Illertisser Zeitung

Riskantes Geschäft oder Betrug?

Eine Frau gibt einem Immobilien­kaufmann 300 000 Euro für den Umbau eines Modehauses. Doch der zahlt das Darlehen nicht zurück – weil das scheinbar lukrative Projekt misslingt

- VON JENS NOLL

Es schien ein lukratives Vorhaben zu sein: Ein Modehaus in Ehingen an der Donau, einst in Familienbe­sitz, sollte zu einer Filiale der Kette H&M umgebaut werden. Eine Unternehme­rin aus Mindelheim sah eine gute Möglichkei­t, damit in kurzer Zeit mehr Geld zu erwirtscha­ften als durch eine Anlage auf der Bank. Also gab sie einem Immobilien­kaufmann aus dem Raum Weißenhorn, der an dem Projekt zu 50 Prozent beteiligt war, ein Darlehen in Höhe von 300 000 Euro. Das scheinbar sichere Geschäft missglückt­e und die Frau verlor ihr Geld. Sie klagte – weil sie sich von dem Mann betrogen fühlte.

Nun wurde der Fall vor dem Neu-Ulmer Schöffenge­richt verhandelt. Laut Anklage hatte der Immobilien­kaufmann das Geld unrechtmäß­ig für sich verwendet, anstatt das zweckgebun­dene Darlehen wie vereinbart an die Frau zurückzuza­hlen. Zudem soll er ihr falsche Tatsachen vorgespieg­elt haben, weil er der Investorin seine missliche finanziell­e Lage nicht offenbarte. Der Angeklagte geriet nämlich zwischenze­itlich in Insolvenz.

Heiko Weber, der Rechtsanwa­lt des Immobilien­kaufmanns, verlas vor Gericht eine ausführlic­he Erklärung, um darzulegen, warum die Staatsanwa­ltschaft in dem Fall von falschen Tatsachen ausgehe. Demnach habe es sich um kein Darlehen zur Finanzieru­ng des Projekts gehandelt, sondern um ein Darlehen zur Finanzieru­ng des zu erwartende­n Gewinnes.

Solche Darlehen seien durchaus üblich, sagte der als Zeuge geladene Unternehme­nsberater, der den Kontakt zwischen dem Immobilien­kaufmann und der Frau hergestell­t hatte. „Das ist eine Finanzspri­tze, bis ein Objekt durch Verkauf einen Gewinn abwirft.“

Doch bis heute wirft das Geschäft für die Beteiligte­n keinen Gewinn ab, obwohl der Laden nach Aussage eines Ulmer Architekte­n, der zusammen mit dem Immobilien­kaufmann in das Projekt eingestieg­en war, inzwischen sehr gut läuft.

Was war passiert? Noch bevor der Umbau des Modehauses im Jahr 2013 abgeschlos­sen war, hatten die Projektpar­tner den Laden an H&M vermietet und die Immobilie wiederum an eine Hamburger Fondsgesel­lschaft verkauft. Doch dann kam es zu Verzögerun­gen, ein Sturm- und ein Brandschad­en hatten zur Folge, dass die Modekette den Laden erst zwei Monate nach dem vereinbart­en Termin beziehen konnte. Dafür verlangte der Konzern immense Vertragsst­rafen – dem Angeklagte­n zufolge 4000 Euro pro Tag. „Für uns ist das Objekt immer noch nicht abgewickel­t“, sagte der Architekt. „Doch die Hamburger Fondsgesel­lschaft freut sich.“

Rechtsanwa­lt Weber betonte, dass sich bei dem Projekt ein wirtschaft­liches Risiko ergeben habe, das der Unternehme­rin als erfahrener Geschäftsf­rau bewusst gewesen sein müsse: „Es handelte sich um ein riskantes Geschäft, das durch entspreche­nd hohe Zinsen kompensier­t wird.“

Auch der frühere Bankberate­r der Unternehme­rin sagte: „Ohne Risiko gibt es keinen hohen Ertrag. Ich gehe davon aus, dass ein Kaufmann Risiko einschätze­n kann.“Doch die Geschäftsf­rau hatte es offensicht­lich nicht für notwendig gehalten, den Vertrag noch einmal mit einem Juristen unter die Lupe zu nehmen, bevor sie ihn unterschri­eb.

Aus Sicht von Staatsanwa­lt Thomas Hörmann konnte man dem Angeklagte­n letztlich nicht nachweisen, dass er die Frau täuschen wollte. Richter Thomas Mayer und die zwei Schöffen folgten dieser Argumentat­ion – und sprachen den Mann schließlic­h frei.

 ?? Symbolfoto: Emily Wabitsch, dpa ?? In Ehingen an der Donau wurde ein Modegeschä­ft, das einst in Familienbe­sitz war, in eine Filiale der Kette H&M umgebaut. Eine Unternehme­rin investiert­e viel Geld in das Vorhaben, an dem ein Immobilien­kaufmann aus dem Raum Weißenhorn beteiligt war. Doch...
Symbolfoto: Emily Wabitsch, dpa In Ehingen an der Donau wurde ein Modegeschä­ft, das einst in Familienbe­sitz war, in eine Filiale der Kette H&M umgebaut. Eine Unternehme­rin investiert­e viel Geld in das Vorhaben, an dem ein Immobilien­kaufmann aus dem Raum Weißenhorn beteiligt war. Doch...

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