Illertisser Zeitung

Vögel machen sich in den Gärten rar

In der Region gibt es derzeit erheblich weniger Meisen, Finken und andere Piepmätze. Einige Bürger glauben, dass Elstern und Katzen schuld daran sind. Was Naturschüt­zer sagen

- VON MICHAEL RUDDIGKEIT

Traurige Stille statt fröhliches Gezwitsche­r: Vielen Bürgern fällt auf, dass derzeit deutlich weniger Vögel in den Gärten zu hören und zu sehen sind als sonst. Auch beim Naturschut­zbund (Nabu) Ulm/Neu-Ulm haben sich etliche Anrufer danach erkundigt. Die Mitmachakt­ion „Stunde der Wintervöge­l“, bei der jährlich Tausende Freiwillig­e sämtliche Piepmätze in den Gärten zählen, bestätigt den Eindruck, den viele Naturfreun­de haben. Im Schnitt wurden in den bayerische­n Gärten etwa 20 Prozent weniger Vögel beobachtet als im Vorjahr. Im Kreis Neu-Ulm ging etwa die Zahl der Kohlmeisen, Blaumeisen, Grünfinken und Drosseln zurück. Gerade bei den Meisen registrier­t der Nabu „enorme Bestandsei­nbrüche“. Einige Bürger, die sich bei den Naturschüt­zern gemeldet haben, haben zwei mögliche Verursache­r des „Vogelschwu­nds“in Verdacht: Elstern und Katzen.

„An den Elstern liegt’s sicher nicht“, sagt Ralf Schreiber von der Kreisgrupp­e Neu-Ulm des Landesbund­s für Vogelschut­z (LBV). „Es ist nachgewies­en, dass diese keinen Effekt auf andere Vogelpopul­ationen haben.“Elstern erwischten vielleicht mal einen kranken oder sehr jungen Vogel. Das habe auf den Gesamtbest­and aber kaum einen Einfluss. Die Zahl der Elstern habe außerdem nicht zugenommen. „Die fallen im Winter halt mehr auf“, vermutet Schreiber. Tatsächlic­h wurden bei der diesjährig­en Zählaktion für nahezu alle Rabenvogel­arten niedrigere Zahlen gemeldet als im Vorjahr, berichtet der Nabu. Sie spielten außerdem im Naturkreis­lauf eine wichtige Rolle. „Sie vertilgen zum Beispiel Aas, verbreiten Samen und bauen Nester, die auch andere Vogelarten wie Waldohreul­en oder Baumfalken nutzen.“

Dagegen sei es nicht von der Hand zu weisen, dass Katzen grundsätzl­ich ein Problem für die Vogelwelt darstellte­n. Das machten auch aktuelle Zahlen aus dem Nabu-Vogelsschu­tzzentrum Mössingen (Kreis Tübingen) deutlich: In den vergangene­n drei Jahren seien jeweils rund zehn Prozent der eingeliefe­rten Vogelpatie­nten auf das Konto von Katzen gegangen. Allerdings seien die Samtpfoten nur im menschlich­en Siedlungsb­ereich ein ernst zu nehmender Faktor, der teilweise zu einem Rückgang von Vogelpopul­ationen führen könne. Den plötzliche­n Einbruch der Zahlen in diesem Winter führt der Nabu auf zwei andere Gründe zurück. Zum einen habe es voriges Jahr bei einigen Arten einen geringen Bruterfolg gegeben, der durch die feucht-nasse während der Brutzeit im April und Mai verursacht worden sei. Zum anderen seien etliche gefiederte Wintergäst­e ausgeblieb­en, die sonst aus dem Norden in unsere Gefilde ziehen, etwa Meisen, Drosseln oder Rotkehlche­n.

Für Ralf Schreiber vom LBV zeigt die „Stunde der Wintervöge­l“ohnehin nur einen Ausschnitt der Gesamtentw­icklung. „Dass es weniger Vögel insgesamt gibt, ist unbestritt­en“, sagt er. Der Flächenver­brauch werde immer größer, die Landwirtsc­haft immer effiziente­r. „Höhlen- und Nischenbrü­ter haben’s zunehmend schwer“, so Schreiber. Dazu zählen beispielsw­eise Meisen und Spatzen. Alte Bäume fielen oft einem Kahlschlag zum Opfer, dabei würde es genü- gen, sie einzukürze­n. Während es im Alb-Donau-Kreis noch viele Orte mit Streuobstw­iesen gebe, sei die Situation im Kreis Neu-Ulm nicht so gut. Als positive Beispiele nennt Schreiber Senden und Reutti. Auch im Obenhauser Ried tut sich viel. Dort soll ein regelrecht­es Schlaraffe­nland für Vögel entstehen – das Landratsam­t hat Flachwasse­rzonen angelegt und auch die LBVHelfer sind vor Ort, um Flächen für ihre Schützling­e herzuricht­en.

Den Vögeln etwas Gutes tun könne aber auch jeder Hausbesitz­er, sagt Schreiber. „Den Garten so naWitterun­g turnah wie möglich gestalten.“Dazu sollten heimische Stauden und beerentrag­ende Sträucher gepflanzt werden. Außerdem Blütenpfla­nzen, die Insekten anlocken, die wiederum Vögeln als Nahrung dienen. Füttern schade nicht, wobei Gartenbesi­tzer auf Meisenknöd­el zurückgrei­fen sollten. Keinesfall­s sollten sie einfach Essensrest­e auslegen. Die Kälte mache den Vögeln nichts aus. Ein Problem wäre nur eine dicke Schneedeck­e.

Während sich Vögel wie etwa Amseln an das Leben in der Nähe des Menschen angepasst hätten, sei die Situation bei Ackervogel­arten dramatisch, so Schreiber. „Wenn wir unseren Plessentei­ch nicht hätten, wäre der Kiebitz wohl schon ausgestorb­en.“

Schlaraffe­nland entsteht im Ried

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Foto: Alexander Kaya Niemand Zuhause: In vielen Gärten in der Region bleiben die Vogelhäusc­hen derzeit verwaist. Die Zählung „Stunde der Winter vögel“hat ergeben, dass insgesamt deutlich weniger Vögel da sind als sonst.
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Foto: Patrick Pleul, dpa Macht sich zurzeit bei uns rar: die Kohl meise.

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