Illertisser Zeitung

Bayerns Windkraft in der Flaute

Bundesweit erlebt die Branche einen Boom. Doch im Freistaat ist alles anders. Hier geht die Zahl neuer Anlagen zurück. Ursache ist der besondere Kurs der Staatsregi­erung

- VON MICHAEL KERLER Süddeutsch­en Zeitung

Mitte vergangene­n Jahres zeigte sich die Windkraft-Branche noch alarmiert. Es bestand die Befürchtun­g, dass die Bundesregi­erung mit ihren Gesetzesän­derungen den Ausbau an Windkrafta­nlagen ausbremst. Doch tatsächlic­h ist das Gegenteil der Fall: Die Windenergi­e in Deutschlan­d erlebt einen Boom. Eine Ausnahme stellt Bayern dar. Hier tritt die Windenergi­e auf der Stelle. Das aber hat offensicht­lich ganz andere, landespoli­tische Gründe.

Insgesamt drehen sich heute in Deutschlan­d bereits über 27 000 Windräder mit einer Leistung von fast 46 000 Megawatt. Die Windkraft war noch nie so stark wie heute. Im vergangene­n Jahr kamen 1288 Windräder hinzu. Das zeigen aktuelle Daten des Bundesverb­andes Windenergi­e. Die neuen Anlagen können eine Leistung von 4259 Megawatt erzeugen – je nachdem, wie stark der Wind weht. Zum Vergleich: Ein Block des Kernkraftw­erks Gundremmin­gen leistet rund 1300 Megawatt. Der Neubau 2016 ist auch im zeitlichen Vergleich hoch. Nur 2014 wurden mehr neue Windkrafta­nlagen errichtet. Und eine große Zahl weiterer Anlagen befindet sich noch in Planung.

Im Jahr 2016 kam es anscheinen­d zu einem regelrecht­en Ansturm an Neuanträge­n: Zum 31. Dezember 2016 waren in ganz Deutschlan­d 2053 weitere Windräder von den Behörden genehmigt worden, aber noch nicht in Betrieb gegangen. Dies entspricht einer weiteren Leistung von 6128 Megawatt – wenn der Wind gut weht, ist dies so viel Strom, wie gut vier Atommeiler erzeugen können. Und die Zahl könnte noch vorsichtig geschätzt sein. Energiesta­atssekretä­r Rainer Baake ging der zufolge kürzlich auf einer Konferenz davon aus, dass sich in der Pipeline Windkraft-Projekte mit einer Leistung von 8500 Megawatt befinden – also deutlich mehr.

Grund für den Ansturm an Neuanträge­n ist wohl eine Umstellung der Förderung: Bisher erhielten Betreiber von Windkrafta­nlagen nach dem Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) eine fixe Vergütung pro Kilowattst­unde. Die EEG-Novelle sieht nun aber vor, dass Projekte ab 2017 über Ausschreib­ungen vergeben werden: Wer zu den niedrigste­n Konditione­n baut, erhält den Zuschlag. Da wundert es Beobachter nicht, dass noch viele Neuanträge 2016 eingingen: Denn wer vergangene­s Jahr seinen Antrag gestellt hat und seine Anlage vor dem 31. Dezember 2018 in Betrieb nimmt, profitiert noch vom alten Vergütungs­system.

Doch während die Windenergi­e in Deutschlan­d Rückenwind hat, sieht es in Bayern anders aus: Hier sind die Zahlen rückläufig. Gingen im Jahr 2014 noch neue Anlagen mit einer Leistung von 410 Megawatt ans Netz, sank die Zahl 2015 auf 372 Megawatt und 2016 auf 340 Megawatt. Was Windkraft-Kritiker freuen dürfte, schmerzt die Befürworte­r der Windenergi­e: „Besonders ernüchtern­d ist die Tatsache, dass die Zubauten im Jahr 2016 überwiegen­d aufgrund von Genehmigun­gen stattfande­n, die noch aus der Zeit vor der 10H-Abstandsre­gelung stammen“, sagte der Landeschef des Bundesverb­ands Windenergi­e, Raimund Kamm, der auch als Gegner des Atomzwisch­enlagers Gundremmin­gen bekannt ist. Bayern schreibt für neue Windräder heute einen Mindestabs­tand des zehnfachen ihrer eigenen Höhe zu Wohngebäud­en vor – daher „10H“. Bayern sei das einzige Bundesland, das den Bau von Windrädern entprivile­giert hat, kritisiert Kamm. „Kein Wunder, dass der Ausbau der Windenergi­e jetzt schrumpft“, sagt er.

Den Verbrauche­rn hilft es übrigens nur wenig, wenn in Bayern der Windkraft-Ausbau gedämpft wird: Die Ökostrom-Umlage, die Stromkunde­n zahlen, wird schließlic­h bundesweit berechnet. Und hier legt die Windkraft ja zu.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Windräder im Scheppache­r Forst nahe der A 8.

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