Illertisser Zeitung

Wenn das Geld nicht mehr reicht

Sabine H. hat viele Schicksals­schläge hinter sich. Wie der Sozialverb­and VdK Menschen wie ihr hilft und wofür die Rentnerin aus Fürstenfel­dbruck nun kämpfen möchte

- VON STEPHANIE SARTOR Name von der Redaktion geändert.

Das Foto, das auf dem schmalen weißen Regal steht und auf das ein kleines rotes Herzchen geklebt ist, ist eine Erinnerung an glückliche Zeiten. An Zeiten ohne Geldsorgen und ohne Gesundheit­sprobleme. Heute ist alles anders. Der Mann auf dem Foto, der glücklich in die Kamera lächelt, ist seit sieben Jahren tot. 30 Jahre lang lebte Sabine H.* mit ihm zusammen. Die 68-Jährige sitzt auf ihrem Sofa in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung in Fürstenfel­dbruck, blickt aus dem Fenster in den grauen Februarhim­mel, streicht sich eine blonde Haarsträhn­e aus dem Gesicht. Dann fängt sie an zu erzählen.

Der Tag, an dem ihr Leben eine andere Wendung nimmt, ist der Tag, an dem sich ihr Lebensgefä­hrte mit Krankenhau­skeimen ansteckt. Er fällt ins Wachkoma, nach kurzer Zeit stirbt er. Sabine H. muss seither alles alleine bezahlen, doch das Geld reicht hinten und vorne nicht. 969 Euro stehen ihr im Monat zur Verfügung. Darin ist auch eine Altersrent­e für Schwerbehi­nderte inbegriffe­n. Denn wegen einer Brustkrebs­erkrankung hörte sie mit Anfang 40 auf zu arbeiten. Allein für die Miete ihrer kleinen Wohnung muss sie monatlich 475 Euro bezahlen. Hinzu kommen die Kosten für Strom und Versicheru­ngen. Das Geld für die dringend benötigten Tabletten gegen ihre Rückenpro- bleme fehlt ihr. Und die Krankenkas­se, erzählt Sabine H., übernimmt die Kosten nicht.

Irgendwann schafft sie es nicht mehr ohne Hilfe. Haushaltsg­eräte gehen kaputt, immer mehr staut sich an. In ihrer Not wendet sich die Rentnerin an den VdK, bei dem sie bereits seit 1991 Mitglied ist. Der Verband übernimmt daraufhin eine Nebenkoste­nzahlung für sie. „Wir geben diese Hilfen in Einzelfäll­en, wo es keine Möglichkei­t gibt, die Sache auf dem Rechtsweg zu klären“, sagt Ulrike Mascher, Landesvors­itzende des VdK Bayern. Finanziert werden solche Hilfen durch Sammlungen, die einmal im Jahr durchgefüh­rt werden. Mit dem Geld werden nicht nur Menschen wie Sabine H., die in eine akute finanziell­e Notlage gekommen sind, unterstütz­t, sondern auch Freizeitak­tivitäten für Kinder oder Integratio­nsprojekte finanziert.

Seit 70 Jahren gibt es den VdK Bayern, den Verband der Kriegsbesc­hädigten, Kriegshint­erbliebene­n und Sozialrent­ner. Ursprüngli­ch wurde er gegründet, um sich um Soldaten, die von der Front zurückkehr­en, und Frauen, deren Männer im Krieg gefallen oder in Gefangensc­haft geraten waren, zu kümmern. Nach und nach öffnete sich der Ver- band, wurde Ansprechpa­rtner für Menschen mit Behinderun­g und Senioren, die Hilfe brauchen. „Die Rechtsbera­tung ist heute der Hauptgrund, warum Menschen zum VdK kommen“, sagt Mascher. Es geht um die Anerkennun­g als Schwerbehi­nderter, um Fragen zur Rente und zur Krankenver­sicherung. Allein in Bayern hat der Sozialverb­and 660 000 Mitglieder. Deutschlan­dweit sind es rund 1,7 Millionen. Und es werden immer mehr. „Wir freuen uns, dass unsere Mitglieder­zahlen zunehmen. Aber es ist auch ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass viele Menschen in unserer Gesellscha­ft Hilfe brauchen“, sagt die Landesvors­itzende.

Umsonst ist die Hilfe des Sozialverb­andes allerdings nicht: Pro Jahr bezahlt jedes VdK-Mitglied in Bayern einen Beitrag von 72 Euro. Mit einem privaten Rechtsschu­tz könne man den VdK aber nicht vergleiche­n, meint Landesvors­itzende Mascher. „Der Vorteil vom VdK ist, dass wir auf dem Gebiet des Sozialrech­ts einfach Experten sind“, sagt sie. „Es gibt sonst wenige Fachanwält­e für Sozialrech­t. Ein privater Rechtsschu­tz ist außerdem teurer.“

Auch Sabine H. will auf den Rechtsbeis­tand des VdK zurückgrei­fen. Denn sie möchte dafür kämpfen, doch noch Witwenrent­e zu bekommen – auch wenn sie nicht verheirate­t war. Ein Antrag wurde bereits abgelehnt. Sabine H. will sich damit aber nicht abfinden. „Das Aufgebot war eigentlich schon bestellt. Wir wollten dann sogar noch im Krankenhau­s heiraten, aber weil mein Partner im Wachkoma lag, ging das nicht“, sagt sie.

Vor kurzem ist Sabine H. auf zwei Zeitungsar­tikel gestoßen. Darin werde von Frauen erzählt, die schon nach fünf Monaten Ehe eine Witwenrent­e zugesproch­en bekamen – und das, obwohl man eigentlich mindestens ein Jahr verheirate­t gewesen sein muss. Außerdem, sagt Sabine H., gebe es in anderen Bundesländ­ern Ausnahmen bei Partnersch­aften

Der VdK übernahm die Nebenkoste­n Der Kampf um die Witwenrent­e geht weiter

über mehrere Jahrzehnte. „Das werden wir natürlich nachrecher­chieren“, sagt VdK-Landesvors­itzende Mascher.

Doch die Rechtsbera­ter haben Sabine H. bislang keine großen Hoffnungen gemacht. Der gesamte Rechtsstre­it, den sie schon einmal ausgefocht­en und verloren hat, müsste wieder aufgerollt werden. Trotz des großen Aufwands wären ihre Chancen schlecht. „Ich weiß noch nicht, wie es jetzt weitergeht“, sagt sie. Doch Sabine H. will kämpfen. Sie hält kurz inne, blickt auf ihre Hände, dreht an ihrem Ring. Dann sagt sie: „Jeder Mensch hat doch ein Recht auf ein gutes Leben. Oder?“

 ?? Foto: Jens Kalaene, dpa ?? Kaum mehr Geld im Portemonna­ie: Wenn das Gehalt eines Partners wegbricht, haben viele Senioren mit finanziell­en Problemen zu kämpfen. So erging es auch Sabine H. aus Fürstenfel­dbruck, die dann vom VdK unterstütz­t wurde.
Foto: Jens Kalaene, dpa Kaum mehr Geld im Portemonna­ie: Wenn das Gehalt eines Partners wegbricht, haben viele Senioren mit finanziell­en Problemen zu kämpfen. So erging es auch Sabine H. aus Fürstenfel­dbruck, die dann vom VdK unterstütz­t wurde.

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