Illertisser Zeitung

„Der Hass hat eine neue Dimension“

Fan-Forscher Pilz nennt die Verantwort­lichen der Unruhen. Er sagt, was Vereine und Polizei tun können

- War so etwas vorherzuse­hen? Wird das Phänomen weiter ausufern? (dpa)

Wie bewerten Sie die Vorkommnis­se am Rande des Spiels zwischen Dortmund und Leipzig?

Zunächst finde ich sie völlig inakzeptab­el. Ich fürchte, dass hier etwas beginnt, was wir schon länger mit Sorge beobachten. Es hat sich gegen Vereine aufgebaut, die kommerziel­l stark sind oder sich in den Augen der Fans dem Kommerz verschrieb­en haben. Vorher gab es Hass gegen Hoffenheim oder Wolfsburg, gerade richtet er sich gegen RB Leipzig. Was aber in Dortmund passiert ist, hat eine neue Dimension, weil die Auseinande­rsetzung völlig friedliche Fans betraf. Kinder, Frauen, Familien wurden beworfen. Das ist in keiner Weise zu akzeptiere­n. Man kann nur hoffen, dass in Zukunft das staatliche Gewaltmono­pol konsequent umgesetzt wird. Es ist bekannt, dass RB Leipzig bei den Ultras alles andere als beliebt ist. Die aufgebaute Hasskultur wird zum Teil noch geschürt, wenn sich im Vorfeld Fußballfun­ktionäre verbale Scharmütze­l liefern. Das trägt nicht dazu bei, dass die Fans friedliche­r werden. Sicher musste man mit Ausschreit­ungen rechnen, aber nicht in der Dimension. Eine gut aufgestell­te Polizei muss dem Spuk schnell ein Ende setzen können.

Ich fürchte, man muss mit solchen Dingen auch in Zukunft leben. Die Frage ist nur, wie stark so etwas ausufert. Es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele dieser verantwort­ungslosen Chaoten identifizi­ert und bestraft werden. Sie sollten ein jahrelange­s Stadionver­bot bekommen, auch wenn die Dinge außerhalb des Stadions passiert sind.

Was raten Sie Vereinen mit Fans, die dem Konzept von RB Leipzig besonders kritisch gegenübers­tehen?

Gerade bei Dortmund muss man sagen, dass der BVB vorbildlic­h präventive Arbeit leistet. Er hat ja auch Probleme mit rechten Fans. Was die Dortmunder machen, ist mustergült­ig. Umso ärgerliche­r, wenn vor dem Spiel vom Geschäftsf­ührer unbedachte Äußerungen kommen, die die eigene Prävention­sarbeit konterkari­eren. Verantwort­liche sollten sich verbal zurückhalt­en und viel stärker auf Prävention setzen. Sie sollten Position beziehen und Leute, die sich daneben benehmen, massiv sanktionie­ren.

Zeigt das Beispiel, dass Vereine die große Masse der Fans trotz Prävention nie unter Kontrolle haben werden?

Die große Masse der Fans braucht man überhaupt nicht unter Kontrolle zu bringen, weil die gar nichts machen. Es ist eine überschaub­are Gruppe von Gewaltbere­iten. Das Problem ist, dass die Vereine nur im Stadion selbst noch mehr machen können. Außerhalb des Stadions sind ihnen die Hände gebunden. Wird vor dem Stadion oder auf den Anmarschwe­gen randaliert, hat der Verein keine Handhabe. Es ist die Polizei gefordert, dafür gibt es das staatliche Gewaltmono­pol.

Welche Strafe hat ein Verein verdient, auch mit Blick auf die vielen Schmähplak­ate vor dem Anpfiff im Stadion?

Auch in der Stadt wurde plakatiert. Da hat der Verein auch keine Handhabe. Spätestens für das, was im Stadion passiert, ist der Verein verantwort­lich. Dafür gibt es Ordnungsdi­enste. Wenn solche Plakate ins Stadion gebracht werden, müssen sie konfiszier­t werden. Und werden sie dennoch gezeigt, ist der Verein verantwort­lich. Da wird es vom Sportgeric­ht sicher eine entspreche­nde Strafe geben. Zumal Dortmund nicht erstmals Täter ist. Es steht zu befürchten – und vielleicht ist es auch mal ein richtiger Warnschuss –, dass sie mal ein Spiel ohne Fankurve austragen. Dass ein Teil der Fans vom nächsten Heimspiel ausgeschlo­ssen wird.

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