Im Rahmen ihrer Möglichkeiten
Das deutsche Staatsoberhaupt hat wenig Macht. Und doch kann sein Einfluss sehr groß sein. Wie die bisherigen Bundespräsidenten das Amt mit Inhalt füllten und wie sie in Erinnerung blieben
Letztlich hat der erste Bundespräsident selbst dafür gesorgt, dass seine Macht äußerst begrenzt war. Der Liberale Theodor Heuss setzte sich im Parlamentarischen Rat mit seinem Konzept durch. Als ausgerechnet er wenige Monate später zum ersten Staatsoberhaupt der jungen Bundesrepublik gewählt wurde, stand er vor der Aufgabe, dieses Amt mit „Menschentum“zu füllen, wie er es formulierte: „Die Frage ist nun, wie wir, wir alle zusammen, aus diesem Amt etwas wie eine Tradition, etwas wie eine Kraft schaffen, die Maß und Gewicht besitzen und im politischen Kräftespiel sich selber darstellen will“, sagte er bei seiner Antrittsrede.
(1949 bis 1959) verstand sich als Lehrer der Demokratie, dem es gelang, im In- wie Ausland das Vertrauen in die junge Bundesrepublik zu gewinnen. Er wurde sehr populär. „Papa Heuss“nannte das Volk den Württemberger, der 1949 bereits im Rentenalter Präsident wurde. Sein Nachfolger
(1959 bis 1969) agierte schon sehr viel politischer, mischte sich ein und richtete mit seinen zahlreichen Auslandsreisen den Blick auf die Dritte Welt. Überschattet wurde seine zweite Amtszeit durch seine schwere Krankheit. Wegen seiner sprachlichen Fehlleistungen sowie seiner Rolle im Nationalsozialismus war er starker Kritik ausgesetzt. Viele Stilblüten sind bis heute in Erinnerung geblieben. Aber nicht alles, was Lübke zugeschrieben wird, stammt auch von ihm, wie etwa „Equal goes it loose“(„Gleich geht’s los“), das ein Journalist in die Welt gesetzt hat.
Mit (1969 bis 1974) kam erstmals ein Sozialdemokrat ins höchste Staatsamt. Er verstand sich als „Bürgerpräsident“, aber auch als unbequemer Mahner, der in der Zeit der Studentenproteste das Gespräch mit den aufbegehrenden Jugendlichen suchte. Sein Nachfolger, der Liberale
(1974 bis 1979) dürfte den meisten Deutschen als der singende Präsident in Erinnerung sein. Ein Lebemann, der „hoch auf dem gelben Wagen“in die Hitparade einzog. Dass er auch in seinem politischen Leben zuvor ein gewiefter Stratege war, im Zweifel knallhart, das vergisst man gerne. Jedenfalls mischte auch er sich immer wieder in die Tagespolitik ein. Der Christdemokrat (1979 bis 1984) agierte politisch zurückhaltend, beliebt wurde er durch etwas anderes: Von der Ostsee bis zu den Alpen wolle er das Land zu Fuß durchmessen. Das hatte er sich zu Beginn seiner Amtszeit 1979 vorgenommen. Und genau dies tat er dann auch, weshalb er vielen als der „wandernde Bundespräsident“im Gedächtnis blieb.
Große Machtbefugnisse hat das Staatsoberhaupt, wie beschrieben, nicht. Aber es kann durch die Kraft des Wortes wirken. Keiner vermochte dies so eindrucksvoll und so geschliffen zu tun wie
(1984 bis 1994). Er wurde zum Präsidenten der deutschen Einheit, genoss im In- wie Ausland höchstes Ansehen als moralische Instanz und schlug nach dem Ende des Kalten Krieges eine Brücke des Vertrauens in die mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten. In seiner Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes nannte er den 8. Mai 1945 einen „Tag der Befreiung“, immer wieder kritisierte er die „Machtversessenheit“der Parteien.
Sein Nachfolger (1994 bis 1999) brachte einen anderen Ton ins Schloss Bellevue, kraftvoller, direkter, drängender. In seiner berühmten „Ruck“-Rede prangerte er Reformstau in Deutschland und den politischen Stillstand am Ende der Ära Kohl an. Er war ein humorvoller Bundespräsident, der kein Blatt vor den Mund nahm.
„Bruder Johannes“, der Spitzname von (1999 bis 2004), verrät einiges über den überzeugten Christen aus WuppertalBarmen. Seine Anhänger schätzten seine freundliche Art, Kritiker sahen darin eine gewisse Beliebigkeit. Als Höhepunkt seiner Amtszeit gilt sein Auftritt als erster deutscher Bundespräsident vor der Knesset in Jerusalem. war der überraschendste aller Präsidenten. Ehe er nominiert wurde, wussten viele Deutsche wenig mit seinem Namen anzufangen. Nicht umsonst titelte die damals „Horst... WER?“. Doch Köhler wuchs in das Amt (2004 bis 2010) hinein. Er eckte in der politischen Klasse an, der er sich selbst nie zugehörig fühlte. So überraschend wie Köhler gekommen war, ging er auch. Im Mai 2010 trat er nach einem umstrittenen Interview zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zurück.
legte seinen Schwerpunkt auf die Integration, er verstand sich als Präsident einer „bunten Republik“und setzte ein Ausrufezeichen, als er erklärte, dass in der Zwischenzeit auch der Islam zu Deutschland dazugehöre. Bei seinem erzwungenen Rücktritt im Jahr 2012 war er nicht einmal 600 Tage im Amt.
Sein Nachfolger agierte überaus politisch und setzte vor allem in der Außenpolitik Akzente. So forderte er ein stärkeres internationales Engagement Deutschlands und kritisierte offen die Präsidenten Russlands und der Türkei. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise sagte er einen Satz, den viele gerne von der Kanzlerin gehört hätten: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“
Elf Präsidenten. Sie alle haben dem Land gedient – im Rahmen ihrer Möglichkeiten.