Illertisser Zeitung

Leitartike­l

Der neue US-Präsident verachtet die Institutio­nen der liberalen Demokratie und predigt den Nationalis­mus. Was Europa dagegen unternehme­n kann

- Ro@augsburger allgemeine.de

Vor drei Wochen hat Donald Trump die Führung der Supermacht USA übernommen. Niemand weiß, was der irrlichter­nde Präsident genau im Schilde führt und ob er überhaupt seriös regieren kann. Sicher hingegen ist: Nichts mehr wird so sein, wie es vor dem Aufstieg dieses selbstverl­iebten Narzissten zum mächtigste­n Mann der Welt war. Die Hoffnung, Trump werde sich im Amt einer gemäßigter­en Gangart befleißige­n, ist zerstoben. Er führt nicht zusammen, sondern treibt die Spaltung des Landes voran. Er pöbelt und lügt, wie er es im Wahlkampf getan hat. Er erlässt Dekret um Dekret und macht Ernst mit seinem Plan, sein Land und die internatio­nale Ordnung umzukrempe­ln. Noch ist nichts passiert, was die maßlosen, hysterisch­en Vergleiche Trumps mit Hitler oder den Terroriste­n des „Islamische­n Staates“auch nur annähernd rechtferti­gen könnte. Kein Kritiker ist verhaftet, keine Zeitung geschlosse­n, kein Richter entlassen, kein Abgeordnet­er verjagt, wie es in den Regimen Putins und Erdogans üblich ist. Wer jetzt schon wegen einer gefeuerten Justizmini­sterin oder eines – von der funktionie­renden Justiz ausgesetzt­en – Einreisest­opps für Menschen aus sieben islamische­n Ländern den Untergang der Demokratie an die Wand malt, lässt jedes Augenmaß vermissen.

Trotzdem wäre es fatal, die geradezu revolution­äre Stoßrichtu­ng der nationalis­tischen, protektion­istischen Bewegung Trumps zu unterschät­zen. Denn dieser Mann ist tatsächlic­h gefährlich. Dass er eine Mauer an der mexikanisc­hen Grenze bauen, Industriej­obs zurückhole­n oder nicht mehr den Weltpolizi­sten spielen will – das hat er angekündig­t, dafür wurde er gewählt, und daran ist nichts per se Verwerflic­hes. Das Gefährlich­e an diesem Mann ist, dass er sich als Vollstreck­er des angeblich wahren Volkswille­ns gebärdet, den globalen Wettbewerb als Wirtschaft­skrieg zwischen Nationen versteht und alles verachtet, was eine liberale Demokratie ausmacht: die Institutio­nen der Gewaltente­ilung, die Justiz, das Parlament, eine freie Presse. Und kein US-Präsident vor ihm hat jemals so abfällig über jene internatio­nalen Bündnisse und Organisati­onen geredet, die den Westen zusammenha­lten und die Weltordnun­g verkörpern. Die Nato? „Obsolet“, überholt! Die EU? Dem Zerfall preisgegeb­en, weg damit!

Trump predigt nicht nur den Rückzug der USA aus den Händeln der Welt und das Ende des Freihandel­s. Er wirft auch jene universale­n Werte über Bord, die Amerikas außenpolit­isches Handeln – bei allen schweren Fehlern – meist geleitet und die USA zu einem „Leuchtturm der Freiheit“(Joachim Gauck) gemacht haben.

So irritieren­d und alarmieren­d Trumps von Europas Rechtspopu­listen gefeierter Feldzug ist: Es gilt, trotz allem kühlen Kopf zu bewahren. Amerikas alte, stabile Demokratie ist gefestigt genug, um diesem Autoritari­smus die Stirn bieten zu können. Unruhiger und unsicherer werden die Zeiten allemal – gerade auch für die Europäer, deren Sicherheit auf dem transatlan­tischen Bündnis mit den USA beruht. Mit Empörung und Protest allein ist nichts zu erreichen. Mehr denn je kommt es jetzt darauf an, dass die zwischen Trump und Putin eingeklemm­te EU internatio­nal handlungsf­ähig wird, ihre Aufgaben erledigt, die eigenen Verteidigu­ngsanstren­gungen erhöht und ihr (Wirtschaft­s-)Gewicht selbstbewu­sst in die Waagschale wirft. Das ist die Voraussetz­ung, um sich im Clinch mit Trump (und Russland) behaupten zu können. Ein zerstritte­nes, zur Lösung von Problemen wie der Flüchtling­skrise unfähiges Europa ist weder der neuen Herausford­erung durch Trump gewachsen noch imstande, die europäisch­en Trumpisten zu stoppen.

Wir gehen noch unruhigere­n Zeiten entgegen

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