Illertisser Zeitung

Von Senden nach Syrien in den Krieg?

Ein 26-jähriger Mann muss sich derzeit vor dem Landgerich­t in München verantwort­en, weil er sich angeblich dem Islamische­n Staat anschließe­n wollte

- VON MICHAEL BÖHM

In Neu-Ulm wurde er geboren, in der Ulmer Fußgängerz­one verteilte er regelmäßig den Koran – und in Syrien wollte er für die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) in den Krieg ziehen. Letzteres wird einem 26-jährigen Mann aus Senden vorgeworfe­n, der sich derzeit vor dem Landgerich­t in München wegen der mutmaßlich­en Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat und weiterer Straftaten verantwort­en muss.

Eigentlich hätte der Richter am heutigen Mittwoch sein Urteil über den strenggläu­bigen Muslim fällen sollen, doch noch fehlt die Aussage der wichtigste­n Zeugin: der ExFreundin des 26-Jährigen. Sie hatte den Prozess ins Rollen gebracht, als sie im November 2015 wohl aus eigenem Antrieb bei der Kriminalpo­lizei in Neu-Ulm vorstellig wurde und vom Vater ihrer jüngsten Tochter berichtete, der sich ihrer Ansicht nach radikalisi­ert habe, stark mit dem IS sympathisi­ere und plane, sich in Syrien als Dschihad-Kämpfer ausbilden zu lassen.

Am gestrigen Verhandlun­gstag erschien die Ex-Freundin nicht vor Gericht. Sie habe keine Vorladung erhalten, erklärte sie Richter Norbert Riedmann am Telefon. Dieser bat sie daraufhin, am heutigen Mittwoch zu erscheinen und als Zeugin auszusagen. Ob sie das freiwillig tut, ist fraglich. Schon bei einem vorangegan­genen Prozess, in dem es um ihren Ex-Freund ging, war sie dem Gericht ferngeblie­ben. Im aktuellen Fall wird sie um eine Aussage aber wohl nicht herumkomme­n. Zu schwer wiegen die Vorwürfe, denen sich der 26-Jährige, der einst in Ulm auch Mitglied der rockerähnl­ichen Gruppierun­g „Black Jackets“gewesen sein soll, erwehren muss.

Die Anklage beruht auch auf den verdächtig­en Handlungen des 26-Jährigen. Er hatte im Oktober 2015 versucht, über die Türkei nach Syrien zu reisen, scheiterte aber am Flughafen in Istanbul. Die türkischen Behörden schickten ihn zurück nach Deutschlan­d. Dort entzog ihm die Stadt Senden den Reisepass – die Ex-Freundin hatte die Behörden zuvor über die radikalen Pläne des Mannes informiert.

Von denen nahm der 26-Jährige deswegen aber noch lange nicht Abstand. Im Gegenteil: Für 2000 Euro besorgte er sich in Nordrhein-Westfalen gefälschte Papiere, die ihn fortan als bulgarisch­en Staatsbürg­er auswiesen. Benutzen konnte er seinen neuen Pass nicht mehr. Wenige Tage später durchsucht­e die Polizei die Wohnung der Schwester des Angeklagte­n in Neu-Ulm und fand die Dokumente dort in einem Wäschekorb. Gestern sagte ein Sachverstä­ndiger der Polizei aus, dass es sich dabei um sogenannte Totalfälsc­hungen handelte, die „von so minderwert­iger Qualität“gewesen seien, dass der Sendener dafür besser keine 2000 Euro bezahlt hätte.

Die Polizei nahm Hüsrev Y. daraufhin im April fest, seither sitzt er in Untersuchu­ngshaft und wird in Handschell­en zum Landgerich­t in der Münchner Innenstadt gebracht. Am ersten Verhandlun­gstag hatte er sich dort renitent gegeben. Während sich Prozessbet­eiligte und Zuhörer für gewöhnlich erheben, wenn der Richter den Saal betritt, verweigert­e sich der 26-Jährige. Das sei ein „Götzendien­st“, erklärte er, als ihn der Richter ermahnte. Wenig später sagte er Sätze wie: „Ich glaube an den Dschihad. Wir Muslime sind stolz auf den Dschihad.“In die Türkei habe er nur reisen wollen um seine Ehefrau zu besuchen.

Am gestrigen zweiten Verhandlun­gstag hielt sich Y. zurück – und erhob sich, als der Richter den Saal betrat. Ansonsten lauschte der vollbärtig­e Mann vor allem den Aussagen der Zeugen. Darunter die Mutter seiner Ex-Freundin, die ihn schwer belastete, sich dabei aber reihenweis­e in diverse Widersprüc­he verstrickt­e.

Der Vater des Angeklagte­n ergriff Partei für seinen Sohn. Dieser sei zwar sehr gläubig und übe seine Religion streng nach dem Koran aus, er habe bei ihm jedoch nie ein aggressive­s Verhalten festgestel­lt. Mit mit dem islamische­n Staat, „einer islamfeind­lichen Bewegung“, habe der 26-Jährige nichts zu tun.

Läuft alles nach Plan, könnte der Prozess heute sein Ende finden. Der Strafrahme­n für die Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Straftat reicht von sechs Monaten bis zehn Jahren Gefängnis.

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