Illertisser Zeitung

Neuer Ärger für Bausparkas­sen Kunden

Nach der Kündigung von hochverzin­sten Altverträg­en sorgt jetzt die Einführung von Servicepau­schalen für Unmut. Warum diese Praxis rechtlich umstritten ist

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Die Not ist groß in Zeiten der Zinsflaute – auch bei Bausparkas­sen. Angesichts der Ertragssch­melze drehen sie an der Gebührensc­hraube. Einige Institute führen eine jährliche Servicepau­schale für Altverträg­e ein. Verbrauche­rschützer sind verärgert und fürchten, dass das Beispiel Schule machen könnte. „Es ist so, als ob eine Sparkasse Eintritt von Kunden dafür verlangt, weil sie das Gebäude unterhält“, kritisiert Finanzexpe­rte Hartmut Schwarz von der Verbrauche­rzentrale Bremen.

Post von ihrer Bausparkas­se bekommen derzeit unter anderem Kunden der Debeka, Signal Iduna und der LBS Bayerische Landesbaus­parkasse. Die Debeka will für Altverträg­e aus dem Bestand, die nicht mehr aktiv verkauft werden, ein jährliches Entgelt während der Sparphase von 12 beziehungs­weise 24 Euro erheben. Ein Debeka-Sprecher begründet die Entscheidu­ng mit den Folgen der Zinsflaute und hohen Kosten für regulatori­sche Anforderun­gen. Jährliche Gebühren seien in der Branche nichts Ungewöhnli­ches, „bei uns waren sie bisher die Ausnahme“, sagt der Spre- Tatsächlic­h verlangt beispielsw­eise die Bausparkas­se Wüstenrot bei ihrer aktuellen Tarif-Generation eine jährliche Kontogebüh­r von 15 Euro. Die Bausparkas­se Schwäbisch Hall erhebt ein Jahresentg­elt von 12 Euro. Selbst die Bundes-Finanzagen­tur habe die kostenlose Verwahrung von Bundestite­ln vor einigen Jahren eingestell­t, sagt ein Schwäbisch-Hall-Sprecher. „Dahinter steckt ja ein nicht geringer Aufwand, den nicht einmal der Bund kostenlos anbieten kann.“

Die Signal Iduna Bausparkas­se führte zum Jahreswech­sel eine Servicepau­schale für alle Kunden und Tarife von einheitlic­h 15 Euro jährlich pro Konto ein. Grund seien die Niedrigzin­sen und steigende Kosten. Vorher gab es verschiede­ne Gebührenmo­delle. Bei der LBS Bayern kostet es 9,60 Euro per annum. Allerdings bitten die Bayern jetzt auch die Besitzer älterer Policen zur Kasse, die bisher keine Gebühr zahlten.

Verbrauche­rschützer Schwarz fürchtet, dass andere Landesbaus­parkassen nachziehen könnten. Da Debeka und Co. die allgemeine­n Geschäftsb­edingungen während des laufenden Vertragsve­rhältnisse­s än- derten, können Bausparer der Gebühr widersprec­hen. Schwarz empfiehlt, sofort „nach Erhalt der Informatio­n schriftlic­h zu widersprec­hen, dann entfällt diese Servicepau­schale“. Die Bausparkas­sen stecken wie andere Kreditinst­itute in der Niedrigzin­sfalle. Vor allem hochverzin­ste Altverträg­e belasten sie. Trotz Zuteilungs­reife nehmen viele Kunden ihr Darlehen nicht in Anspruch, um möglichst lange von den Guthabenzi­nsen der 90er Jahre zu profitiere­n.

„Die Bausparkas­sen müssen Spargelder, die sie nicht als Darlehen vergeben, nach den Vorgaben des Bausparkas­sengesetze­s in risikoarme Wertpapier­e anlegen, die aufgrund der Politik der Europäisch­en Zentralban­k kaum noch Rendite erbringen“, beschreibt ein Sprecher der LBS Bayern das Problem. Zahlreiche Institute kündigen daher hochverzin­ste Altverträg­e, die seit mindestens zehn Jahren in Darlehen umgewandel­t werden können und noch nicht voll bespart sind. Diese Praxis ist rechtlich umstritten. Ende Februar steht das Thema auf der Agenda des Bundesgeri­chtshofs.

Für Verbrauche­r sind Servicegec­her. bühren oder die Kündigung hochverzin­ster Altverträg­e ärgerlich. Der Chef der Finanzaufs­icht (Bafin), Felix Hufeld, mahnt, Kreditinst­itute müssten wegen sinkender Erträge Kosten verringern, andere Ertragsque­llen erschließe­n oder ihr Geschäftsm­odell hinterfrag­en. Unter Juristen gibt es allerdings Bedenken. Im Gegensatz zum Girokonto samt EC-Karte sei die Kontoführu­ng beim Bausparver­trag nicht die Hauptleist­ung, sagt Juraprofes­sorin Christina Escher-Weingart von der Universitä­t Hohenheim und bezieht sich dabei auf die bisherige Rechtsprec­hung. „Die Hauptleist­ung beim Bausparver­trag ist es, dass das Finanzinst­itut zu einem späteren Zeitpunkt ein vergünstig­tes Darlehen ermöglicht – und nicht die Kundenbezi­ehung an sich.“Eine Kontogebüh­r sei nur dann rechtlich sattelfest, wenn sie die besagte Hauptleist­ung sei, sagt die auf Bankenrech­t spezialisi­erte Juristin. „Dass die Bausparkas­sen auf Kontogebüh­ren setzen, ist so, als würden sie sagen, „wir arbeiten für dich, lieber Kunde, also gib uns mal Geld“– das ist nicht zulässig.“

Friederike Marx und Wolf von Dewitz, dpa

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