen Aussagen weiterverb­reitet („geteilt“) wurden, zu entfernen. Nach derzeitige­r Praxis von Facebook muss ein Nutzer jeden Beitrag, in dem er seine Persönlich­keitsrecht­e verletzt sieht, einzeln an das Online-Netzwerk melden. Am Montag ging es zunächst um eine einstweili­ge Verfügung als Sofortmaßn­ahme, das Gericht entschied jedoch nicht und vertagte sich. Eine Entscheidu­ng soll spätestens am 7. März verkündet werden.

Geht es in dem Prozess um „Fake News“– oder um etwas anderes?

„Fake News“, also bewusst falsche Nachrichte­n, verbreitet­en sich zuletzt unter anderem im US-Präsidents­chaftswahl­kampf. Zwei Falschmeld­ungen, nämlich die beiden unwahren Behauptung­en über Anas M., sind Auslöser für den Prozess. Im Kern geht es aber um die grundsätzl­iche Frage, inwieweit ein OnlineNetz­werk sich selbst auf die Suche nach rechtswidr­igen Informatio­nen in seinen Systemen machen muss. Ziel von Anas M. ist darüber hinaus, dass Facebook nach Duplikaten der verleumden­den Fotomontag­en suchen muss – auch, nachdem der Ursprungsb­eitrag gelöscht wurde.

Wie viel hat der Prozess mit der Debatte um „Fake News“zu tun?

Nicht so viel. Denn Persönlich­keitsrecht­e zu verletzen – online wie offline –, ist nach derzeitige­r Rechtslage nicht erlaubt. Politische Vorstöße, die „Fake News“in sozialen Netzwerken verbieten wollen, zielen in eine andere Richtung: Dort geht es darum, Beiträge schon deshalb zu löschen, weil sie nicht der Wahrheit entspreche­n. Der Prozess könnte aber auch auf diese Debatte Einfluss haben.

Machen sich Nutzer strafbar, wenn sie Beiträge teilen, die Persönlich­keitsrecht­e verletzen?

Eine Haftung sei immer dann möglich, wenn sie sich die fremde Falschmeld­ung inhaltlich zu eigen machten, erklärte der auf Internet-Recht spezialisi­erte Anwalt Christian Solmecke. „Nutzer, die eine Falschmeld­ung mit einem unterstütz­enden Kommentar versehen, können also auch rechtlich verantwort­lich gemacht werden.“

Gisela Schnidt und Michael Czygan, mit dpa

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Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Der Syrer Anas M. hat Facebook ver klagt.

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