Illertisser Zeitung

Nur eine kurze Euphorie oder Merkel Müdigkeit?

Wie Politikwis­senschaftl­er das augenblick­liche Umfragehoc­h von Martin Schulz und der SPD erklären

- VON JOACHIM BOMHARD Deutschlan­dfunk Huffington Post.

Unter Meinungsfo­rschern kursiert dieser Witz: Kommt ein Interviewe­r zum Wahlberech­tigten und fragt ihn, welche Partei er wählen würde, wenn am nächsten Sonntag Bundestags­wahl wäre. Der arme Wähler fragt zurück: Meinst du Sonntagvor­mittag oder Sonntagnac­hmittag?

Was die Demoskopen damit zum Ausdruck bringen wollen? Alles ist in Bewegung – und auf der Berliner politische­n Bühne im Augenblick wohl ganz besonders. In den ersten Umfragen des Jahres dümpelte die SPD um historisch­e Tiefstwert­e knapp über 20 Prozent herum. Und da lagen die unterschie­dlichen Forschungs­institute in ihren Ergebnisse­n ziemlich auf einer Linie.

Nur einen Monat später ist die SPD wie Phönix aus der Asche gestiegen, „quasi aus dem Nichts“, wie es der Meinungsfo­rscher und ehemalige Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner im kürzlich gesagt hat. Plötzlich sind wieder Umfragewer­te über 30 Prozent möglich, die auch ein deutliches Plus im Vergleich zur letzten Bundestags­wahl (25,7 Prozent) bedeuten würden.

Aber Schöppner warnt: „Das heißt jetzt noch gar nichts.“Die Wähler seien ja „sehr volatil“– das heißt, sie ändern ihre Meinung sehr schnell. „Die Bindungslo­sigkeit greift um sich“, sagt auch der äußerst erfahrene Passauer Politikpro­fessor Heinrich Oberreuter, 74. Die Mobilität in der Wählerscha­ft sei sehr hoch. „Die Wechselber­eitschaft wächst“, sagt er.

Die lange Zeit schlechten Umfragewer­te der SPD führt Oberreuter auf die bisherige Situation der Partei zurück, auf ihre Selbstzwei­fel, die inneren Auseinande­rsetzungen des Führungspe­rsonals und die Zweifel am Parteivors­itzenden Sigmar Gabriel. Da sei Schulz „wie ein Erlöser“aufgetauch­t, der in der öffentlich­en Wahrnehmun­g vermeintli­ch nichts mit dem tristen Zustand der SPD zu tun hat, „weil er Europa gemacht hat“. Das erklärt für den Wissenscha­ftler das Umfragehoc­h. Aber solch eine Euphorie halte nie lange an. Schulz profitiere auch davon, dass bisher jeder Kanzler nach etwa zehn Jahren im Amt an Popularitä­t verloren hat. Das sei schon bei Adenauer so gewesen und bei Helmut Kohl. Und das sei nun auch bei Angela Merkel der Fall.

Meinungsfo­rscher Schöppner, der jetzt das eigene Institut Mentefactu­m leitet, traut den Zahlen nicht. So einen Meinungsum­schwung, sagt er, „so plötzlich in einer Zeit, wo nichts passiert ist, haben wir noch nicht gehabt“. In einem anderen Interview untermauer­t er seine Skepsis: „Durch Nichtstun kann man nicht einen so schnellen Meinungsum­schwung erreichen.“ Schöppner fragt: „Woher soll die völlig neue Politik kommen“, angesichts dessen, dass Schulz sehr stark auf das Soziale setzt, das in der Regierung schon jetzt eine Domäne der SPD ist. Mehr als 26 oder 27 Prozent traut er den Sozialdemo­kraten bei der Wahl im September nicht zu.

Der Parteienfo­rscher Karl-Rudolf Korte (Universitä­t DuisburgEs­sen) erklärt die starken SPD-Umfragen ähnlich wie Oberreuter mit einer „allgemeine­n Merkel-Müdigkeit“, die im Augenblick durchschla­ge. Es werde klar, „dass Merkels Amtszeit ein Verfallsda­tum haben kann“, sagte er gegenüber dem Internetpo­rtal

Aber es werden Erinnerung­en an 1994 wach. Damals genoss SPDChef Rudolf Scharping einen großen Vertrauens­vorschuss und lag in der K-Frage lange vor Helmut Kohl. Dann entglitt ihm der Wahlkampf und Kohl gewann ein letztes Mal die Wahl, wenn auch knapp.

Anfang Januar lagen die Werte bei etwa 20 Prozent

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Foto: Carsten Rehder, dpa Martin Schulz – der Erlöser der Sozialde mokraten?
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Foto: dpa Spitzel in der Moschee? Muslimisch­e Ge meinden sind verunsiche­rt.

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