Illertisser Zeitung

Neuer Geist im legendären Schloss

Das Ashford Castle gehörte der Bierfamili­e Guinness. Als Luxushotel schrieb der Landsitz Promi-Geschichte, doch der Niedergang ließ sich nicht aufhalten – bis ein Südafrikan­er kam, der wohl eine sehr nostalgisc­he Seite hat

- VON LILO SOLCHER

Wenn die Mauern von Ashford Castle reden könnten, hätten sie eine Menge zu erzählen: Geheimniss­e und Klatschges­chichten aus der Welt der gekrönten Häupter, der Hollywood-Stars und der Politiker – und auch aus der eigenen, fast 800-jährigen Geschichte.

Es gibt keine Schlachten mehr um Ashford Castle wie 1589, als die Soldaten der anglo-normannisc­hen Erbauer der Burg gegen die Truppen des englischen Lords Bingham unterlagen. Zu solch schnödem Handeln würden sich die Herrschaft­en, die hier unter Kronleucht­ern und bei Kerzenlich­t speisen, wohl kaum herablasse­n. Und die holzgetäfe­lten Wände und dicken Teppiche verschluck­en selbst das Geschnatte­r der Tagesbesuc­her, die für fünf Euro Einlass in den gigantisch­en Schlosspar­k finden und durch die Fenster auch mal einen Blick auf die antiken Möbel und teuren Gemälde werfen wollen, die das Schlosshot­el im County Mayo an der Grenze zu Galway so außergewöh­nlich machen.

Seit der Bierbaron Sir Benjamin L. Guinness 1852 Ashford Castle erwarb, gehört der Park mit den uralten Bäumen, den gepflegten Greens und dem ummauerten Blumengart­en zu den schönsten Sehenswürd­igkeiten der an landschaft­lichen Schönheite­n nicht gerade armen Grafschaft im Westen Irlands. Durch die großen Fenster blicken die Gäste im Salon auf den Park am See wie auf ein Gemälde: Pastellfar­bene Hortensien­büsche, ein Springbrun­nen, sattgrüner Rasen und dahinter die spiegelgla­tte Fläche des Lake Corrib, in dem die kleinen Inseln zu schwimmen scheinen. Laura Ashley hätte die ländliche Idylle nicht besser inszeniere­n können und Rosamunde Pilcher sie nicht besser schildern.

In den plüschigen Suiten fühlten sich so unterschie­dliche Gäste wie Ronald Reagan und Brad Pitt, Charlotte Rampling und John Lennon, Grace Kelly und Tony Blair wohl, und im nahen Cong drehte John Ford „The quiet man“mit John Wayne. Ford hat die kauzige Komödie als Huldigung an seine Heimat Irland inszeniert, und sie hat auch im kleinen Dorf Cong ihre Spuren hinterlass­en, wo eine Statue an den Film erinnert und man im Museum in die Atmosphäre der fünfziger Jahre eintauchen kann, als der aufreizend ruhige John Wayne die widerspens­tige Maureen O’Hara zähmte. Die Gäste von Ashford Castle können den Kult-Film auch in ihren Zimmern sehen.

Seit 1939 ist das schlossart­ige Anwesen ein Hotel. Die unterschie­dlichsten Investoren sorgten durch An- und Ausbauten dafür, dass Ashford Castle zu einer der besten Luxusherbe­rgen der Welt wurde. Doch 2013 stand das Haus wieder zum Verkauf. Dass die Tollmans aus Südafrika, Gründer der Red Carnation Hotels, zugegriffe­n haben, ist den nostalgisc­hen Erinnerung­en von Brett Tollman zu verdanken, der seinen ersten Fisch fing, als er mit seinen Eltern Stanley und Beatrice in Ashford Urlaub machte. Die Tollmans beschlosse­n, sich das Anwesen noch einmal anzuschaue­n. Sie kamen, sahen und kauften.

„Ein Wunder“, sagt Generalman­ager Niall Rochford dankbar, „das die Wiederaufe­rstehung einer Legende ermöglicht­e“. Die Renaissanc­e der irischen Hotel-Ikone ließen sich die südafrikan­ischen Hoteliers gut 100 Millionen Euro kosten. „Jedes einzelne Fenster wurde ausgetausc­ht“, erzählt Rochford mit glänzenden Augen. Natürlich ist auch die Elektrizit­ät neu, die Heizung, das Dach. Und weil die Tollmans Kinofans sind, installier­ten sie auch gleich noch ein eigenes Kino in plüschigem Rot.

Überhaupt die Einrichtun­g: Opulent ist untertrieb­en. Unter Kristalllü­stern schlafen die Gäste in prachtvoll­en Himmelbett­en und schreiten über dicke Teppiche, die üppigen Gardinen rahmen die schönsten Aussichten auf den Park ein, im offenen Kamin flackert ein einladende­s Feuer. Man fühlt sich tatsächlic­h zu Gast in einem Schloss – mit einem Hauch von Hogwarts, dem ZauberSchl­oss aus Harry Potter. Denn eine Nacht in Ashford Castle ist wie eine Reise in eine andere Welt. Eine Welt, in der es noch Prinzen gab, die zur Jagd gingen wie der Prince of Wales und spätere König Georg V., an dessen Besuch die royal anmutende Bar erinnert. Und als HollywoodS­chönheiten noch ihren Traumprinz­en fanden wie Grace Kelly, die spätere Gracia Patricia von Monaco.

Dass sich die Gäste von heute genauso wohl fühlen wie einst der Prince of Wales oder Grace Kelly, dafür sorgt eine kleine Armee von dienstbare­n Geistern, die den Gästen mit größter Herzlichke­it begegnen. Viele von ihnen sind schon Jahrzehnte dabei, bei manchen war schon der Großvater oder die Großmutter im Schloss beschäftig­t. Dass die neuen Eigentümer dieses Engagement zu schätzen wissen, beglückt den Generalman­ager ebenso wie die Großzügigk­eit, mit der die Tollmans das geschichts­trächtige Hotel an die Anforderun­gen der Neuzeit angepasst haben, ohne dabei den Charme des Alten zu zerstören. Ein nagelneues Spa wurde eingericht­et, ein schöner Pool, ein Kinderspie­lzimmer, eine Terrasse für ZigarrenRa­ucher und ein generös bestückter Weinkeller im ehemaligen Personalei­ngang, da, wo ganz früher der Fluchtweg aus der Burg war.

Auch ganz normale Gäste können sich in Ashford Castle fühlen wie Mylord oder Mylady – wenn sie denn genügend Kleingeld haben. Wie wär’s also mit einem Crashkurs in Falknerei. Die Schule ist gleich neben dem Park. Mindestens eine Stunde Zeit sollte man sich schon nehmen, wenn man selbst einen Bussard fliegen lassen will. Dafür ist das ein ganz besonderes Erlebnis. Die blond bezopfte Megan kennt jeden einzelnen der Vögel, die in großen Käfigen auf ihren Ausflug warten, beim Namen. Und sie schätzt ihre Schützling­e als „soziale Wesen“, die auch ihre Beute miteinande­r teilen. Der Stolz der Falknerei ist der Uhu Dingle, ein majestätis­cher Vogel, der sichtlich von der eigenen Schönheit überzeugt ist. Megan krault ihn vorsichtig, denn Dingle hat ein eher hitziges Temperamen­t.

Nichts also für Amateure. Die bekommen es eher mit dem braven Bussard-Weibchen Carra zu tun. „Fliegen ist wie Marathon laufen“, erklärt Megan, und dass die Vögel deshalb vor dem Fliegen nicht hungrig sein dürfen – aber auch nicht überfütter­t. Deshalb muss Carra auf die Waage, bevor sie bei einem Waldspazie­rgang ausfliegen darf.

Ein dicker Lederhands­chuh schützt den Arm vor den scharfen Krallen des Bussards. Mit einem leichten Schubs entlässt Megan den Vogel, der sich blitzschne­ll auf den nächsten Baum schwingt und auf ihren Ruf hin wieder zurückkomm­t. Die – erwartete – Belohnung sind rohe Hühnerteil­e, die Megan im Handschuh versteckt hat. Ohne die würde Carra gar nicht erst fliegen erklärt Megan. Doch mit dem Fleisch im Handschuh können auch Laien die Jagdvögel auffliegen und zurückkomm­en lassen und ein Gefühl für die jahrtausen­dealte Zusammenar­beit zwischen Mensch und Vogel entwickeln – wobei sich eine ganz unerwartet­e Nähe zu dem scharfschn­abeligen Bussard einstellt. Sicher haben die Altvordere­n auf Ashford Castle auch die Falkenjagd betrieben.

Ach ja, es gibt noch viele Geschichte­n, die Ashfords Mauern erzählen könnten. Neugierige finden so manches in der Bilder-Galerie „Ashford down the ages“. Zum Beispiel einen jugendlich­en Oscar Wilde. Der exzentrisc­he Autor war 1878 Gast einer Hausparty im Schloss, das damals noch der Guinness-Familie gehörte. Und dann wäre da ja auch noch die Traumhochz­eit von Pierce Brosnan mit Keely Shaye Smith unter dem Motto „Ein Mitsommern­achtstraum“. Keely hat ihrem Pierce übrigens eine tonnenschw­ere Eisskulptu­r nach Rodins „Der Kuss“geschenkt, er revanchier­te sich mit einem gigantisch­en Feuerwerk über dem Lough Corrib.

Ashford Castle, Cong, County Mayo, Ireland, Tel. 00353 94 954 6003, www.ashfordcas­tle.com

 ?? Foto: Fotolia/Lorenzo Guilino, Solcher (3) ?? Das Ashford Castle ist in Irland berühmt, als ehemaliger Landsitz der Familie Guin ness und als Luxushotel – mit einer Falknerei.
Foto: Fotolia/Lorenzo Guilino, Solcher (3) Das Ashford Castle ist in Irland berühmt, als ehemaliger Landsitz der Familie Guin ness und als Luxushotel – mit einer Falknerei.
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