TV Werbung macht Kinder dick
Reklame bringt die Kleinen dazu, auch Snacks zu essen, die sie gar nicht mögen. Doch das ist nicht das Einzige, was bei ihnen zu Übergewicht führt
Ein Schokoriegel in der Pause, ein Softdrink nach der Schule und dann ab auf die Couch zum Fernsehen – dass Kinder so schnell dick werden, liegt auf der Hand. Doch gegen manche Faktoren, die zu Übergewicht führen, sind selbst Eltern machtlos, zeigt eine große Langzeitstudie.
„Allein die Appelle an gesundes Verhalten und Essen bringen es nicht“, sagt Wolfgang Ahrens. Der Gesundheitsforscher hat die I. Family-Studie mit rund 10 000 Kindern zwischen sieben und 17 Jahren in acht europäischen Ländern koordiniert. Zwar sinken in Deutschland der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zufolge die Zahlen der Kinder, die bei der Einschulung übergewichtig sind. Aber je nach Bundesland sind immer noch zwischen 8,2 und 12 Prozent der Kinder zu dick. Im europäischen Vergleich belegt Deutschland mehreren Studien zufolge einen Platz im Mittelfeld.
Generell gilt: Je weiter man sich in Europa Richtung Süden bewegt, desto mehr dicke Kinder gibt es. Besonders in Gefahr sind der I. Family-Studie zufolge Jungen und Mädchen aus sozial schwachen Familien – über alle Ländergrenzen hinweg.
Die Forscher stellten in der Langzeitstudie fest: Nach sechs Jahren waren anfangs schlanke Kinder von Eltern mit niedrigem oder mittlerem Bildungsstand doppelt so häufig übergewichtig als solche aus Familien mit höherem Ausbildungsniveau. Weniger gebildete Eltern achteten seltener auf gesunde Ernährung und stellten seltener Regeln für Süßigkeiten und Sport auf. Und: Sie seien weniger kritisch gegenüber Reklame im Fernsehen. „Ihre Kinder sind Einflüssen der Werbung schutzlos ausgeliefert“, sagt Ahrens. Er fordert deshalb, Werbung, die Kinder anspricht, stärker zu regulieren. Denn die freiwilligen Selbstver- pflichtungen für verantwortungsvollere Werbung seitens der Industrie wirkten nicht.
Werbung beeinflusst das Essverhalten von Kindern stark, belegen die Forscher. Kinder greifen demnach häufiger zu Softdrinks und süßen oder fetten Speisen, wenn sie zuvor Werbung angeschaut haben. Und sie essen sogar Snacks, die sie eigentlich nicht mögen, bloß weil sie Werbung dafür gesehen haben.
Und noch ein weiteres Handlungsfeld sehen die Forscher: An Schulen müsse endlich gesundes Essen durchgesetzt werden, sagt Ahrens. Vielen Verantwortlichen sei vor allem wichtig, dass die Schulverpflegung preiswert sei, moniert Helmut Heseker, Ernährungswissenschaftler an der Universität Paderborn. Sie wählten den Caterer mit dem günstigsten Angebot, statt den mit dem gesündesten.
Auch für mehr Bewegung könne die Politik etwas tun, sagt Ahrens. Stadtplaner müssten dafür sorgen, dass es draußen genug Platz zum Spielen und Toben gibt. „Wir konnten zeigen, dass Kinder, die in einer Umwelt wohnen, die viele Grünflächen bietet und gut mit Radwegen strukturiert ist, sich tatsächlich mehr bewegen.“
Was die Bewegung angeht, lägen deutsche Kinder im oberen Mittelfeld. Relativ viele fahren mit dem Rad zur Schule oder laufen. In anderen Ländern nähmen sie oft das „Mama-Taxi“– weil die Eltern um ihre Sicherheit fürchten. Derzeit schafft es der Studie zufolge nicht einmal ein Drittel der europäischen Kinder, sich eine Stunde am Tag zu bewegen, so wie es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt. „Wenn wir die Familien nicht unterstützen, indem wir die äußeren Bedingungen verändern, dann greifen wir zu kurz“, sagt Studienkoordinator Ahrens.