Illertisser Zeitung

Leitartike­l

Im Nahen Osten provoziert Israel mit der Legalisier­ung wilder Siedlungen. Dies geschieht im Vertrauen auf den US-Präsidente­n. Aber der Kurs ist gefährlich

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Während der vergangene­n Jahrzehnte hat jeder USPräsiden­t versucht, die Mutter aller Krisen, den NahostKonf­likt, zu lösen. Es mag überrasche­n, aber in diese Tradition will sich nun auch Donald Trump einreihen. Mehr noch, er will es nicht nur versuchen, sondern er will es auch schaffen. Das hat er jedenfalls im Wahlkampf gesagt – eine Ankündigun­g, die unter all den aggressive­n und teilweise geschmackl­osen Attacken untergegan­gen ist, mit denen er auf Stimmenfan­g ging. Und wie er es genau anstellen will, hat Trump auch nicht verraten.

In Israel fühlen sich viele Politiker seit dem Amtsantrit­t des neuen Präsidente­n richtiggeh­end befreit. Hatte Barack Obama kurz vor dem Ende seiner Präsidents­chaft der Regierung in Jerusalem noch einen Warnschuss verpasst, indem er im UN-Sicherheit­srat eine Resolution gegen den Siedlungsb­au im besetzten Westjordan­land passieren ließ, so schürte Trump die Hoffnung, Washington werde künftig bedingungs­los an der Seite Israels stehen. Im Vertrauen darauf wurde in den vergangene­n gut zwei Wochen der Bau von tausenden weiteren Siedlerwoh­nungen angekündig­t. Jetzt haben die politische Rechte und die Siedler-Parteien im Jerusaleme­r Parlament, der Knesset, dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Mit knapper Mehrheit brachten sie ein Gesetz durch, das Siedlerunt­erkünfte, die ohne Genehmigun­g auf palästinen­sischem Privatland errichtet wurden, nachträgli­ch legitimier­t.

Eine beispiello­se Provokatio­n: Sie richtet sich einerseits gegen die israelisch­e Justiz, die zuletzt die Räumung eines illegalen Außenposte­ns durchgeset­zt hat. Sie fordert anderersei­ts die arabische Welt heraus und stößt die internatio­nale Gemeinscha­ft vor den Kopf.

Der Friedenspr­ozess ist damit um Jahre zurückgewo­rfen. Selbst Trump, der den israelisch­en Siedlern große Hoffnung gemacht hat, scheint mittlerwei­le zurückzuru­dern. Vergangene Woche ließ er seinen Sprecher Sean Spicer erklären, Siedlungen seien aus seiner Sicht kein Hindernis für den Frieden, aber neue Siedlungen oder die Erweiterun­g bestehende­r Anlagen könnten sich als „nicht hilfreich“für einen Nahost-Frieden erweisen. Zuvor war der US-Präsident mit Jordaniens König Abdullah zusammenge­troffen. Vielleicht hat dieser ihn vor einer rücksichts­losen israelisch­en Expansion gewarnt.

Erfahrene US-Außenpolit­iker wie der Republikan­er James Baker, Außenminis­ter unter dem älteren George Bush, glauben, niemand könne den Nahost-Konflikt lösen, wenn er „als Anwalt Israels“auftritt. Es gelte, die Interessen beider Seiten zu verstehen und „als Vermittler“zusammenzu­bringen. Ob Trump in der Lage ist, solch feinfühlig­e Diplomatie zu betreiben, ist offen. Anderersei­ts haben all die Pendelmiss­ionen, Gesprächsr­unden und Gipfelkonf­erenzen der Vergangenh­eit bisher auch keinen endgültige­n Frieden gebracht.

Dennoch kann wohl nur die Zwei-Staaten-Lösung den Konflikt beenden. Davon rückt Israels Regierung aber leider immer mehr ab. Der radikale Chef der an der Regierung beteiligte­n Siedlerpar­tei „Jüdisches Heim“, Naftali Bennett, fordert sogar, weite Teile des Westjordan­lands zu annektiere­n.

Wohin soll das führen? Eine solche Politik macht einen eigenen Palästinen­serstaat unmöglich. Die Alternativ­e, die Ein-Staat-Lösung, bedeutet für Israel aber eine andere Gefahr: Aufgrund der demografis­chen Entwicklun­g könnten die Juden am Ende eine Minderheit im eigenen Land sein.

Die USA werden sich wohl in der Tat nur Verdienste erwerben, wenn sie mit beiden Seiten reden. Und wenn sie vorsichtig zu Werke gehen: Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem könnte den nächsten Sprengsatz darstellen.

Die Verlegung der Botschaft wäre der nächste Sprengsatz

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