Vögel machen sich in den Gärten rar
In der Region gibt es derzeit erheblich weniger Meisen, Finken und andere Piepmätze. Einige Bürger glauben, dass Elstern und Katzen schuld daran sind. Was Naturschützer sagen
Traurige Stille statt fröhliches Gezwitscher: Vielen Bürgern fällt auf, dass derzeit deutlich weniger Vögel in den Gärten zu hören und zu sehen sind als sonst. Auch beim Naturschutzbund (Nabu) Ulm/Neu-Ulm haben sich etliche Anrufer danach erkundigt. Die Mitmachaktion „Stunde der Wintervögel“, bei der jährlich Tausende Freiwillige sämtliche Piepmätze in den Gärten zählen, bestätigt den Eindruck, den viele Naturfreunde haben. Im Schnitt wurden in den bayerischen Gärten etwa 20 Prozent weniger Vögel beobachtet als im Vorjahr. Im Kreis Neu-Ulm ging etwa die Zahl der Kohlmeisen, Blaumeisen, Grünfinken und Drosseln zurück. Gerade bei den Meisen registriert der Nabu „enorme Bestandseinbrüche“. Einige Bürger, die sich bei den Naturschützern gemeldet haben, haben zwei mögliche Verursacher des „Vogelschwunds“in Verdacht: Elstern und Katzen.
„An den Elstern liegt’s sicher nicht“, sagt Ralf Schreiber von der Kreisgruppe Neu-Ulm des Landesbunds für Vogelschutz (LBV). „Es ist nachgewiesen, dass diese keinen Effekt auf andere Vogelpopulationen haben.“Elstern erwischten vielleicht mal einen kranken oder sehr jungen Vogel. Das habe auf den Gesamtbestand aber kaum einen Einfluss. Die Zahl der Elstern habe außerdem nicht zugenommen. „Die fallen im Winter halt mehr auf“, vermutet Schreiber. Tatsächlich wurden bei der diesjährigen Zählaktion für nahezu alle Rabenvogelarten niedrigere Zahlen gemeldet als im Vorjahr, berichtet der Nabu. Sie spielten außerdem im Naturkreislauf eine wichtige Rolle. „Sie vertilgen zum Beispiel Aas, verbreiten Samen und bauen Nester, die auch andere Vogelarten wie Waldohreulen oder Baumfalken nutzen.“
Dagegen sei es nicht von der Hand zu weisen, dass Katzen grundsätzlich ein Problem für die Vogelwelt darstellten. Das machten auch aktuelle Zahlen aus dem Nabu-Vogelsschutzzentrum Mössingen (Kreis Tübingen) deutlich: In den vergangenen drei Jahren seien jeweils rund zehn Prozent der eingelieferten Vogelpatienten auf das Konto von Katzen gegangen. Allerdings seien die Samtpfoten nur im menschlichen Siedlungsbereich ein ernst zu nehmender Faktor, der teilweise zu einem Rückgang von Vogelpopulationen führen könne. Den plötzlichen Einbruch der Zahlen in diesem Winter führt der Nabu auf zwei andere Gründe zurück. Zum einen habe es voriges Jahr bei einigen Arten einen geringen Bruterfolg gegeben, der durch die feucht-nasse während der Brutzeit im April und Mai verursacht worden sei. Zum anderen seien etliche gefiederte Wintergäste ausgeblieben, die sonst aus dem Norden in unsere Gefilde ziehen, etwa Meisen, Drosseln oder Rotkehlchen.
Für Ralf Schreiber vom LBV zeigt die „Stunde der Wintervögel“ohnehin nur einen Ausschnitt der Gesamtentwicklung. „Dass es weniger Vögel insgesamt gibt, ist unbestritten“, sagt er. Der Flächenverbrauch werde immer größer, die Landwirtschaft immer effizienter. „Höhlen- und Nischenbrüter haben’s zunehmend schwer“, so Schreiber. Dazu zählen beispielsweise Meisen und Spatzen. Alte Bäume fielen oft einem Kahlschlag zum Opfer, dabei würde es genü- gen, sie einzukürzen. Während es im Alb-Donau-Kreis noch viele Orte mit Streuobstwiesen gebe, sei die Situation im Kreis Neu-Ulm nicht so gut. Als positive Beispiele nennt Schreiber Senden und Reutti. Auch im Obenhauser Ried tut sich viel. Dort soll ein regelrechtes Schlaraffenland für Vögel entstehen – das Landratsamt hat Flachwasserzonen angelegt und auch die LBVHelfer sind vor Ort, um Flächen für ihre Schützlinge herzurichten.
Den Vögeln etwas Gutes tun könne aber auch jeder Hausbesitzer, sagt Schreiber. „Den Garten so naWitterung turnah wie möglich gestalten.“Dazu sollten heimische Stauden und beerentragende Sträucher gepflanzt werden. Außerdem Blütenpflanzen, die Insekten anlocken, die wiederum Vögeln als Nahrung dienen. Füttern schade nicht, wobei Gartenbesitzer auf Meisenknödel zurückgreifen sollten. Keinesfalls sollten sie einfach Essensreste auslegen. Die Kälte mache den Vögeln nichts aus. Ein Problem wäre nur eine dicke Schneedecke.
Während sich Vögel wie etwa Amseln an das Leben in der Nähe des Menschen angepasst hätten, sei die Situation bei Ackervogelarten dramatisch, so Schreiber. „Wenn wir unseren Plessenteich nicht hätten, wäre der Kiebitz wohl schon ausgestorben.“
Schlaraffenland entsteht im Ried