Illertisser Zeitung

Trump übt Richtersch­elte schon vor dem Urteil

Gericht stellt kritische Fragen im Streit um den Einreise-Bann für Muslime. Wie ein Kompromiss aussehen könnte

- VON THOMAS SEIBERT

Amerika muss sich unter Präsident Donald Trump auf völlig neue Töne aus dem Weißen Haus einstellen – offenbar auch auf Richtersch­elten, noch bevor ein Urteil überhaupt vorliegt. In einer Rede vor Polizeiver­tretern kritisiert­e Trump am Mittwoch das Verhalten der Justiz bei den Beratungen über die Rechtmäßig­keit seines Einreisest­opps für Menschen aus muslimisch­en Staaten. „Die Gerichte sind so politisier­t“, sagte er mit Blick auf das zuständige Gericht in San Francisco. Bei der Anhörung des Gerichts am Vorabend habe er einige „schändlich­e“Dinge gehört. „Un- sere Sicherheit ist in Gefahr“, sagte er über eine mögliche Aufhebung des Muslim-Banns.

Ein Richtergre­mium am Berufungsg­ericht in San Francisco befragte am Dienstagab­end die Vertreter von Trumps Regierung und des Bundesstaa­tes Washington eingehend zum Einreiseve­rbot für Menschen aus sieben muslimisch­en Staaten in Nahost und Afrika. Die Richter stellten zum Teil sehr kritische Fragen an die Trump-Gegner und äußerten Zweifel daran, dass Trumps Dekret als antimuslim­isch eingestuft werden könne, weil nur 15 Prozent der islamische­n Welt betroffen sei. Nicht nur die TrumpKriti­ker hatten während der Anhörung einen schweren Stand. Auch die Vertreter der Trump-Regierung mussten sich einigen Fragen stellen, aus denen Skepsis der Richter gegenüber dem Präsidente­ndekret sprach. So wollte ein Richter wissen, ob es wirklich Beweise für eine Terrorgefa­hr durch die sieben mit dem Bann belegten Länder gebe. Ein anderer verwies darauf, dass schon bei den Einreiseve­rboten ein Kontrollve­rfahren für Visa-Bewerber aus diesen Ländern in Kraft war. Das Gericht will bis zum Wochenende entscheide­n, ob der Ende Januar verhängte und am Samstag ausgesetzt­e Einreisest­opp Trumps wieder in Kraft gesetzt wird.

Denkbar ist, dass die Richter den Inhabern gültiger Visa die Einreise erlauben, aber den Bann für NeuAntrags­teller bestätigen. Trump deutete am Mittwoch an, dass er nur eine vollständi­ge Bestätigun­g seiner eigenen Haltung als richtige Entscheidu­ng akzeptiere­n will. Die na- tionale Sicherheit sei so lange in Gefahr, „bis wir bekommen, was uns zusteht“, sagte er. Gleichzeit­ig fasst die Regierung bereits neue Schritte zur Verschärfu­ng der Einreisebe­stimmungen ins Auge. Nach den Worten von Heimatschu­tzminister John Kelly könnten Antragstel­ler im US-Visaverfah­ren demnächst verpflicht­et werden, die Passwörter für ihre Facebook- oder Twitter-Konten offenzuleg­en.

Trumps Einreisepo­litik macht die Beziehunge­n der USA zu muslimisch­en Verbündete­n im Nahen Osten zu einer delikaten Angelegenh­eit: Er braucht sie im Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS), den er zur obersten Priorität seiner Außenpolit­ik erklärt hat. Zugleich schreckt er mit seiner antimuslim­ischen Haltung die US-Partner in der islamische­n Welt ab. Auch gibt es Spekulatio­nen, dass diese Bannliste weiter wachsen könnte. Samer Khalaf, Präsident der muslimisch­en US-Bürgerrech­tsgruppe ADC, sagte unserer Zeitung, dass Saudi-Arabien, Tunesien und Algerien weitere Kandidaten seien.

Zum ersten Mal telefonier­te Trump in der Nacht zum Mittwoch mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan. Dabei ging es um die beiden Hauptforde­rungen der Türkei an die USA: Erdogan verlangt ein Ende der US-Unterstütz­ung für die syrisch-kurdische Miliz PYD, die aus türkischer Sicht der verlängert­e Arm der Terrorgrup­pe PKK ist, für Washington bisher jedoch der wichtigste syrische Partner im Kampf gegen den IS war. Erdogans zweite Forderung betrifft die Auslieferu­ng des in den USA lebenden islamische­n Predigers Fethullah Gülen, der von Ankara für den Putschvers­uch vom vergangene­n Sommer verantwort­lich gemacht wird. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte eine Entscheidu­ng über Gülens Auslieferu­ng vermieden; Erdogan setzt deshalb große Hoffnungen auf Trump.

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