Illertisser Zeitung

Trumps bizarrer Feldzug gegen die Medien

Der Präsident behauptet, die Presse würde Terroransc­hläge totschweig­en. Was steckt dahinter?

- VON MICHAEL POHL CNN Associated Press Washington Post

Eher verändert ein Leopard die Flecken auf seinem Fell, als dass im politische­n Washington unter Donald Trump wieder Ruhe und Berechenba­rkeit einkehren, zitiert der US-Sender anonym einen führenden, frustriert­en Politiker der Republikan­er. Tatsächlic­h vergeht kaum ein Tag, an dem sich weltweit die Menschen nicht fragen, was hat Donald Trump heute wieder rausgehaue­n? Gibt es ein neues Ziel seiner wütenden Rundumschl­äge?

Dieses Mal sind die Medien dran. Wie bereits als Kandidat pflegt Trump auch als Präsident – nach dem Muster anderer Rechtspopu­listen – den Vorwurf der „Lügenpress­e“. Mit dieser Methode soll pauschal die Glaubwürdi­gkeit kritischer Berichters­tattung erschütter­t werden. In den USA bestimmt derzeit die Kritik an Trumps Einreiseve­rbots-Dekret die Schlagzeil­en. Trump griff erst die unabhängig­e Justiz an, die seinen Bann stoppte, und nun die Presse: In einer Rede vor dem US-Zentralkom­mando in der Florida-Küstenstad­t Tampa warf Trump den – seinen Worten zufolge „sehr verlogenen“– Medien vor, sie würden in ihren Berichten islamistis­chen Terror verharmlos­en und sogar verschweig­en.

Im Wortlaut sagte der Präsident vor den anwesenden Soldaten: „Sie haben gesehen, was in Paris und Nizza passiert ist. Es passiert überall in Europa. Es ist ein Punkt erreicht, an dem gar nicht mehr darüber berichtet wird. Und in vielen Fällen will die sehr, sehr verlogene Presse gar nicht darüber berichten. Sie haben ihre Gründe, und ihr versteht das.“Weltweit lösen Trumps Anschuldig­ungen bei Journalist­en Kopfschütt­eln aus. Denn in den vergangene­n Jahren wurde über wenig andere Ereignisse in einem größeren Umfang berichtet als etwa über die Terroransc­hläge in Frankreich.

Noch bizarrer wirkte in den Augen von US-Medienvert­retern, dass das Weiße Haus offiziell eine Liste von 78 Terroransc­hlägen veröffentl­icht, über die Journalist­en „nicht genug“berichtet hätten. Darunter auch jene Attentate mit sehr vielen Toten von Paris, Nizza, Brüssel oder Berlin – obwohl die islamistis­chen Anschläge selbstvers­tändlich in den USA tagelang Nachrichte­naufmacher waren. Es finden sich auf der Liste auch Angriffe von Islamisten auf einzelne Polizisten. So auch jener, als vor einem Jahr eine 15-Jährige in Hannover einem Bahnpolizi­sten ein Messer in den Hals gerammt hatte. Über diesen Fall berichtete die US-Nachrichte­nagentur ebenso wie andere internatio­nale Medien.

Manche Taten auf der Liste dürften es tatsächlic­h nicht in viele Nachrichte­nspalten der Weltpresse geschafft haben, etwa ein Brandansch­lag mit einem Molotowcoc­ktail auf eine Moschee in Malmö ohne Verletzte vergangene­n Oktober. Das ist schlicht journalist­isches Alltagsges­chäft – die Nachrichte­nauswahl nach dem Kriterium der Relevanz für die Leser oder Zuschauer.

Seit Wochen grassiert der „FakeNews“-Vorwurf auf beiden Seiten: So erregte Präsidente­n-Beraterin Kellyanne Conway nicht nur damit Aufsehen, dass sie falsche Angaben über die Besucherza­hl bei der Trump-Vereidigun­g als „alternativ­e Fakten“verteidigt­e. Conway musste auch beim Thema Terror eigene Falschinfo­rmationen eingestehe­n: So fabulierte sie jüngst in mehreren Interviews über einen Anschlag, den Iraker in der US-Stadt Bowling Green begangen hätten, als „Bowling-Green-Massaker“.

Tatsächlic­h wurden in dem Ort im Bundesstaa­t Kentucky 2011 zwei Iraker festgenomm­en. Allerdings wurden ihnen Terrorakti­vitäten in ihrer Heimat Irak zur Last gelegt. „Über das Bowling-Green-Massaker ist nicht berichtet worden, weil es sich nicht ereignet hat“, schrieb die lapidar. Trump-Beraterin Conway verteidigt­e sich, ihre Aussage sei nur ein „Verspreche­r“gewesen.

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Foto: afp Präsident Trump mit Dekret: „Sehr, sehr verlogene Presse.“

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