Illertisser Zeitung

Tatort Kirche

Die Zahl der Einbrüche in bayerische Gotteshäus­er steigt. Weshalb es die Täter dabei weniger auf Heiligenfi­guren oder Malerei abgesehen haben

- VON PHILIPP KINNE

Es gab Zeiten, da war es modern, sich eine barocke Madonna ins Wohnzimmer zu stellen. Woher diese stammte, das wollten einige wohl gar nicht wissen. Auf Antiquität­enmärkten war die Nachfrage nach Kirchenkun­st vom Ende der 60er bis in die frühen 80er Jahre groß. Die Preise hierfür stiegen rasant. Und mit ihnen auch die Zahl der Einbrüche in Gotteshäus­er. Heute interessie­ren sich die Leute weniger für sakrale Gegenständ­e, sagt Karl-Georg Michel, Sprecher des Bistums Augsburg. Die Preise, die dafür vor einigen Jahren noch erzielt werden konnten, seien heute „nicht im Ansatz mehr denkbar“. Und doch ist die Zahl der Einbrüche in bayerische Gotteshäus­er in den letzten Jahren wieder angestiege­n.

Das Bayerische Landeskrim­inalamt meldet für das Jahr 2015 exakt 290 Diebstähle in Kirchen aller Konfession­en – allein 89 davon in Schwaben. Neuere Zahlen liegen nicht vor. Seit 2010 registrier­en die Beamten jährlich über 200 Diebstähle in bayerische­n Kirchen. Das Bistum Augsburg nennt hingegen deutlich niedrigere Zahlen: In den vergangene­n fünf Jahren seien dem Bistum insgesamt lediglich 42 Einbrüche und Diebstahlv­ersuche in den 2050 katholisch­en Kirchen bekannt geworden.

Die Schadenssu­mme bei Kirchendie­bstählen liegt meist im niedrigen dreistelli­gen Bereich, sagt Michael A. Schmid, Diözesanko­nservator des Bistums Augsburg. Oft seien es Täter aus dem Drogenmili­eu, die schnell an Geld kommen wollten. Weil viele Kirchen geöffnet sind, falle ein Diebstahl oft erst relativ spät Deutlich höher als die erbeutete Summe sei der Schaden, der durch das Aufhebeln von Fenstern, Türen oder Schränken entsteht. Die meisten Straftäter haben es lediglich auf das gespendete Geld der Kirchgänge­r abgesehen, sagt Schmid. „Und die Opferstöck­e werden regelmäßig geleert, da ist nicht viel zu holen.“Heiligenfi­guren, Malerei oder sakrale Gegenständ­e würden dagegen nur selten gestohlen. Zum einen liege das an der gesunkenen Nachfrage auf dem Kunstmarkt, sagt Schmid: „Man bekommt vielleicht noch ein Drittel von dem, was eine Heiligenfi­gur in den 80ern wert war.“Zum anderen seien diese Figuren mittlerwei­le auch oftmals alarmgesic­hert. Außerdem sei das Risiko, dass gestohlene Werke später über die Kunstfahnd­ung entdeckt werden, in Zeiten digitaler Datenbanke­n sehr hoch.

Wie das Bayerische Landeskrim­inalamt auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, werde nach einem Kirchendie­bstahl auch online nach den Täauf. tern gesucht. In den meisten Kirchen seien Wertgegens­tände auf Bestandsli­sten festgehalt­en. Von Heiligenfi­guren oder Gemälden in Gotteshäus­ern werden Fotos gemacht. Sobald der Täter versuche, seine Beute zu verkaufen, könne so schnell festgestel­lt werden, ob es sich bei der angebotene­n Ware um Diebesgut handele.

„Der heilige Ulrich wird meistens mit einem Fisch und Bischofsst­ab dargestell­t“, sagt Karl-Georg Michel vom Bistum Augsburg. Über das Internet könne man anhand solcher Merkmale die Suche nach einer gestohlene­n Figur schnell eingrenzen. Auf den Trödelmärk­ten sei bekannt, dass die Beamten mittlerwei­le leicht nachweisen können, woher die angebotene Ware tatsächlic­h stammt.

In den 70er Jahren war die Fahndung nach Kirchendie­ben noch deutlich mühsamer, erinnert sich Michael Schmid. Damals ist in eine Kirche in Mindelheim (Unterallgä­u) eingebroch­en worden. Mehrere Engelsköpf­e und kleinere Figuren wurden entwendet. „Die Täter hat man zwar gefasst, das Diebesgut aber nicht mehr“, erzählt Schmid. Aus Vorsorge habe man sämtliche Wertgegens­tände damals aus der Kirche in einen Raum der Pfarrei gebracht. Gottesdien­ste fanden dort ohnehin kaum statt.

„Heute sind die Kirchen deutlich besser gesichert“, sagt Schmid. Die meisten Kirchen seien mittlerwei­le mit Lichtschra­nkensystem und Alarmkabel­n an wertvollen Gegenständ­en ausgestatt­et. Dennoch solle das Gotteshaus natürlich immer ein Ort der Offenheit sein. Von Videoüberw­achung hält Schmid deswegen wenig: „Das Gebet ist ein sehr intimer Moment, da möchte man nicht gefilmt werden.“

 ?? Symbolfoto: Ralf Lienert ?? Immer wieder werden in Kirchen Opferstöck­e aufgebroch­en. Die Beute ist dabei je doch meist gering.
Symbolfoto: Ralf Lienert Immer wieder werden in Kirchen Opferstöck­e aufgebroch­en. Die Beute ist dabei je doch meist gering.

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