Statt ins Paradies geht’s ins Gefängnis
Ein Deutschtürke aus Senden will nach Syrien reisen, um sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat anzuschließen. Er wird in München zu einer Haftstrafe verurteilt. Doch dem Richter ist nicht ganz wohl dabei
Er wollte im Namen Allahs in den Heiligen Krieg ziehen – doch ehe seine Reise begann, fand sie auch schon ein jähes Ende. Und zwar in einem bayerischen Gefängnis. Dort wird Hüsrev Y. auch noch eine ganze Weile bleiben. Gestern wurde der strenggläubige Muslim aus Senden (Landkreis Neu-Ulm) am Landgericht in München zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.
Hintergrund ist der im vergangenen Jahr vom Bundestag verschärfte Anti-Terror-Paragraf, der es Gerichten ermöglicht, Verdächtige hinter Gitter zu schicken, wenn sie „schwere staatsgefährdende Gewalttaten“vorbereiten. Schon der Versuch, zu diesem Zweck aus Deutschland auszureisen, reicht für eine Verurteilung aus. Seither laufen bundesweit Verfahren nach Paragraf 89a des Strafgesetzbuches gegen Menschen, die mit der Terrormiliz Islamischer Staat sympathisieren und für diese kämpfen wollen.
So wie Hüsrev Y., der nach Angaben seiner Ex-Freundin genau das mehrfach angekündigt und geplant hatte. Über die Türkei wollte er mit der Hilfe von Schleusern nach Syrien reisen, um sich dort in einem Camp drei Monate lang von der Terrormiliz Islamischer Staat zu einem bewaffneten Kämpfer ausbilden zu lassen. Doch daraus wurde nichts.
Erst hinderten ihn die türkischen Behörden an der Einreise, dann verpfiff ihn seine ehemalige Partnerin und Mutter seiner Tochter bei der Polizei, ehe die Ermittler gefälschte bulgarische Papiere bei dem 26-jährigen Deutschtürken fanden und ihn festnahmen. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn schließlich wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, Urkun- denfälschung und der Beschaffung falscher amtlicher Ausweise an.
Vor Gericht beriefen sich Y. und sein Verteidiger darauf, dass der gebürtige Neu-Ulmer in Istanbul le- seine neue Ehefrau – die Witwe eines getöteten IS-Kämpfers, die er nach islamischem Recht offenbar via Internet geheiratet hat – besuchen wollte. Etwas anderes sei nicht zu beweisen. „Selbst wenn ein Mensch Anhänger einer gewissen Ideologie ist, sollte sich ein starker Rechtsstaat davor hüten, ihn allein wegen dieser Gedanken zu verurteidiglich len“, erklärte Rechtsanwalt Ömer Sahinci und plädierte bezüglich der Terrorgefahr seines Mandanten auf Freispruch.
Sowohl der Staatsanwalt als auch Richter Norbert Riedmann sahen das anders. Zu schlüssig und eindeutig waren die Handlungen des vollbärtigen Mannes, die Protokolle abgehörter Telefonate mit Glaubensbrüdern („Wir sehen uns im Paradies“) und die belastenden Aussagen seiner ehemaligen Freundin. Gleichzeitig trug der Angeklagte selbst seinen Teil dazu bei, vor Gericht den Eindruck eines fanatischen Islamisten zu hinterlassen. Am ersten Verhandlungstag weigerte er sich, aufzustehen, als der Richter den Saal betrat und bezeichnete diese an Gerichten übliche Geste als „Götzendienst“. Zudem bekannte er sich ganz offen zum Dschihad, dem Heiligen Krieg der Muslime zur Verbreitung des Islams.
„Das Gericht ist davon überzeugt, dass Sie nach Syrien reisen wollten und es immer noch wollen, um sich dort dem IS anzuschließen“, begründete Richter Riedmann das Urteil, das ihm jedoch reichlich Bauchgrimmen bereite. In früheren Entscheidungen habe der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass bereits der alte Paragraf 89a „gerade noch verfassungsgemäß“ist. Die verschärfte Variante sei „noch viel schwammiger“formuliert. So sei nicht klar geregelt, wann die Vorbereitung einer Gewalttat tatsächlich beginnt. Nach Ansicht Riedmanns werde das dazu führen, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Anti-TerrorParagrafen beschäftigen und entscheiden müsse, ob dieser überhaupt rechtens ist.
Für Hüsrev Y. dürfte eine solche Entscheidung zu spät kommen. Er sitzt seit zehn Monaten in Untersuchungshaft und hat damit bereits fast die Hälfte seiner Strafe abgesessen. Ob er gegen das Urteil, das sein Verteidiger „im Grundsatz als fair und angemessen“bezeichnete, in Revision geht, stand gestern noch nicht fest.
Ex Freundin belastet ihn schwer