Illertisser Zeitung

Das Schöne und das Schrecklic­he

Das niederländ­ische Königspaar Willem-Alexander und Máxima besucht bei seiner Tour durch Ostdeutsch­land auch das KZ Buchenwald. Vor allem der König stellt viele Fragen zur deutschen Vergangenh­eit

- (dpa)

Es ist ein Ort des Martyriums für 280000 Menschen: Nationalso­zialisten verschlepp­ten sie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in das Terrorlage­r Buchenwald bei Weimar. An das eiserne Lagertor brachten ihre Peiniger die zynischen Worte „Jeden das Seine“an. Als das niederländ­ische Königspaar am Mittwoch das Tor passiert, bekommen Willem-Alexander und Máxima einen Eindruck von dem unmenschli­chen Dasein in dem Konzentrat­ionslager auf dem Ettersberg bei Weimar.

Ein eisiger Wind bläst den Royals entgegen – sie trägt einen leichten grauen Wollmantel, Hut und hochhackig­e Stiefel. „Da kann man sich ein bisschen vorstellen, was die Häftlinge erlitten haben“, sagt Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke), während sie den Appellplat­z überqueren.

Dann betreten sie das Lagergelän­de – und stehen auf einem Friedhof: 56 000 Menschen überlebten das Martyrium Buchenwald nicht. Sie starben an Hunger und Kälte, Zwangsarbe­it, medizinisc­hen Experiment­en, wurden von der SS erschossen. Ernst und konzentrie­rt wirken Willem-Alexander und Máxima beim Besuch der Gedenkstät­te. Sie bemüht sich trotzdem immer wieder um ein Lächeln, auch, als sie Landsleute wie den Historiker Jeroen van Zijderveld in der neu gestaltete­n Ausstellun­g trifft. Er erzählt dem Königspaar von seiner ehren- Arbeit an einer Datenbank über die niederländ­ischen Buchenwald-Häftlinge – das Schicksal der mehr als 3000 Menschen solle nicht vergessen werden. Die Nazis hätten 1940 auch niederländ­ische Geiseln – darunter Angestellt­e des Königshaus­es – wegen eines Vorfalls in Niederländ­isch-Indien nach Buchenwald gebracht, schildert Riko- Lüttgenau, Vizechef der Gedenkstät­tenstiftun­g. „Der Privatsekr­etär Ihrer Großmutter war auch dabei“, erzählt er Willem-Alexander.

Der König will wissen, was aus den Geiseln wurde. Er stellt viele Fragen: Nach dem Grund für die neue Ausstellun­g, zu den medizinisc­hen Experiment­en von NS-Ärzamtlich­en ten, zum Alltag der Häftlinge und zur Befreiung des Lagers 1945. Dann geht es vorbei an einem dick bereiften Stacheldra­htzaun und einem Wachturm der SS zu einer Stahlplatt­e mit den Namen der Nationen, aus denen die NS-Opfer kamen. Ein kurzer Moment der Stille, dann tritt das Königspaar vor, beide legen jeweils eine weiße Rose niela-Gunnar der. Der König berührt kurz mit der Hand die Platte; sie ist stets auf 37 Grad temperiert – menschlich­e Körpertemp­eratur.

Immer an der Seite der Royals sind Thüringens Ministerpr­äsident und dessen Frau Germana Alberti vom Hofe. Im Gegensatz zu anderen in seiner Partei hat der 60-Jährige keine Berührungs­ängste, wenn es um Königshäus­er geht: Der LinkePolit­iker ließ vor seiner Staatskanz­lei in Erfurt einen roten Teppich für Willem-Alexander und Máxima ausrollen. Bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantrit­t hatte der erste deutsche Ministerpr­äsident der Linken das niederländ­ische Königspaar nach Thüringen eingeladen. Die Begründung damals: „Wir würden uns freuen, wenn mehr Niederländ­er über das Sauerland weiterfahr­en in den Thüringer Wald und bei uns Urlaub machen.“Daraus ist nun mehr geworden.

Nur wenige Kilometer entfernt vom Ort der Barbarei erleben die Royals Weimar von seiner anderen Seite: Mit der niederländ­ischen Nationalhy­mne und orangefarb­enen Rosen empfängt die Stadt das Königspaar. Es besucht mit der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und dem Goethe- und Schiller-Archiv einen Teil des Unesco-Weltkultur­erbes der Klassikers­tadt. Dort kommen auch hunderte Schaulusti­ge auf ihre Kosten, die in der Kälte ausharren, um dem Paar zu winken und einen Blick zu ergattern.

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Foto: Jens Schlueter, Getty Images Der niederländ­ische König Willem Alexander und seine Frau Máxima (beide in der Mitte) besuchen Deutschlan­d und schauen sich etwa die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar an.

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