Unsichere Heimat für neue Betriebe
Nahe der A 7 könnte in Illertissen ein dringend benötigtes Gewerbegebiet entstehen. Dass der Investor eine Tankstelle vorgesehen hat, gefällt nicht allen. Jetzt sind die Bürger gefragt
Es liegt nahe an der Autobahn und ist relativ groß: Von der Lage scheint das Areal im Osten Illertissens wie geschaffen für ein neues Gewerbegebiet. Zumal die Stadt zumindest größeren Betrieben kaum noch Flächen zur Verfügung stellen kann. Die Idee: Auf dem rund 36 000 Quadratmeter großen Grundstück „Leitschäcker“(zwischen A7 im Westen, Staatsstraße 2018 im Norden und Kreisstraße NU5 im Osten) könnten zwei Vorhaben umgesetzt werden. Im Norden ist eine Tankstelle samt Café angedacht (etwa 9000 Quadratmeter), im Süden sind Gewerbeflächen vorgesehen (20000 Quadratmeter), dazu Straßen und Grünflächen. Allerdings gibt es wohl einige Unwägbarkeiten.
Das Gelände gehört einer Privatperson. Ein Investor hat das Projekt ins Auge gefasst: Mit dem Eigentümer hat er einen Vertrag abgeschlossen, um sich die Flächen zu sichern – sollte das Projekt umgesetzt werden. Der Unternehmer will dann die Tankstelle samt Gastronomie betreiben, die Stadt soll die Flächen im Süden kaufen und zum Gewerbegebiet machen, hieß es. Ein Entwurf für einen Bebauungsplan liegt vor. Ob er umgesetzt wird, ist aktuell noch nicht sicher: Als das Vorhaben vor einiger Zeit aufs Tapet kam, wurden seitens des Stadtrats Vorbehalte geäußert. Dass es diese weiterhin gibt, zeigte sich nun in einer Sitzung des Bauausschusses. Dort stellte Planer Daniel Schmid das Vorhaben erneut vor: Mit der Bitte, um einen Wink, ob man das Projekt politisch wolle oder eben nicht. Das sei für den nächsten Schritt notwendig. Ein deutliches Signal gaben die Räte allerdings nicht. Das Stimmungsbild: uneinheitlich. Man beschloss, den Planentwurf öffentlich auszulegen. Jetzt können sich Bürger, Firmen und Organisationen dazu äußern. Erst dann will der Stadtrat eine Entscheidung über das endgültige Schicksal des Vorhabens fällen.
Planer Schmid warb für das Projekt: Illertissen habe keinen Platz für Ansiedelung oder Umzüge von Firmen, sagte er. Kaufleute indessen hätten klare Vorstellungen: „Es wird schwer, wenn man ihnen nichts Passendes anbieten kann.“Das Gewerbegebiet sei die Lösung für das Problem. Schmid hatte ein Musterbeispiel mitgebracht: Als der Sport- bekleidungshersteller Mammut in der Gemeinde Wolfertschwenden (Unterallgäu) sein Logistikzentrum eröffnete, seien viele Arbeitsplätze entstanden. Tausende Kunden aus dem Umland strömten zu den Lagerverkaufstagen herbei. Ohne geeignete Flächen wäre das Unternehmen nicht dorthin gezogen, so Schmid. Die Stadt Illertissen habe freilich die Hoheit im zukünftigen Gewerbegebiet, betonte er. „Kein Risiko bei voller Kontrolle.“
Auch die Tankstelle werde sich als „Standortvorteil“für Illertissen erweisen. Dort soll es unter anderem Strom für Elektrofahrzeuge geben. Die Tankstelle könnte von einem Pächter aus Illertissen betrieben werden, das Café von einer örtlichen Bäckerei, so der Planer. Eine Konkurrenz zu Gewerben in der Innenstadt sähe man nicht.
Zu alledem gab es unterschiedliche Meinungen im Rat. Kritisch äußerte sich Helga Sonntag (ÖDP/AB/ Grüne): Die Stadt brauche zwar Flächen für Unternehmen, aber kein „Gewerbegebiet ohne Gesicht“. Statt auf eine Masse von Betrieben solle man lieber auf Qualität setzen. Zudem gebe es bereits eine große Tankstelle an der Autobahn bei der Ausfahrt Vöhringen. Die Politik, die eigenen Flächen zu verwenden, habe sich bewährt, sagte Sonntag und stellte einen Antrag: Die Stadt solle die Flächen kaufen und das Gebiet allein umsetzen. Durch ein Outlet oder einen Fabrikverkauf (wie in Wolfertschwenden) werde man „zum Totengräber des Innenstadteinzelhandels“, befürchtete sie.
Dritter Bürgermeister Wolfgang Ostermann (SPD) wies mit Blick in die Unterlagen darauf hin, dass nicht alle Gewerbe für das Gebiet infrage kämen. Er wollte den Planern „grünes Licht“signalisieren. Ähnlich sah das Wilhelm Fischer (CSU): Der Investor habe mit seinen Vorplanungen geschafft, was bisher nicht gelungen sei. Er sehe keine Alternative und könne auch an der Tankstelle „nichts Abartiges“finden. Der Investor habe mit der Aufstellung des Bebauungsplans ein Signal bekommen und müsse sich nun „auf die Kommune verlassen können“. Eine fünfstellige Summe sei „locker betroffen“, so Fischer.
Rat Ansgar Bauer (Freie Wähler) sah in dem Gewerbegebiet einen ersten Schritt, die Fläche reiche gerade für ein bis zwei Firmen. Danach
Planer wirbt für das Projekt Produzierendes Gewerbe statt Tankstelle?
müsste das Areal in Richtung Süden ausgedehnt werden. Und Dietmar Haas (CSU) war gegen die Tankstelle: „Dafür sind mir die Flächen zu schade.“Er will produzierendes Gewerbe ansiedeln.
Bürgermeister Jürgen Eisen betonte, das Vorhaben sei immer kritisch gewesen – was der Investor auch gewusst habe. Die Stadt brauche Gewerbeflächen, doch sei die Frage der Tankstelle strittig. Der Rathauschef regte an, sich mit dem Plan nun an die Bürger zu wenden. Er appellierte an Rätin Sonntag, ihren Antrag fürs Erste zurückzuziehen – der sei im Stadtrat besser aufgehoben, wenn die endgültige Entscheidung anstehe. Die Angesprochene kam dem Gesuch nach: „So eine konstruktive Diskussion über Flächenverbrauch habe ich im Stadtrat seit Jahren nicht erlebt“, sagte Sonntag und schien zufrieden.
Der Beschluss erfolgte einstimmig: Der Plan wird im Rathaus ausgelegt. Eisen: „Die Bürger haben jetzt die Chance, sich zu äußern.“ schafft er, meist gekleidet in Jogginghose, gerade so mit dem Auto.