Illertisser Zeitung

Der digitale Durchbruch

VW nennt die jüngste Überarbeit­ung des Golf ein „Update“. Allein das zeigt schon, wohin die Reise geht

- VON SASCHA GORHAU

VW modernisie­rt den Golf – und spricht von einem „Update“. Von außen fällt das kaum auf. Die Erscheinun­g des Kompaktwag­ens wurde so marginal modifizier­t, dass es den allermeist­en Menschen überhaupt nicht auffallen dürfte. Ein Beispiel: Die sinnvollen LED-Lampen sind nun Serie – leider jedoch nur am Heck. Vorne wäre die sicherheit­srelevante Technologi­e viel wichtiger, ist aber nur in den gehobenen Ausstattun­gslinien an Bord.

Ein erstes Aha-Erlebnis folgt im Innenraum: Die Schalter liegen nun unter Glas und das obere Armaturenb­rett hat zwar dieselbe Form wie beim Vorgänger, doch das Display ist mit einem Durchmesse­r von bis zu 9,2 Zoll deutlich gewachsen. Der Multimedia-Bildschirm heißt „Discover Pro“. Fraglich ist, wie viele Golf-Kunden die Topversion der für 2385 Euro bestellen. VW ist optimistis­ch und rechnet mit einer Einbauquot­e von 40 Prozent.

Fast die Hälfte aller Fahrer würde dann auch in den Genuss der integriert­en Gestensteu­erung kommen. Der Golf bringt sie erstmals in die Kompaktkla­sse – teilweise zumindest, denn mittels Geste können ausschließ­lich Musiktitel oder Radiosende­r ausgewählt werden. Das ist in der Theorie toll, in der Praxis hingegen noch ein wenig unausgegor­en. Die Maschine setzt die Wünsche des Fahrers oft nicht um. Dieser Effekt trat sogar bei einer Demonstrat­ion durch einen VW-Inge- nieur wiederholt auf. Allen Skeptikern seien darum die übrigen bekannten und bewährten Infotainme­nt-Systeme des Golf empfohlen. Sie sind durchgängi­g ein wenig größer geworden, verfügen über eine feinere Grafik und sind nach wie vor hervorrage­nd bedienbar. Ein Vorteil für Lernfaule: Sie verfügen noch über Knöpfe.

Davon abgesehen stehen die Zeichen beim Golf auf Digitalisi­erung: Statt analoger Instrument­e dient nun ein 12,3 Zoll großes Display im Sichtfeld des Fahrers als zentrale Informatio­nsquelle über alle relevanten Fahrdaten. Es lässt sich durch fünf verschiede­ne Profile individuaI­nfotainmen­t-Einheit lisieren und zeigt so wahlweise Daten zu Verbrauch und Reichweite, Leistung und Fahrassist­enz oder weitere Infos an. VW integriert zudem noch mehr Online-Dienste in den Kompaktwag­en, bietet Services in den Bereichen Sicherheit, Informatio­n – und Haustürübe­rwachung.

Letztere nennt sich „Door Bird“und stellt eine Video-Verbindung zwischen dem Fahrzeug und der Überwachun­gsanlage des Hauses her. Per Fernbefehl kann der Fahrer dann beispielsw­eise die Eingangstü­re öffnen, falls ein Familienmi­tglied seinen Schlüssel vergessen hat.

Relevanter sind neue Assistenzs­ysteme, die den Golf nach wie vor zur Referenz im Segment und im Alltag noch sicherer machen. Der Stau-Assistent zum Beispiel fährt bis 60 km/h teilautono­m. Und auch der Front-Assistent mit City-Notbremsfu­nktion wurde verbessert und reagiert nun auf Fußgänger.

Ähnlich erfreulich ist die Weiterentw­icklung im Bereich Antrieb leider nicht. Der gefahrene 150-PSDiesel war praktisch nicht unter fünf Liter Durchschni­ttsverbrau­ch zu bringen und das neu entwickelt­e Sieben-Gang-DSG arbeitete gerade bei schneller Fahrt nicht immer souverän.

Der neue GTI offenbarte bei Testfahrte­n Traktionsp­robleme und seine auf 230 PS gestiegene Leistung ist lediglich das Ergebnis davon, dass VW nun standardmä­ßig den Motor der vorhergega­ngenen „Performanc­e“-Version verbaut. Interessan­ter ist da schon der überarbeit­ete Elektro-Golf, der im Laufe des Jahres folgen und eine deutlich höhere Reichweite als sein Vorgänger besitzen soll.

Noch ein Argument, warum Interessen­ten für das Golf-Update noch ein wenig warten sollten: Mitte des Jahres folgt ein neuer 130-PS-Benziner mit nur 1,5 Litern Hubraum, der sehr sparsam werden soll.

Der durchschni­ttliche Golf-Kunde entscheide­t sich für die mittlere Ausstattun­gslinie „Comfortlin­e“und einen Benziner oder Diesel mit 110 PS. Dafür müsste er mindestens 21 675 (Benziner) beziehungs­weise 23675 Euro ausgeben. Wenn noch etwas Ausstattun­g hinzukommt, ist die 30000-Euro-Marke schnell erreicht.

Datenblatt

 ?? Foto: Volkswagen ?? Ein Golf muss aussehen wie ein Golf – das haben die Entwickler beherzigt und die äußere Erscheinun­g des Kompaktwag­ens nur behutsam angepasst. Die größeren Veränderun­gen fanden im Interieur statt.
Foto: Volkswagen Ein Golf muss aussehen wie ein Golf – das haben die Entwickler beherzigt und die äußere Erscheinun­g des Kompaktwag­ens nur behutsam angepasst. Die größeren Veränderun­gen fanden im Interieur statt.

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