Was die elektronische Fußfessel leisten kann
Die Große Koalition setzt im Kampf gegen den Terrorismus nun auf ein Gerät, das wie eine Armbanduhr aussieht und mit einem hochsensiblen Peilsender ausgestattet ist. Doch auch Experten warnen vor zu großen Erwartungen
Die jüngste Waffe der Bundesregierung im Kampf gegen den Terrorismus sieht aus wie eine verplombte Uhr mit schwarzem Band, wiegt 180 Gramm und kann mit einer Drahtschere problemlos aufgeschnitten werden. Die elektronische Fußfessel soll mögliche Attentate zumindest erschweren. Denn künftig könnten Behörden auch verurteilten oder möglichen Terroristen die Spezialfessel anlegen. So will es Justizminister Heiko Maas. So hat es das Bundeskabinett beschlossen. Doch wie funktioniert das Gerät überhaupt?
Bisher wird die elektronische Fußfessel in Deutschland nur bei Sexual- und Gewalttätern eingesetzt. 88 Menschen tragen sie aktuell, 31 davon in Bayern. In die Geräte ist ein Peilsender eingebaut. Der teilt auf den Meter genau mit, wo sich der Träger gerade befindet. Betritt dieser ein Gebiet, das er nach richterlicher Anordnung umgehen muss, vibriert das Gerät. 20 bis 30 Sekunden später erhält die Person einen Anruf. Geht sie ran, hört sie Sätze wie diese: „Verlassen Sie die Zone sofort. Ich verfolge Ihren Weg hier am Bildschirm. Wenn Sie die Zone nicht verlassen, verständige ich die Polizei vor Ort.“
Die Stimme kommt aus einem Kontrollzentrum in der hessischen Kleinstadt Bad Vilbel. Dort sitzen Beamte, die rund um die Uhr beobachten, ob ein Fußfesselträger alle Vorgaben befolgt. Verhält er sich einwandfrei, bleiben die Monitore schwarz. Manipuliert oder entfernt er aber das Gerät, tappt er in verbotenes Terrain oder lädt er den Akku der Fußfessel nicht rechtzeitig auf, blitzt ein roter Punkt auf. 15 bis 20 derartige Ereignismeldungen laufen im Schnitt täglich ein. Die Beamten können nun genau verfolgen, wo sich die Fußfessel befindet. Bis zu zwölf Satelliten helfen, das Gerät zu lokalisieren. Zudem ist eine SIMKarte eingebaut, um den Verdächtigen über Funkmasten zu orten. „Die Absicherung ist also recht hoch“, sagt René Brosius vom hessischen Justizministerium, das für die insgesamt 16 Mitarbeiter des Kontrollzentrums zuständig ist.
Ursprünglich sollte die elektronische Fußfessel mit Stahlbändern befestigt werden. Bei medizinischen Notfällen hätte das aber zu Komplikationen führen können. Daher entschieden sich die Behörden für eine Halterung aus Gummi, sagt Brosius. Durchtrennen lässt sie sich ohne großen Aufwand. Eine Draht- oder Heckenschere genügt.
Aber nur wenige haben das versucht. Rafik Y. war einer von ihnen. Der in Berlin wohnende Iraker hatte sich an Plänen für ein Attentat auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi beteiligt. Deshalb verurteilte ihn das Oberlandesgericht Stuttgart zu acht Jahren Haft. 2013 kam Rafik Y. unter der Bedingung frei, eine elektronische Fußfessel zu tragen. Die nahm er im September 2015 ab.
Das Kontrollzentrum alarmierte umgehend die Berliner Polizei. Verhindern konnte es das darauffolgende Unglück aber nicht. Der Iraker ging mit einem Messer auf eine Polizistin los und verletzte sie schwer. Deren Kollege kam hinzu und schoss. Rafik Y. erlag seinen Verletzungen.
Auch deshalb hält Ulf Küch, stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, nicht viel von den jüngsten Gesetzesentwürfen. Denn eine Fußfessel hätte einen Anschlag wie das des Tunesiers Anis Amri in Berlin wahrscheinlich nicht verhindert, sagt der 59-Jährige. Dass das Gerät bei der Aufklärung von Verbrechen helfen kann, streitet er dagegen nicht ab.
Konkret hat das Bundeskabinett zwei Neuerungen beschlossen. Zum einen sollen Männer oder Frauen schon dann Fußfesseln tragen, wenn sie nach Ansicht eines Richters ein Attentat oder andere Gewalttaten begehen könnten – sprich, als sogenannte Gefährder klassifiziert werden. Zum anderen sollen die Behörden in Zukunft Terroristen auch nach einer zweijährigen Gefängnisstrafe eine Fessel anlegen können. Bisher mussten sie mindestens zu drei Jahren Haft verurteilt sein.
Wenn Täter die Fußfessel entfernen, droht ihnen schon jetzt eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Das soll künftig auch für mögliche Gefährder gelten, wie das Bundesinnenministerium bestätigte.