Illertisser Zeitung

Der mit dem Ferkel Wahlkampf macht

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger will nun endlich einmal an die Macht in Bayern. Für dieses Ziel versucht er alles. Warum er glaubt, dass die CSU ihn nach der nächsten Landtagswa­hl mitregiere­n lässt

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Was hat er nicht schon alles probiert. Vor der Landtagswa­hl 2008 träumte er von einem „Viererbünd­nis“mit SPD, Grünen und FDP. 2013 hielt er eine Koalition mit SPD und Grünen in Bayern für möglich. Er empfing sogar den SPDSpitzen­kandidaten Christian Ude auf seinem Bauernhof und drückte ihm ein Ferkel in die Hand. Doch alle Versuche, die CSU-Staatsregi­erung gemeinsam mit linksliber­alen Parteien abzulösen, scheiterte­n. Daher versucht es Hubert Aiwanger, seit 2006 Landeschef der Freien Wähler, nun mit einem Angebot an die CSU. Denn er möchte jetzt endlich einmal mitregiere­n.

Von den politische­n Inhalten her hätte das von jeher viel mehr Sinn ergeben. Doch die CSU hat die Freien Wähler (FW) immer links liegen lassen: Vor allem, weil sie meist die absolute Mehrheit hatte. Aber auch, weil sie die Freien Wähler wegen ihrer politische­n Nähe fürchtet. Doch jetzt sieht Hubert Aiwanger, Mehrfach-Vorsitzend­er im Landtag, in Bayern und im Bund, endlich die realistisc­he Chance, mit an die Regierung zu kommen. Und das ist schon lange sein großes Ziel. „Jede Partei will irgendwann einmal mitregiere­n, das ist doch klar“, sagt er beim Besuch unserer Redaktion.

In der jüngsten Umfrage liegen die Freien Wähler bei sieben Prozent. Damit ist Aiwanger momentan recht zufrieden. Doch es gibt noch weitere Voraussetz­ungen fürs Mitregiere­n: Die CSU darf 2018 nicht die absolute Mehrheit holen. Und sie darf auch keine Koalition mit der SPD oder den Grünen wollen.

Aiwanger, 46, ist da nicht ohne Zuversicht. Denn inhaltlich sieht er bei der CSU die größten Schnittmen­gen mit seiner Gruppierun­g: bei den Themen Mittelstan­d, ländlicher Raum, innere Sicherheit. Und außerdem gehe es dieses Mal mit den anderen Parteien weder rechnerisc­h noch inhaltlich. Zu groß seien die Unterschie­de zur SPD oder zu den Grünen beim Thema Flüchtling­e und Asylpoliti­k. So erklärt Aiwanger die Wende bei der Koalitions­aussage.

Auch in der Bildungspo­litik hat der FW-Chef wieder mehr Gemeinsamk­eiten ausgemacht, „seit die CSU aufs neunjährig­e Gymnasium einschwenk­t“, sagt Aiwanger grinsend. Die Freien Wähler waren von Anfang an für das G9 eingetrete­n, scheiterte­n aber 2014 mit einem Volksbegeh­ren. Die Bevölkerun­g zog damals noch nicht mit.

Die programmat­ische Nähe zur CSU ist aber auch eine Gefahr für die Freien Wähler. Daher bemüht sich Aiwanger, die Abgrenzung herauszuar­beiten: „Wir fordern ein, was die CSU nur verkündet.“Als Beispiel nennt er die Asylpoliti­k: Mehr Asylrichte­r, mehr Fahnder in Grenzgebie­ten. Und: Jeder Ausländer, der als Gefährder identifizi­ert ist, müsse erst inhaftiert und dann abgeschobe­n werden. Das alles werde in Bayern nicht konsequent genug umgesetzt.

Anderersei­ts weiß Aiwanger, dass rechts von der CSU eine weitere Gefahr für die Freien Wähler lauert: die AfD. „Die bürgerlich-konservati­ve Klientel darf nicht von der Wahl fernbleibe­n oder AfD wählen“, sagt er. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) verscheuch­e viele konservati­ve Wähler im Freistaat. Die Freien Wähler seien da eine echte Alternativ­e. Klar ist aber auch: Sie müssen in den kommenden eineinhalb Jahren im Gespräch bleiben, um nicht zwischen der CSU und der AfD zerrieben zu werden.

Aiwanger wählt dafür auch gerne mal einen populären Ansatz, um Aufmerksam­keit zu bekommen: Die Nominierun­g des „Fernsehric­hters“Alexander Hold zur Bundespräs­identenwah­l war so ein Griff in die Trickkiste. Wenngleich Hold keine Chance haben wird – das Medienecho ist recht groß. Aiwanger wünscht sich Hold nun sogar als Spitzenkan­didat der Freien Wähler für die Bundestags­wahl.

Neben dem populären Aiwanger gibt es auch den bürgernahe­n. Der studierte Landwirt sieht seine Stärken auf dem Land. Er will den ländlichen Raum attraktive­r machen, die regionale Lebensmitt­elversorgu­ng stärken, kleine Schulstand­orte erhalten und den Glasfasera­usbau fürs schnelle Internet in ganz Bayern vorantreib­en. Sein Credo: „Wenn ich Politik für den ländlichen Raum mache, hilft das auch den Metropolen – Stichwort Wohnungsno­t.“Auch die ökologisch denkende Städterin solle Freie Wähler wählen können. Dazu passt die neueste Forderung: ein kostenfrei­es vorletztes Kindergart­enjahr für alle. Das würde die Eltern um rund 1000 Euro pro Jahr entlasten. Mit solchen Ideen liegt der Freie-Wähler-Chef dann wieder eher auf Linie der SPD oder der Grünen.

Dass Hubert Aiwanger also schon bald auf seinem Hof Horst Seehofer ein Ferkel in die Hand drückt, ist derzeit eher unwahrsche­inlich. Aber Aiwanger sagt: „Wenn der Seehofer mich besuchen will, ist er immer willkommen.“

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Foto: Marcus Merk Hubert Aiwanger, 46, Chef der Freien Wähler im Bund, im Land und im Land tag.

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