Illertisser Zeitung

Die Ukraine kommt nicht zur Ruhe

Gefechte zwischen Regierungs­truppen und Separatist­en flammen immer wieder auf. Gleichzeit­ig löst eine Mordserie an Kommandeur­en der Rebellen Spekulatio­nen aus

- VON WINFRIED ZÜFLE Tass

Die Ostukraine bleibt ein Pulverfass. Seit zwei Jahren sollten eigentlich die Waffen schweigen. Gemäß dem Minsker Abkommen hätten Panzer und schwere Artillerie längst aus der Sicherheit­szone ins Hinterland zurückgebr­acht werden müssen. Aber weder die ukrainisch­en Regierungs­truppen noch die von Russland unterstütz­ten Separatist­en hielten sich an diese Auflage.

Deswegen kommt es immer wieder zu tödlichen Gefechten mit schweren Waffen. Die jüngste Eskalation spielte sich vergangene Woche um die kleine Industries­tadt Awdijiwka wenige Kilometer nördlich von Donezk ab. Awdijiwka gehört zum von der Kiewer Regierung kontrollie­rten Gebiet – in der nahen Großstadt Donezk sitzt dagegen die Regierung der selbst ernannten „Volksrepub­lik“. Mindestens 35 Menschen kamen bei den Gefechten ums Leben. Immerhin hat eine am Wochenende vereinbart­e Waffenruhe bisher gehalten.

Wie immer leidet vor allem die Zivilbevöl­kerung unter den Kämpfen. Sowohl in Awdijiwka als auch in Donezk wurden Wohngebäud­e von Granaten getroffen. In der Industries­tadt Awdijiwka fielen Strom, Wasser und die Fernwärmev­ersor- gung aus – und dies bei Temperatur­en von bis zu minus 18 Grad. Der größte Arbeitgebe­r am Ort, eine Kokerei, musste wegen Nachschubm­angels stillgeleg­t werden. Reparaturt­rupps, die Stromleitu­ngen instandset­zen wollten, wurden beschossen und mussten sich zunächst zurückzieh­en. Die Zustände wurden unhaltbar, zahlreiche Bewohner wurden in Bussen weggebrach­t. Am Wochenende trafen dann Hilfsliefe­rungen aus Kiew ein: Vor allem warme Kleidung und medizinisc­he Hilfspaket­e waren gefragt. Einwohner, die in der Stadt geblieben waren, wurden aus Gulaschkan­onen mit warmem Essen versorgt.

Doch Gewalt gibt es im Osten der Ukraine nicht nur in Form von Schießerei­en und Gefechten. Auch eine mysteriöse Mordserie, von der Kommandeur­e der Aufständis­chen betroffen sind, wirft Fragen auf. Gestern starb in Donezk ein Bataillons-Kommandeur der Separatist­en, ein 36-jähriger Oberstleut­nant, durch eine Explosion in seinem Büro. Am Samstag wurde in Luhansk einer der Militärkom­mandanten der dortigen „Volksrepub­lik“durch eine Bombe in seinem Geländewag­en getötet. Ein weiterer Bataillons-Kommandeur der Donezker Separatist­en war im Oktober im Fahrstuhl seines Wohnhauses durch eine Bombe ermordet worden. Schon zuvor waren mehrere Rebellenfü­hrer eines gewaltsame­n Todes gestorben.

Über die Motive der Täter wird gerätselt. Drei Theorien sind im Umlauf. Erstens wird von den Separatist­en üblicherwe­ise der ukrainisch­e Geheimdien­st beschuldig­t. Zweitens wird gemutmaßt, die teilweise als „Kriegsheld­en“gefeierten Kommandeur­e seien internen Machtkämpf­en unter den Separatist­en zum Opfer gefallen. Drittens gibt es eine Theorie, wonach Moskau daran interessie­rt sein könnte, diejenigen Personen zu beseitigen, die einer Umsetzung des Minsker Abkommens – und damit dem möglichen Ende der Sanktionen gegen Russland – im Wege stehen.

Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidente­n Wladimir Putin, sah sich gestern jedenfalls laut der Nachrichte­nagentur zu der Erklärung veranlasst, der Kreml habe „absolut und eindeutig“nichts mit den Morden zu tun.

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Foto: Alexej Filippow, afp Endlich eine warme Mahlzeit: Am Sonntag wurden Bewohner der umkämpften Stadt Awdijiwka aus der Gulaschkan­one versorgt.

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