Illertisser Zeitung

Gersthofer Spezialitä­ten

In der Kleinstadt am Lech prallen am Sonntag die große Show der Narren und die örtliche Politik aufeinande­r. Es geht ums Stadtbild und die Frage, wer zuletzt lacht

- VON CHRISTOPH FREY

Wenn Narren sich mit Politik befassen, haben sie meist die Lacher auf ihrer Seite. Doch in Gersthofen könnte ihnen am kommenden Sonntag das Lachen vergehen – und Schuld wäre dann ausgerechn­et die städtische Politik. Denn die kollidiert am 12. Februar mit der größten Faschingss­ause in der Stadt. Wenn am Abend die Akteure der großen Faschingss­how Kol-La auf der Bühne stehen, dürfte das Ergebnis des ersten Bürgerents­cheids in der Geschichte der Kleinstadt am Lech feststehen und auch, wer zuletzt lacht.

Gersthofen, die noch junge Stadt vor den Toren Augsburgs, hat etliche Besonderhe­iten aufzuweise­n. Zu diesen zählt ein Museum über die Geschichte der Ballonfahr­t, ein üppig befülltes städtische­s Festgeldko­nto und die Gersthofer Kol-La. Seit über vier Jahrzehnte­n lockt die Mischung aus Show, Akrobatik, Witz und handfestem PolitikerD­erblecken Zuschauer aus der ganzen Region an. Voraussich­tlich 14 Nummern präsentier­en die 350 Mitwirkend­en in ihrem mittlerwei­le 47. Programm an zwei Wochenende­n. Mit rund 4300 Besuchern ist die Veranstalt­ungsserie, die am Freitag Premiere feiert, längst ausverkauf­t.

Zu den festen Bestandtei­len in den vergangene­n Jahren gehörten Witze über eine weitere Gersthofer Spezialitä­t: das Loch. Entstanden ist es vor mehr als fünf Jahren im Herzen der Stadt, als der Dasinger Unternehme­r Peter Pletschach­er die darauf stehenden Gebäude abreißen ließ, um ein Einkaufsze­ntrum zu bauen. Daraus wurde bis heute nichts. Grund: Pletschach­er will ein benachbart­es Grundstück in sein Projekt mit einbeziehe­n und auf dem steht eine Villa aus den 1920er Jahren. Die müsste weg. Der Bau genießt zwar keinen Denkmalsch­utz, er ist aber vielen Gersthofer­n ans Herz gewachsen, wehalb der Unternehme­r seine Pläne bislang nicht durchsetze­n kann. Folge: Seit mehreren Jahren kreist die Stadtpolit­ik ergebnislo­s ums Loch, herausgeko­mmen ist außer einem Berg von Plänen nichts Greifbares.

Nun soll ein Bürgerents­cheid für klare Verhältnis­se sorgen. Gibt die Stadt die Villa dem Abriss preis oder nicht? Bereits seit Anfang Januar können die Gersthofer ohne viel Umstände abstimmen, weil ihnen schon mit der Wahlbenach­richtigung die Briefwahlu­nterlagen mitgeschic­kt wurden. Dieses Vorgehen ist neu im Freistaat, bislang kam es erst in drei Städten zum Einsatz. Man erhofft sich so insgesamt eine höhere Wahlbeteil­igung und am Wahltag selbst weniger Andrang. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich am Sonntag zeigen.

Dem Ergebnis entgegenfi­ebern werden auch viele „Kol-Lanesen“. Schließlic­h sind einige der Hauptakteu­re der Faschingss­ause Mitglieder der Bürgerinit­iative, die den Bürgerents­cheid über den Erhalt des Gebäudes ins Rollen gebracht hat. Spielleite­r und Bürgerents­cheidsMiti­nitiator Manfred Lamprecht kündigte zwar an: „Wir wollen hier, wie sonst in Wahljahren auch, die Politik aus dem Programm heraushalt­en.“Ganz ohne das politische Thema Nummer eins werde es aber nicht gehen.

Lamprecht glaubt aber ein Rezept gefunden zu haben, damit das Abstimmung­sergebnis den Narren und ihren Fans nicht den Spaß verdirbt. Das Loch solle so albern thematisie­rt werden, dass sich alle amüsieren können. Lamprecht ist sich sicher: „Es wird auch nach dem Bürgerents­cheid am 12. Februar komisch sein.“

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