Gersthofer Spezialitäten
In der Kleinstadt am Lech prallen am Sonntag die große Show der Narren und die örtliche Politik aufeinander. Es geht ums Stadtbild und die Frage, wer zuletzt lacht
Wenn Narren sich mit Politik befassen, haben sie meist die Lacher auf ihrer Seite. Doch in Gersthofen könnte ihnen am kommenden Sonntag das Lachen vergehen – und Schuld wäre dann ausgerechnet die städtische Politik. Denn die kollidiert am 12. Februar mit der größten Faschingssause in der Stadt. Wenn am Abend die Akteure der großen Faschingsshow Kol-La auf der Bühne stehen, dürfte das Ergebnis des ersten Bürgerentscheids in der Geschichte der Kleinstadt am Lech feststehen und auch, wer zuletzt lacht.
Gersthofen, die noch junge Stadt vor den Toren Augsburgs, hat etliche Besonderheiten aufzuweisen. Zu diesen zählt ein Museum über die Geschichte der Ballonfahrt, ein üppig befülltes städtisches Festgeldkonto und die Gersthofer Kol-La. Seit über vier Jahrzehnten lockt die Mischung aus Show, Akrobatik, Witz und handfestem PolitikerDerblecken Zuschauer aus der ganzen Region an. Voraussichtlich 14 Nummern präsentieren die 350 Mitwirkenden in ihrem mittlerweile 47. Programm an zwei Wochenenden. Mit rund 4300 Besuchern ist die Veranstaltungsserie, die am Freitag Premiere feiert, längst ausverkauft.
Zu den festen Bestandteilen in den vergangenen Jahren gehörten Witze über eine weitere Gersthofer Spezialität: das Loch. Entstanden ist es vor mehr als fünf Jahren im Herzen der Stadt, als der Dasinger Unternehmer Peter Pletschacher die darauf stehenden Gebäude abreißen ließ, um ein Einkaufszentrum zu bauen. Daraus wurde bis heute nichts. Grund: Pletschacher will ein benachbartes Grundstück in sein Projekt mit einbeziehen und auf dem steht eine Villa aus den 1920er Jahren. Die müsste weg. Der Bau genießt zwar keinen Denkmalschutz, er ist aber vielen Gersthofern ans Herz gewachsen, wehalb der Unternehmer seine Pläne bislang nicht durchsetzen kann. Folge: Seit mehreren Jahren kreist die Stadtpolitik ergebnislos ums Loch, herausgekommen ist außer einem Berg von Plänen nichts Greifbares.
Nun soll ein Bürgerentscheid für klare Verhältnisse sorgen. Gibt die Stadt die Villa dem Abriss preis oder nicht? Bereits seit Anfang Januar können die Gersthofer ohne viel Umstände abstimmen, weil ihnen schon mit der Wahlbenachrichtigung die Briefwahlunterlagen mitgeschickt wurden. Dieses Vorgehen ist neu im Freistaat, bislang kam es erst in drei Städten zum Einsatz. Man erhofft sich so insgesamt eine höhere Wahlbeteiligung und am Wahltag selbst weniger Andrang. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich am Sonntag zeigen.
Dem Ergebnis entgegenfiebern werden auch viele „Kol-Lanesen“. Schließlich sind einige der Hauptakteure der Faschingssause Mitglieder der Bürgerinitiative, die den Bürgerentscheid über den Erhalt des Gebäudes ins Rollen gebracht hat. Spielleiter und BürgerentscheidsMitinitiator Manfred Lamprecht kündigte zwar an: „Wir wollen hier, wie sonst in Wahljahren auch, die Politik aus dem Programm heraushalten.“Ganz ohne das politische Thema Nummer eins werde es aber nicht gehen.
Lamprecht glaubt aber ein Rezept gefunden zu haben, damit das Abstimmungsergebnis den Narren und ihren Fans nicht den Spaß verdirbt. Das Loch solle so albern thematisiert werden, dass sich alle amüsieren können. Lamprecht ist sich sicher: „Es wird auch nach dem Bürgerentscheid am 12. Februar komisch sein.“