Illertisser Zeitung

Unsichere Heimat für neue Betriebe

Nahe der A 7 könnte in Illertisse­n ein dringend benötigtes Gewerbegeb­iet entstehen. Dass der Investor eine Tankstelle vorgesehen hat, gefällt nicht allen. Jetzt sind die Bürger gefragt

- VON JENS CARSTEN

Es liegt nahe an der Autobahn und ist relativ groß: Von der Lage scheint das Areal im Osten Illertisse­ns wie geschaffen für ein neues Gewerbegeb­iet. Zumal die Stadt zumindest größeren Betrieben kaum noch Flächen zur Verfügung stellen kann. Die Idee: Auf dem rund 36 000 Quadratmet­er großen Grundstück „Leitschäck­er“(zwischen A7 im Westen, Staatsstra­ße 2018 im Norden und Kreisstraß­e NU5 im Osten) könnten zwei Vorhaben umgesetzt werden. Im Norden ist eine Tankstelle samt Café angedacht (etwa 9000 Quadratmet­er), im Süden sind Gewerbeflä­chen vorgesehen (20000 Quadratmet­er), dazu Straßen und Grünfläche­n. Allerdings gibt es wohl einige Unwägbarke­iten.

Das Gelände gehört einer Privatpers­on. Ein Investor hat das Projekt ins Auge gefasst: Mit dem Eigentümer hat er einen Vertrag abgeschlos­sen, um sich die Flächen zu sichern – sollte das Projekt umgesetzt werden. Der Unternehme­r will dann die Tankstelle samt Gastronomi­e betreiben, die Stadt soll die Flächen im Süden kaufen und zum Gewerbegeb­iet machen, hieß es. Ein Entwurf für einen Bebauungsp­lan liegt vor. Ob er umgesetzt wird, ist aktuell noch nicht sicher: Als das Vorhaben vor einiger Zeit aufs Tapet kam, wurden seitens des Stadtrats Vorbehalte geäußert. Dass es diese weiterhin gibt, zeigte sich nun in einer Sitzung des Bauausschu­sses. Dort stellte Planer Daniel Schmid das Vorhaben erneut vor: Mit der Bitte, um einen Wink, ob man das Projekt politisch wolle oder eben nicht. Das sei für den nächsten Schritt notwendig. Ein deutliches Signal gaben die Räte allerdings nicht. Das Stimmungsb­ild: uneinheitl­ich. Man beschloss, den Planentwur­f öffentlich auszulegen. Jetzt können sich Bürger, Firmen und Organisati­onen dazu äußern. Erst dann will der Stadtrat eine Entscheidu­ng über das endgültige Schicksal des Vorhabens fällen.

Planer Schmid warb für das Projekt: Illertisse­n habe keinen Platz für Ansiedelun­g oder Umzüge von Firmen, sagte er. Kaufleute indessen hätten klare Vorstellun­gen: „Es wird schwer, wenn man ihnen nichts Passendes anbieten kann.“Das Gewerbegeb­iet sei die Lösung für das Problem. Schmid hatte ein Musterbeis­piel mitgebrach­t: Als der Sport- bekleidung­sherstelle­r Mammut in der Gemeinde Wolfertsch­wenden (Unterallgä­u) sein Logistikze­ntrum eröffnete, seien viele Arbeitsplä­tze entstanden. Tausende Kunden aus dem Umland strömten zu den Lagerverka­ufstagen herbei. Ohne geeignete Flächen wäre das Unternehme­n nicht dorthin gezogen, so Schmid. Die Stadt Illertisse­n habe freilich die Hoheit im zukünftige­n Gewerbegeb­iet, betonte er. „Kein Risiko bei voller Kontrolle.“

Auch die Tankstelle werde sich als „Standortvo­rteil“für Illertisse­n erweisen. Dort soll es unter anderem Strom für Elektrofah­rzeuge geben. Die Tankstelle könnte von einem Pächter aus Illertisse­n betrieben werden, das Café von einer örtlichen Bäckerei, so der Planer. Eine Konkurrenz zu Gewerben in der Innenstadt sähe man nicht.

Zu alledem gab es unterschie­dliche Meinungen im Rat. Kritisch äußerte sich Helga Sonntag (ÖDP/AB/ Grüne): Die Stadt brauche zwar Flächen für Unternehme­n, aber kein „Gewerbegeb­iet ohne Gesicht“. Statt auf eine Masse von Betrieben solle man lieber auf Qualität setzen. Zudem gebe es bereits eine große Tankstelle an der Autobahn bei der Ausfahrt Vöhringen. Die Politik, die eigenen Flächen zu verwenden, habe sich bewährt, sagte Sonntag und stellte einen Antrag: Die Stadt solle die Flächen kaufen und das Gebiet allein umsetzen. Durch ein Outlet oder einen Fabrikverk­auf (wie in Wolfertsch­wenden) werde man „zum Totengräbe­r des Innenstadt­einzelhand­els“, befürchtet­e sie.

Dritter Bürgermeis­ter Wolfgang Ostermann (SPD) wies mit Blick in die Unterlagen darauf hin, dass nicht alle Gewerbe für das Gebiet infrage kämen. Er wollte den Planern „grünes Licht“signalisie­ren. Ähnlich sah das Wilhelm Fischer (CSU): Der Investor habe mit seinen Vorplanung­en geschafft, was bisher nicht gelungen sei. Er sehe keine Alternativ­e und könne auch an der Tankstelle „nichts Abartiges“finden. Der Investor habe mit der Aufstellun­g des Bebauungsp­lans ein Signal bekommen und müsse sich nun „auf die Kommune verlassen können“. Eine fünfstelli­ge Summe sei „locker betroffen“, so Fischer.

Rat Ansgar Bauer (Freie Wähler) sah in dem Gewerbegeb­iet einen ersten Schritt, die Fläche reiche gerade für ein bis zwei Firmen. Danach

Planer wirbt für das Projekt Produziere­ndes Gewerbe statt Tankstelle?

müsste das Areal in Richtung Süden ausgedehnt werden. Und Dietmar Haas (CSU) war gegen die Tankstelle: „Dafür sind mir die Flächen zu schade.“Er will produziere­ndes Gewerbe ansiedeln.

Bürgermeis­ter Jürgen Eisen betonte, das Vorhaben sei immer kritisch gewesen – was der Investor auch gewusst habe. Die Stadt brauche Gewerbeflä­chen, doch sei die Frage der Tankstelle strittig. Der Rathausche­f regte an, sich mit dem Plan nun an die Bürger zu wenden. Er appelliert­e an Rätin Sonntag, ihren Antrag fürs Erste zurückzuzi­ehen – der sei im Stadtrat besser aufgehoben, wenn die endgültige Entscheidu­ng anstehe. Die Angesproch­ene kam dem Gesuch nach: „So eine konstrukti­ve Diskussion über Flächenver­brauch habe ich im Stadtrat seit Jahren nicht erlebt“, sagte Sonntag und schien zufrieden.

Der Beschluss erfolgte einstimmig: Der Plan wird im Rathaus ausgelegt. Eisen: „Die Bürger haben jetzt die Chance, sich zu äußern.“ schafft er, meist gekleidet in Jogginghos­e, gerade so mit dem Auto.

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