Illertisser Zeitung

„Ich will ein Wörtchen mitreden“

Heute beginnen in St. Moritz die Titelkämpf­e. Der Allgäuer Stefan Luitz, 24, hat im Riesenslal­om Medaillenc­hancen. Ein Interview über Ziele, Rituale, den Kumpel Neureuther und das Motto: immer auf Angriff

- Interview: Andreas Kornes

Platz drei im letzten Riesenslal­om vor der WM hat Sie endgültig in den Kreis der Medaillenk­andidaten befördert. Wie gehen Sie mit dieser Rolle um?

Also ich glaube, da gibt es schon noch genügend andere Fahrer, die man als Favoriten handeln müsste, weil sie beständig vorne sind. Fahrer wie Marcel Hirscher, Alexis Pinturault oder Henrik Kristoffer­sen. Aber klar: Mein Ziel ist seit Anfang der Saison, dass ich ein Wörtchen mitreden kann im Kampf um die Medaillen.

Sie sehen sich in einer Lauerposit­ion?

Ja, so kann man es am besten beschreibe­n. Ich kann schnelle Schwünge fahren und genau das will ich zeigen. Ob es dann für eine Medaille reicht, hängt aber nicht nur von meiner Leistung ab.

Die Frage nach Ihren Zielen dürfte damit beantworte­t sein.

Richtig, ich möchte im Ziel abschwinge­n und sagen können: Das war das maximal Mögliche. Die Konkurrenz ist stark. Im Riesenslal­om kann aber alles passieren. Von den ersten 30 kann jeder um das Podest mitfahren. Das hat zuletzt Matts Olsson in Garmisch-Partenkirc­hen bewiesen, als er Zweiter wurde. Den hatte niemand auf dem Zettel. Die Leistungsd­ichte ist enorm hoch, das macht die Sache brutal spannend. Klar, Hirscher und Pinturault sind schon sehr weit oben, aber es kann viel passieren.

Sie werden in St. Moritz auch im Slalom starten. Dort müssen Sie 60 bis 70 Tore, die jedes Mal anders gesteckt sind, in höchstem Tempo passieren. Die Fahrer dürfen jeden Lauf vorher nur einmal besichtige­n. Prägen Sie sich dabei alle Tore ein?

Ja. Wir haben vor dem ersten Lauf eine Dreivierte­lstunde Zeit zur Besichtigu­ng, vor dem zweiten nur noch eine halbe Stunde. Das reicht. Man geht den Lauf im Kopf immer wieder durch und lernt ihn quasi auswendig. Das ist Übungssach­e. Ich unterteile mir den Lauf in Abschnitte, die ich dann im Rennen abarbeite. Das macht aber jeder ein bisschen anders.

Ihr Mannschaft­skollege Felix Neureuther hat im Vorfeld der WM einen kompletten Nachmittag lang im Halbstunde­n-Takt Interviews gegeben. Sind Sie manchmal froh, dass Ihnen dieser ganze Trubel (noch) erspart bleibt?

Ja, schon. Wenn man sieht, was auf Felix einprassel­t, das ist schon extrem. Der kann ja nicht mehr auf die Straße gehen, ohne dass er erkannt wird. Das ist zwar einerseits schön und eine Anerken- anderersei­ts muss man das natürlich auch aushalten.

Sie teilen sich bei Großverans­taltungen meist ein Zimmer mit Neureuther. Kann man es gut ihm aushalten?

Er ist ein super Typ. Man kann extrem viel von ihm lernen. Nicht nur, was das Skifahren betrifft, sondern auch das ganze Drumherum. Sei es, wie er mit Menschen umgeht oder auch mit den sozialen Medien. Er findet fast immer den richtigen Ton. Als Sportler ist er brutal ehrgeizig. Wenn sich Felix was in den Kopf setzt, dann investiert er extrem viel Zeit dafür. Da fährt er dann riesige Umfänge und ist sehr zielstrebi­g. Außerdem verliert er ungern, aber das macht keiner von uns gern. Als es bei mir nicht gut lief, hat er mich aufgebaut. Er kennt diese Situatione­n ja.

Ebenfalls immer mit dabei im Weltcup ist Ihr Vater Ludwig, der Ihnen und Linus Strasser die Ski präpariert. Wie genau sieht die Zusammenar­beit aus?

Wir arbeiten seit klein auf zusammen. Das geht in der Vorbereitu­ng los. Wir testen für alle Wetterund Schneebedi­ngungen die perfekte Abstimmung. Im Wettkampf kann mein Vater dann das Set-up auf den Punkt genau abstimmen. Das ist eine Wissenscha­ft für sich. Vor allem Marcel Hirscher betreibt das auf einem extrem hohen Level. Manchnung, mal glaubt man, der würde am liebsten auch noch während des Laufs das Material wechseln. Aber auch wir haben vor dieser Saison extrem viel Zeit investiert, was Ski und Schuhe anbelangt.

Ihr Vater ist also bei jedem Rennen dabei und unterstütz­t Sie?

Er weiß einfach genau, was ich für Material brauche. Das ist sensatione­ll. Ich frage eigentlich nie, was er hergericht­et hat. Ich weiß einfach: Das, was am Start liegt, passt.

Welche Verbindung haben Sie zum WM-Ort St. Moritz?

Im Riesenslal­om dort bin ich vergangene­s Jahr ausgeschie­den. Ich habe also mit St. Moritz noch eine Rechnung offen. Das WM-Rennen findet allerdings auf einem anderen Hang statt. Den kennt niemand, außer vielleicht die Schweizer.

Welche Rituale pflegen Sie vor einem Rennen?

Jeder hat seine Abläufe aus dem Training, um sich zu pushen. Ich bin einer, der nicht warten will am Start. Ich komme immer relativ spät zum Starthaus und spule dann mein Programm ab: Aufwärmen, Lauf durchgehen, mental heiß machen, ab in die Ski, Schnallen zu und zack raus. Das werde ich auch beibehalte­n, hat ja bisher ganz gut funktionie­rt.

Sie sind ja auch schon im Besitz einer WM-Medaille: Als Ersatzmann im Teamwettbe­werb der WM 2013 in Schladming haben Sie Bronze gewonnen. Welchen Stellenwer­t hat diese?

Naja, mit der Medaille schmücke ich mich nicht so gerne. Man ist zwar Teil des Teams, aber ich bin ja keinen einzigen Schwung gefahren. Ich hätte beinahe starten dürfen, da Felix sich verletzt hatte. Aber er hat es dann durchgezog­en. Ich hoffe, dass es nicht meine einzige WMMedaille bleibt.

Sie sind in einigen großen Rennen Ihrer Karriere in letzter Sekunde unglücklic­h ausgeschie­den. Zuletzt haben Sie die Hilfe eines Mental-Trainers in Anspruch genommen. Welche Rolle spielt das in Ihrer Vorbereitu­ng auf die WM?

Ich habe das einfach mal ausprobier­t und mich ein paarmal mit ihm getroffen. Alles in allem keine große Sache, aber eben ein wichtiger Baustein im großen Ganzen. Offenbar hat es mir was gebracht und deshalb werde ich auch dranbleibe­n.

Ihre Fahrweise haben Sie aber nicht geändert: immer auf Angriff.

Nein, anders würde es auch keinen Sinn machen. Wenn du nur runterfähr­st, machst du zwar keine Fehler – aber du wirst halt 20. Das ist nicht das, was ich will. Zuletzt hat es mit meiner Fahrweise ganz gut funktionie­rt, das muss ich jetzt einfach festigen.

Was unterschei­det ein WM-Rennen von einem im Weltcup-Rennen?

Im Endeffekt ist es ein Rennen wie jedes andere. St. Moritz ist auch schon meine vierte WM. Ich will mir da keinen Druck machen und ganz normal an den Start gehen. Dann wird man schon sehen, ob es für eine Medaille reicht. Mich würde es nur ärgern, wenn ich schlecht Ski fahre.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Stefan Luitz aus Bolsterlan­g im Allgäu geht bei der Ski WM im Slalom und Riesenslal­om an den Start. Vor allem in der zweitge nannten Disziplin trauen die Experten dem 24 Jährigen viel zu. Die Konkurrenz allerdings ist groß.
Foto: Ralf Lienert Stefan Luitz aus Bolsterlan­g im Allgäu geht bei der Ski WM im Slalom und Riesenslal­om an den Start. Vor allem in der zweitge nannten Disziplin trauen die Experten dem 24 Jährigen viel zu. Die Konkurrenz allerdings ist groß.

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