Illertisser Zeitung

Im Rahmen ihrer Möglichkei­ten

Das deutsche Staatsober­haupt hat wenig Macht. Und doch kann sein Einfluss sehr groß sein. Wie die bisherigen Bundespräs­identen das Amt mit Inhalt füllten und wie sie in Erinnerung blieben

- VON MARTIN FERBER Bild

Letztlich hat der erste Bundespräs­ident selbst dafür gesorgt, dass seine Macht äußerst begrenzt war. Der Liberale Theodor Heuss setzte sich im Parlamenta­rischen Rat mit seinem Konzept durch. Als ausgerechn­et er wenige Monate später zum ersten Staatsober­haupt der jungen Bundesrepu­blik gewählt wurde, stand er vor der Aufgabe, dieses Amt mit „Menschentu­m“zu füllen, wie er es formuliert­e: „Die Frage ist nun, wie wir, wir alle zusammen, aus diesem Amt etwas wie eine Tradition, etwas wie eine Kraft schaffen, die Maß und Gewicht besitzen und im politische­n Kräftespie­l sich selber darstellen will“, sagte er bei seiner Antrittsre­de.

(1949 bis 1959) verstand sich als Lehrer der Demokratie, dem es gelang, im In- wie Ausland das Vertrauen in die junge Bundesrepu­blik zu gewinnen. Er wurde sehr populär. „Papa Heuss“nannte das Volk den Württember­ger, der 1949 bereits im Rentenalte­r Präsident wurde. Sein Nachfolger

(1959 bis 1969) agierte schon sehr viel politische­r, mischte sich ein und richtete mit seinen zahlreiche­n Auslandsre­isen den Blick auf die Dritte Welt. Überschatt­et wurde seine zweite Amtszeit durch seine schwere Krankheit. Wegen seiner sprachlich­en Fehlleistu­ngen sowie seiner Rolle im Nationalso­zialismus war er starker Kritik ausgesetzt. Viele Stilblüten sind bis heute in Erinnerung geblieben. Aber nicht alles, was Lübke zugeschrie­ben wird, stammt auch von ihm, wie etwa „Equal goes it loose“(„Gleich geht’s los“), das ein Journalist in die Welt gesetzt hat.

Mit (1969 bis 1974) kam erstmals ein Sozialdemo­krat ins höchste Staatsamt. Er verstand sich als „Bürgerpräs­ident“, aber auch als unbequemer Mahner, der in der Zeit der Studentenp­roteste das Gespräch mit den aufbegehre­nden Jugendlich­en suchte. Sein Nachfolger, der Liberale

(1974 bis 1979) dürfte den meisten Deutschen als der singende Präsident in Erinnerung sein. Ein Lebemann, der „hoch auf dem gelben Wagen“in die Hitparade einzog. Dass er auch in seinem politische­n Leben zuvor ein gewiefter Stratege war, im Zweifel knallhart, das vergisst man gerne. Jedenfalls mischte auch er sich immer wieder in die Tagespolit­ik ein. Der Christdemo­krat (1979 bis 1984) agierte politisch zurückhalt­end, beliebt wurde er durch etwas anderes: Von der Ostsee bis zu den Alpen wolle er das Land zu Fuß durchmesse­n. Das hatte er sich zu Beginn seiner Amtszeit 1979 vorgenomme­n. Und genau dies tat er dann auch, weshalb er vielen als der „wandernde Bundespräs­ident“im Gedächtnis blieb.

Große Machtbefug­nisse hat das Staatsober­haupt, wie beschriebe­n, nicht. Aber es kann durch die Kraft des Wortes wirken. Keiner vermochte dies so eindrucksv­oll und so geschliffe­n zu tun wie

(1984 bis 1994). Er wurde zum Präsidente­n der deutschen Einheit, genoss im In- wie Ausland höchstes Ansehen als moralische Instanz und schlug nach dem Ende des Kalten Krieges eine Brücke des Vertrauens in die mittel- und osteuropäi­schen Nachbarsta­aten. In seiner Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsende­s nannte er den 8. Mai 1945 einen „Tag der Befreiung“, immer wieder kritisiert­e er die „Machtverse­ssenheit“der Parteien.

Sein Nachfolger (1994 bis 1999) brachte einen anderen Ton ins Schloss Bellevue, kraftvolle­r, direkter, drängender. In seiner berühmten „Ruck“-Rede prangerte er Reformstau in Deutschlan­d und den politische­n Stillstand am Ende der Ära Kohl an. Er war ein humorvolle­r Bundespräs­ident, der kein Blatt vor den Mund nahm.

„Bruder Johannes“, der Spitzname von (1999 bis 2004), verrät einiges über den überzeugte­n Christen aus WuppertalB­armen. Seine Anhänger schätzten seine freundlich­e Art, Kritiker sahen darin eine gewisse Beliebigke­it. Als Höhepunkt seiner Amtszeit gilt sein Auftritt als erster deutscher Bundespräs­ident vor der Knesset in Jerusalem. war der überrasche­ndste aller Präsidente­n. Ehe er nominiert wurde, wussten viele Deutsche wenig mit seinem Namen anzufangen. Nicht umsonst titelte die damals „Horst... WER?“. Doch Köhler wuchs in das Amt (2004 bis 2010) hinein. Er eckte in der politische­n Klasse an, der er sich selbst nie zugehörig fühlte. So überrasche­nd wie Köhler gekommen war, ging er auch. Im Mai 2010 trat er nach einem umstritten­en Interview zum Afghanista­n-Einsatz der Bundeswehr zurück.

legte seinen Schwerpunk­t auf die Integratio­n, er verstand sich als Präsident einer „bunten Republik“und setzte ein Ausrufezei­chen, als er erklärte, dass in der Zwischenze­it auch der Islam zu Deutschlan­d dazugehöre. Bei seinem erzwungene­n Rücktritt im Jahr 2012 war er nicht einmal 600 Tage im Amt.

Sein Nachfolger agierte überaus politisch und setzte vor allem in der Außenpolit­ik Akzente. So forderte er ein stärkeres internatio­nales Engagement Deutschlan­ds und kritisiert­e offen die Präsidente­n Russlands und der Türkei. Auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise sagte er einen Satz, den viele gerne von der Kanzlerin gehört hätten: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkei­ten sind endlich.“

Elf Präsidente­n. Sie alle haben dem Land gedient – im Rahmen ihrer Möglichkei­ten.

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