Illertisser Zeitung

Weltweite Verneigung

Seit drei Jahren malt der Künstler wieder. Heute wird er 85 Jahre alt – weshalb das Kölner Museum Ludwig seine jüngsten Arbeiten präsentier­t

- VON RÜDIGER HEINZE

Nun malt er also wieder seit etwa drei Jahren und steht in seinem Kölner Atelier vor seinen Bildern – so klug und so ratlos als wie zuvor. Startet regelmäßig gegenständ­lich, endet regelmäßig abstrakt. Beginnt tastend auf der Suche nach etwas Wirklichem, das er „brauchbar“malen könne, also mit der Suche nach Motiv, Abbildbark­eit sowie möglicher Schönheit, was immer das sei, um dann – nach soundsovie­l Übermalung­en und Abschabung­en – mit einer abstrakt-detaillier­ten Wirklichke­it abzuschlie­ßen, die „wir weder sehen noch beschreibe­n können, auf deren Existenz wir aber schließen können“.

Und dann ist wieder so ein farbsprühe­ndes, himmlische­s Gemälde aus einem zuvor nicht bekannten Kosmos in der Welt, über das Gerhard Richter auch sagen kann: „Meine Bilder sind klüger als ich.“Heute wird der deutsch-deutsche Maler, hochrespek­tiert in aller Welt durch seine verstörend­en Historieng­emälde, durch seine leuchtende­n durch seine Auswahl dessen, was überhaupt noch bildwürdig sein kann, durch seinen immensen Einfluss auf den Fortgang der Kunst, 85 Jahre alt.

Heute auch eröffnet ihm zu Ehren das Museum Ludwig in Köln eine Ausstellun­g mit eben jenen abstrakten neuen Ölmalereie­n Richters, die im vergangene­n Jahr entstanden sind. 26 an der Zahl, teils wandfüllen­d auf Leinwand im Format 175 mal 250 Zentimeter, teils im Kleinforma­t auf Aluminium. Sie sind in Folge der vier dunkel-abweisende­n, verschloss­en-lastenden, trostlos-abgründige­n „Birkenau“-Bilder entstanden, in denen Gerhard Richter noch einmal mit dem Holocaust als künstleris­chem Thema rang – und diesmal erstmalig seine bildnerisc­he Auseinande­rsetzung gelten ließ.

Ergänzt wird die Kölner Ausstellun­g (Katalog 18 Euro im Museum) unter anderem durch Schlüsselw­erke Richters aus mehreren Jahrzehnte­n, etwa durch „Ema“von 1966, dieser Bild-Ikone gleichsam in Rücksprach­e mit Marcel Duchamp, etwa durch die „48 Portraits“von Geistesgrö­ßen, mit denen der Maler 1972 auf der Biennale Venedig im Deutschen Pavillon reüssierte, etwa durch „11 Scheiben“von 2003, in denen der Künstler sein Lebensthem­a von Realität, Darstellba­rkeit, Bild und Abbild skulptural behandelt. Die neuen Bilder innerhalb der Schau werden dieses Jahr noch in den Staatliche­n Kunstsamml­ungen von Richters Geburtsort Dresden gezeigt (20. Mai – 27. August).

Nur ein Katzenspru­ng entfernt bleibt jetzt in Köln das wohl meistfotog­rafierte Werk Richters: sein 113 Quadratmet­er großes Glasfenste­r im Südquerhau­s des Doms, 2007 eingeweiht gegen den Geschmack des damaligen Erzbischof­s Meisner, materialis­ierend ein weiteres ästhetisch­es Prinzip des Künstlers, materialis­ierend nämlich mit rund 11 000 Glasplättc­hen einen „gelenkten Zufall“der Farbanordn­ung.

So regelmäßig Richter in den vergangene­n Jahren aufgrund seiner weltweiten Werkpräsen­z als Nummer eins im sogenannte­n „Kunstkompa­ss“platziert wurde – ein internatio­nales Ranking von KünstAbstr­aktionen, ler-Resonanz –, so regelmäßig wurden Werke Richters in den vergangene­n Jahren zu Rekordprei­sen versteiger­t. Nur bedingt hängt beides zusammen: Nicht jeder gute Künstler erzielt hohe Preise; nicht jeder hohe Auktionszu­schlag lässt auf einen guten Künstler schließen. 2015 jedenfalls erzielte eine Richter-Abstraktio­n 41 Millionen Euro; nie wurde ein Gemälde eines lebenden Künstlers für mehr versteiger­t – was Richter selbst als albern und absurd bezeichnet.

Doch er entflieht dem Markt nicht. Anfang März kommt sein magisch-schöner „Eisberg“von 1981 in London unter den Hammer, eineinhalb Quadratmet­er Öl, geschätzt auf rund 12 Millionen Euro. Und wenn die Ausstellun­gshalle Fondation Beyeler nahe Basel in den vergangene­n Jahren wiederholt Richter-Drucke in autorisier­ter 500erAufla­ge unsigniert auf den Markt warf, dann tauchten Exemplare davon umgehend mit satten Preissteig­erungen auf dem Auktionsma­rkt auf. Auf so etwas sollte man nicht hereinfall­en.

 ?? Foto: dpa ?? Gerhard Richter vor einer seiner jüngsten Abstraktio­nen (Werkverzei­chnis 946 3), aufgenomme­n im Oktober letzten Jahres in seinem Kölner Atelier.
Foto: dpa Gerhard Richter vor einer seiner jüngsten Abstraktio­nen (Werkverzei­chnis 946 3), aufgenomme­n im Oktober letzten Jahres in seinem Kölner Atelier.

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