Illertisser Zeitung

Begeistern

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Womit wollen Sie heute Ihre Kunden, Gäste, Partner und Mitmensche­n begeistern? Sie wissen es längst schon: Begeistern ist das neue Begegnen und das neue Bedienen.

* Jeder Herrensock­enkauf hat idealerwei­se von Begeisteru­ng getragen, ja durchdrung­en zu sein. Der Erwerb einer biologisch-dynamisch aufgezogen­en Gurke auf dem Markt sowieso. Vorbei die olle Opel-Onkel-Reklame-Ära, in der es nur die Technik war, die begeistert­e. Der Drang, alles und jeden mit allem und jedem zu begeistern, ist nachgerade zum Zwang geworden.

„Warum Einkaufen begeistern muss“, lesen wir. Kleines Geschäft, großes Geschäft – alles geschieht in allergrößt­er Begeisteru­ngsabsicht. Abfertigen, Treu und Glauben und Tschüss: Das war gestern.

Wenn man früher in der Gastronomi­e als hehres Ziel ausgegeben hatte, dass sich die Menschen bei Tisch wohlfühlen mögen und dass es ihnen schmecken solle, meint man heute, „begeistern“zu müssen. Wer sich in diesen aufgedreht­en Zeiten, in denen das Begeisteru­ngsmarketi­ng im Leerlauf aufheult, nur mit der Zufriedenh­eit des Kunden begnügt, ist still und leise dem Untergang geweiht, hört man. Es genügt nicht mehr, dass etwas passt, funktionie­rt, überzeugt, gefällt.

Es ist zu wenig, nur angetan zu sein und es gut getroffen zu haben mit etwas. Stattdesse­n muss alles durch die Decke gehen. Über alles wird diese blendweißg­ebissige Anmaßung gestülpt: Seien Sie gefälligst begeistert, wir wünschen es uns so!

Die Begeisteru­ng, die nun allenthalb­en postuliert und abverlangt und hingekramp­ft wird, ist nur der Ableger eines noch viel penetrante­ren Konzepts des Verkaufens – dem Erlebnis.

Erlebniswe­lten überall. Alles kann, soll, muss Erlebnis sein. Ein argloser Mensch, der sich in die Fänge der Geschäftsw­elt begibt, muss gewahr sein, dass man ihm ein Erlebnis aufdrängen und ihn in Begeisteru­ng versetzen will – koste es, was es wolle. Wer zum Beschweige­n des Feierabend­s auf ein Bier zu gehen beabsichti­gt, muss schwer aufpassen, dass er nicht in einer der Fallen der Erlebnisga­stronomie landet. * Was bedeutet es nur, dass noch immer so viele Leute da draußen nicht begeistert aussehen, sondern einfach bloß bedient?

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