Als die strahlendste Stimme brach
Schillernde Karriere mit tragischem Ende: Was ist von Whitney Houston geblieben?
Unvergesslich, dieser 23. Mai des Jahres 2010. Die Bühne der Münchner Olympiahalle betrat ein Weltstar, die größte Stimme der Popmusik ihrer Zeit – besser gesagt: das, was übrig war. Whitney Houston, gerade mal 46 Jahre alt, aber offenkundig eine geschundene Existenz. Sie wollte den Kampf noch wagen, an dem sie auf dieser Welttournee schon einige Male so schmerzhaft und schutzlos in aller Öffentlichkeit gescheitert war. Rülpsen und Faseln, Torkeln und Krächzen – das Schlimmste war von manchen Konzerten berichtet worden.
Dramatischer hätte der Kontrast nicht sein können. Whitney war die Makellose, ohne Allüren, ein Star durch die drei Oktaven fassende Strahlkraft ihrer Stimme, wurzelnd in der Tradition von Soul und R’n’B. Sie war ein im klassischen Abendkleid schillernder Gegenpol zum schrillen Neon-Feminismus einer Madonna, klassisches Können statt provokative Attitüde, „The Voice“statt „Material Girl“. Diese Whitney – Tochter einer Sängerin und Cousine von Dionne Warwick, aus New Jersey, vier Geschwister, als Mädchen im Gospelchor singend – war erst Anfang 20, als sie mit ihrem Debüt nicht nur den Durchbruch, sondern den Sprung in den Olymp schaffte. Sie veröffentlichte gleich Knüller wie „Saving All My Love For You“, oder „I Wanna Dance With Somebody“, hatte sieben Nummer-eins-Hits in Folge und bekam Grammy-Auszeichnungen .
Und dann – nach „One Moment In Time“zu den Olympischen Spielen 1988 in Seoul – die Neunziger, da war sie noch bezaubernd schön. Sie trat mitten im Golfkrieg beim Super Bowl auf, im sportiven Dress schmetterte sie die Nationalhymne und brillierte im weltweit erfolgreichen Film „Bodyguard“mit Kevin Costner mit dem mächtigen DollyParton-Cover „I Will Always Love You“.
Es war ihre Zeit, so groß wurde Whitney auch mit späteren Hits wie „My Love Is Your Love“nicht mehr – aber diese Neunziger endeten eben auch mit ihrem Absturz: Verprügelt vom Sänger-Ehemann Bobby Brown und bald geschieden, ein Drogenwrack. Mit nicht mal 49 starb sie, heute vor fünf Jahren.
Aber an diesem Abend in München, da nahm sie den Kampf noch einmal auf, öffentlich tapfer ringend, ihre Fans mit ihr und um sie bangend, mit jedem Ton und jedem Schritt. Und als Whitney Houston die eineinhalb Stunden Programm tatsächlich leidlich gemeistert hatte, hob eine Rührung, die eine übliche, perfekte Superstar-Show im USFormat nie erzeugen kann, das Publikum aus den Sitzen: Standing Ovations und Whitney mit Kloß im Hals und Tränen in den Augen. Ein gebührender Abschied, ein lichter Moment, der blieb.
Hätte länger bleiben können, wäre 2015 nicht die nachtschwarze Seite dieses Lebens als tragisches Dacapo wiedergekehrt. Da nämlich starb ihre Tochter Bobbi Kristina an den Folgen eines Drogen-Cocktails, mit gerade mal 22 Jahren. Das war, bei allem wuchtigen Pathos von „I Will Always Love You“, doch endgültig zu viel, um noch einfach überstrahlt werden zu können.