Illertisser Zeitung

Statt ins Paradies geht’s ins Gefängnis

Ein Deutschtür­ke aus Senden will nach Syrien reisen, um sich dort der Terrormili­z Islamische­r Staat anzuschlie­ßen. Er wird in München zu einer Haftstrafe verurteilt. Doch dem Richter ist nicht ganz wohl dabei

- VON MICHAEL BÖHM

Er wollte im Namen Allahs in den Heiligen Krieg ziehen – doch ehe seine Reise begann, fand sie auch schon ein jähes Ende. Und zwar in einem bayerische­n Gefängnis. Dort wird Hüsrev Y. auch noch eine ganze Weile bleiben. Gestern wurde der strenggläu­bige Muslim aus Senden (Landkreis Neu-Ulm) am Landgerich­t in München zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.

Hintergrun­d ist der im vergangene­n Jahr vom Bundestag verschärft­e Anti-Terror-Paragraf, der es Gerichten ermöglicht, Verdächtig­e hinter Gitter zu schicken, wenn sie „schwere staatsgefä­hrdende Gewalttate­n“vorbereite­n. Schon der Versuch, zu diesem Zweck aus Deutschlan­d auszureise­n, reicht für eine Verurteilu­ng aus. Seither laufen bundesweit Verfahren nach Paragraf 89a des Strafgeset­zbuches gegen Menschen, die mit der Terrormili­z Islamische­r Staat sympathisi­eren und für diese kämpfen wollen.

So wie Hüsrev Y., der nach Angaben seiner Ex-Freundin genau das mehrfach angekündig­t und geplant hatte. Über die Türkei wollte er mit der Hilfe von Schleusern nach Syrien reisen, um sich dort in einem Camp drei Monate lang von der Terrormili­z Islamische­r Staat zu einem bewaffnete­n Kämpfer ausbilden zu lassen. Doch daraus wurde nichts.

Erst hinderten ihn die türkischen Behörden an der Einreise, dann verpfiff ihn seine ehemalige Partnerin und Mutter seiner Tochter bei der Polizei, ehe die Ermittler gefälschte bulgarisch­e Papiere bei dem 26-jährigen Deutschtür­ken fanden und ihn festnahmen. Die Staatsanwa­ltschaft klagte ihn schließlic­h wegen der Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat, Urkun- denfälschu­ng und der Beschaffun­g falscher amtlicher Ausweise an.

Vor Gericht beriefen sich Y. und sein Verteidige­r darauf, dass der gebürtige Neu-Ulmer in Istanbul le- seine neue Ehefrau – die Witwe eines getöteten IS-Kämpfers, die er nach islamische­m Recht offenbar via Internet geheiratet hat – besuchen wollte. Etwas anderes sei nicht zu beweisen. „Selbst wenn ein Mensch Anhänger einer gewissen Ideologie ist, sollte sich ein starker Rechtsstaa­t davor hüten, ihn allein wegen dieser Gedanken zu verurteidi­glich len“, erklärte Rechtsanwa­lt Ömer Sahinci und plädierte bezüglich der Terrorgefa­hr seines Mandanten auf Freispruch.

Sowohl der Staatsanwa­lt als auch Richter Norbert Riedmann sahen das anders. Zu schlüssig und eindeutig waren die Handlungen des vollbärtig­en Mannes, die Protokolle abgehörter Telefonate mit Glaubensbr­üdern („Wir sehen uns im Paradies“) und die belastende­n Aussagen seiner ehemaligen Freundin. Gleichzeit­ig trug der Angeklagte selbst seinen Teil dazu bei, vor Gericht den Eindruck eines fanatische­n Islamisten zu hinterlass­en. Am ersten Verhandlun­gstag weigerte er sich, aufzustehe­n, als der Richter den Saal betrat und bezeichnet­e diese an Gerichten übliche Geste als „Götzendien­st“. Zudem bekannte er sich ganz offen zum Dschihad, dem Heiligen Krieg der Muslime zur Verbreitun­g des Islams.

„Das Gericht ist davon überzeugt, dass Sie nach Syrien reisen wollten und es immer noch wollen, um sich dort dem IS anzuschlie­ßen“, begründete Richter Riedmann das Urteil, das ihm jedoch reichlich Bauchgrimm­en bereite. In früheren Entscheidu­ngen habe der Bundesgeri­chtshof darauf hingewiese­n, dass bereits der alte Paragraf 89a „gerade noch verfassung­sgemäß“ist. Die verschärft­e Variante sei „noch viel schwammige­r“formuliert. So sei nicht klar geregelt, wann die Vorbereitu­ng einer Gewalttat tatsächlic­h beginnt. Nach Ansicht Riedmanns werde das dazu führen, dass sich das Bundesverf­assungsger­icht mit dem Anti-TerrorPara­grafen beschäftig­en und entscheide­n müsse, ob dieser überhaupt rechtens ist.

Für Hüsrev Y. dürfte eine solche Entscheidu­ng zu spät kommen. Er sitzt seit zehn Monaten in Untersuchu­ngshaft und hat damit bereits fast die Hälfte seiner Strafe abgesessen. Ob er gegen das Urteil, das sein Verteidige­r „im Grundsatz als fair und angemessen“bezeichnet­e, in Revision geht, stand gestern noch nicht fest.

Ex Freundin belastet ihn schwer

 ?? Foto: Daniel von Loeper ?? Der 26 jährige Hüsrev Y. aus Senden wurde gestern am Landgerich­t in München zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Mo naten verurteilt.
Foto: Daniel von Loeper Der 26 jährige Hüsrev Y. aus Senden wurde gestern am Landgerich­t in München zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Mo naten verurteilt.
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