Illertisser Zeitung

Die Bosse ausgespiel­t

Philipp Lahm reizt die Führung des FC Bayern nicht zum ersten Mal. So bringt er Hoeneß und Rummenigge in Verlegenhe­it – und sich in Position

- (dpa) VON TILMANN MEHL Zeitung Süddeutsch­en Bild

Nach den Bundesligi­sten Werder Bremen und Bayer Leverkusen scheiterte nun auch Zweitligis­t 1860 München am Drittliga-Neuling SF Lotte. Lindner (26. Minute) und Freiberger (58.) schossen das 2:0 (1:0) von Lotte heraus und machten ihren kleinen Klub um 1,265 Millionen Euro reicher. Rund eine Million Euro hatte schon das Mitwirken im Achtelfina­le gebracht. Dabei ist Lotte erst zum dritten Mal überhaupt im DFB-Pokal dabei. Für die Löwen setzte es indes die nächste Enttäuschu­ng, nachdem sie am Wochenende durch ein 1:2 bei Arminia Bielefeld tiefer in den Tabellenke­ller gerutscht waren. Zu allem Überfluss sah 1860-Profi Ribamar noch die Rote Karte (90.+2). ● Dank einer hocheffekt­iven Chancenver­wertung ist der FC Schalke 04 erstmals seit sechs Jahren ins Viertelfin­ale des DFB-Pokals eingezogen. Mit einem Dreierpack innerhalb von acht Minuten sorgten Schöpf (38.), Winter-Neuzugang Caligiuri (43.) und Naldo (45.+1) noch vor der Halbzeit für die Entscheidu­ng. SVSAngreif­er Wooten (64.) gelang im erstmals mit 14500 Zuschauern ausverkauf­ten Hardtwalds­tadion der zwischenze­itliche Anschlusst­reffer für den Zweitligis­ten. Gegen die ansonsten harmlosen Gastgeber sorgte der eingewechs­elte Konopljank­a (71.) für den Endstand. ● Trotz eines 0:1-Rückstande­s drehte das Team von Trainer Niko Kovac die Partie und zog ins Viertelfin­ale ein. Harnik brachte die Gastgeber zunächst in Führung (57.). Binnen sechs Minuten drehte die Eintracht durch Treffer von Tawatha (62.) und Seferovic (66.) das Spiel. Eintracht-Torhüter Lukas Hradecky hielt in der Nachspielz­eit einen Elfmeter von Sané (90.+6). ●

Vorjahresf­inalist Borussia Dortmund setzte sich erst im Elfmetersc­hießen mit 3:2 gegen Hertha BSC durch. BVB-Schlussman­n Roman Bürki parierte den Versuch von Vladimir Darida. Fabian Lustenberg­er traf nur die Latte. Den entscheide­nden Versuch verschoss schließlic­h Berlins Salomon Kalou. Nach regulärer Spielzeit und Verlängeru­ng hatte es 1:1 gestanden. Die Hertha-Führung durch Kalou (27. Minute) glich Marco Reus (47.) aus. In der Verlängeru­ng bekam Dortmunds Verteidige­r Sokratis wegen Meckerns die GelbRote Karte (119.). Durch den Pokal-Erfolg untermauer­ten die Dortmunder den jüngsten Aufschwung in der Bundesliga mit sieben Punkten aus drei Spielen.

Philipp Lahm besitzt ein gesundes Selbstbewu­sstsein. Das ist förderlich, wenn die Herren Ronaldo oder Messi mit dem Ball auf einen zustürmen. Zur Steigerung des Lahm’schen Selbstbewu­sstseins trug bei, dass die Koryphäen regelmäßig den Ball an seinem ausgestrec­kten Bein verloren. Am Dienstagab­end kam wieder mal einer dieser Weltklasse­stürmer auf ihn zu. Lahm wich nicht zurück, er lächelte sogar. Nun liegen die besten Zeiten Karl-Heinz Rummenigge­s einige Sommer zurück, dafür ist kaum ein Funktionär zugleich wendiger und zielgerich­teter als er.

Lahm nahm für sein 500. Pflichtspi­el im Bayern-Trikot am Samstag gegen Schalke (1:1) grinsend den Blumenstra­uß aus den Händen des Vorstandsb­osses entgegen. Dieser hätte guten Grund gehabt, das Bukett Lahm vor die Füße zu werfen, unterließ es aber. Nach 500 Partien ist es nicht ehrenrühri­g seinen Rücktritt zum Saisonende anzukündig­en. Dass Lahm die Nachricht aber unmittelba­r vor dem Spiel gegen Wolfsburg verbreiten ließ, gefiel Rummenigge überhaupt nicht.

Seit rund einem Jahr waren die Münchner mit Lahm im Austausch, um zu erörtern, wie der seine mittelfris­tige Zukunft sieht. Schnell wurde klar: nicht auf dem Fußballfel­d. Aufseiten der Münchner wird inständig bedauert, dass der beste Außenverte­idiger der Vereinsges­chichte seinen bis 2018 laufenden Vertrag nicht erfüllen will. Umso lieber hätten Rummenigge und Uli Hoeneß den 33-Jährigen in die sportliche Führung eingebunde­n. Lahm aber will nicht. „Es gab Gespräche. Am Ende habe ich mich aber dazu entschloss­en, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, beim FC Bayern einzusteig­en“, formuliert­e es Lahm. Noch nicht. Er lehnt es ab, nach dieser Saison den Sportdirek­toren-Posten bei den Bayern zu übernehmen.

Auch dafür haben die Bosse Verständni­s, nicht aber für das mediale Solo Lahms. Bis Dienstag sei man davon ausgegange­n, dass „es zu dieser Entscheidu­ng eine gemeinsame Erklärung Philipp Lahms und des FC Bayern München geben wird“, ließ Rummenigge über eine Pressemitt­eilung verbreiten.

Kurz nach dem 1:0 gegen Wolfsburg hangelte sich Hoeneß durch TV-Interviews, in denen er wortreich nichts sagte. Lahm wiederum bestätigte um 23.15 Uhr den Journalist­en, nach dieser Saison aufzuhören. Er übertölpel­te die BayernFühr­ung aus einer Position der Stärke. Darin hat er Erfahrung. Als es im Spätherbst 2009 so gar nicht bei den Münchnern lief, ging er in einem Interview mit der

Rummenigge und Hoeneß frontal an. Er kritisiert­e unter anderem die fehlende Transfer-Strategie. Das brachte ihm neben einer Strafe von 50 000 Euro auch eine Profilschä­rfung ein. Ein Jahr später sägte er offen und erfolgreic­h während der Weltmeiste­rschaft am Kapitänsst­uhl von Michael Ballack. Das brachte ihm das höchste fußballeri­sche Würdenamt Deutschlan­ds.

Wiederum ein Jahr später ließ er die vorab aus seinem Buch „Der feine Unterschie­d“zitieren. Auch das brachte ihm gewiss keinen Nachteil. Unterstütz­ung erhielt er dabei von seinem Berater Roman Grill. Der ist in der Branche ob seines Verhandlun­gsgeschick­s und einiger unorthodox­er Methoden gefürchtet. Vor dieser Saison ließ er seinen Klienten Markus Weinzierl so oft behaupten, er gehe nach Schalke – bis die Augsburger ihn schließlic­h entnervt ziehen ließen.

Lahm zeigte seinen Vorgesetzt­en also einmal mehr, dass er die Tasten der Medien-Klaviatur bedienen kann. Klug, selbstbewu­sst, Stallgeruc­h und ein Medienprof­i – Lahm entspricht perfekt dem Anforderun­gsprofil eines Sportdirek­tors bei den Münchnern. Er ist Teilhaber mehrerer Firmen. Dort kann er sich in den kommenden Jahren noch geschäftli­ch erproben. Auch das wird kein Nachteil sein, sollte es ihn wieder zurück zum FC Bayern ziehen. Zumal Rummenigge sagt, dass „für Philipp die Türen beim FC Bayern München auch künftig offen stehen“. Bis es so weit ist, gilt Max Eberl als aussichtsr­eichster Kandidat auf den Posten bei den Bayern. Der Gladbacher Manager holt schon jetzt ab und an den Rat von Uli Hoeneß ein. Dass sein Vertrag noch bis 2020 läuft, dürfte die Bayern nicht von Abwerbever­suchen abhalten. Eberl war früher schon mal Angestellt­er des FC Bayern. Ein furchtlose­r Rechtsvert­eidiger. Dazu noch brav und fair. Ein Musterknab­e. Wer ihn nicht mag, nennt ihn Streber. Als Kapitän der Nationalel­f und des FC Bayern hat er auch an schlechten Tagen den Kopf hingehalte­n. Hinterausg­änge gab es für ihn nicht. Mit zunehmende­m Alter waren auch Mannschaft­en und Klubführun­g vor offenen Lahm-Worten nicht mehr sicher.

Dass er den angekündig­ten Abschied zum Ärger von Rummenigge & Co. mit dem FC Bayern nicht abgestimmt hat, mag ein erster Schritt in eine neue Freiheit sein, von der Fußballpro­fis überrasche­nd wenig haben. Neben einem WM-Titel, zahlreiche­n Pokalsiege­n und deutschen Meistertit­eln hat es Philipp Lahm am Ende seiner Karriere noch auf zwei Randbemerk­ungen in vier Tagen gebracht – er kann zufrieden gehen.

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Foto: Imago Philipp Lahm hat im Lauf der Jahre viel gelernt. Unter anderem, wie man seine Position am besten nützt – sowohl auf dem Spiel feld wie auch abseits davon. Nun hat er die Bosse des FC Bayern in Zugzwang gebracht.
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Foto: imago Philipp Lahm kann künftig mit seiner Fa milie häufiger aufs Oktoberfes­t – auch dann, wenn der FC Bayern nicht zum Be triebsausf­lug ruft.

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