Die Nummer zwei im Büro
Die einen sind Kronprinz, die anderen Co-Chef: Die Position des Stellvertreters ist auf den ersten Blick ein undankbarer Job. Doch aus dieser Stelle lässt sich mehr machen, als man denkt
Jogi Löw ist das perfekte Beispiel für einen Stellvertreter. Erst zweite Reihe in der Nationalmannschaft, immer einen Schritt hinter Nationaltrainer Jürgen Klinsmann. Dann ging der Chef, und die Nummer zwei wurde zur Nummer eins. Heute ist Löw erfolgreicher, als Klinsmann es je war: Er ist deutlich länger im Amt, und er ist Weltmeister. Löw ist nicht der einzige Stellvertreter, der sich aus dem Schatten des Chefs gelöst hat. Aber es gibt auch genug Beispiele, in denen der Vize eher durch skurrile Auftritte von sich reden macht. Oft fällt er auch gar nicht auf. Dabei lässt sich aus der Position des Stellvertreters viel machen.
„Wenn man der Dauer-Assistent ist, kann das zur Falle werden – denn dieser Zustand ist sehr unbefriedigend“, sagt Torsten Groth. Er ist Organisationsberater und Dozent am Wittener Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke. Es brauche eine klare Rollenverteilung zwischen dem Chef und seinem Stellvertreter.
Denn Stellvertreter stecken in einem Dilemma: „Als Stellvertreter hat man einen Führungsjob, aber in der zweiten Reihe“, sagt Christian Sauer. Er ist Führungscoach in Hamburg und Autor eines Ratgebers zum Thema. „Man wird nicht in alle Prozesse und Entscheidungen eingebunden, denn man ist eben nur der Zweite“, sagt er. Dafür bekomme man aber auch die Kritik nicht so direkt ab wie der Chef. Und die Stel- le ist auch eine Chance: „Man kann auch aus der zweiten Reihe eine starke Figur abgeben. Das hängt von der Person ab, wie sie sich verhält und wie sie die Rolle interpretiert.“Wichtig sei, dass sich das Führungsduo gut abstimmt. Dazu muss man nicht befreundet sein, aber ein offenes Arbeitsverhältnis haben. „Man muss seine Rolle zunächst für sich selbst klären, dann mit dem Vorgesetzten und mit dem Team“, sagt Groth. Gut sei, wenn der Stellvertreter vom Persönlichkeitstypus ganz anders ist als der Vorgesetzte, sagt Thomas Studer von der Unternehmensberatung Kienbaum. „Denn das Original gibt es ja schon.“So würden manche Probleme von Anfang an ausgeräumt, außerdem sei die Konkurrenz untereinander geringer.
Es passiert nicht selten, dass ein Stellvertreter in einer unangenehmen Sandwich-Position zwischen Team und Vorgesetztem steht. „Mit ihm kann man reden, meinen die Mitarbeiter – vor allem, wenn jemand aus den eigenen Reihen aufgestiegen ist“, sagt Sauer. Doch er warnt jeden Stellvertreter davor, diese Rolle anzunehmen. Es koste zu viel Kraft, ständig und mit allen Seiten zu verhandeln.
Um im Fall einer Abwesenheit des Chefs bei allen wichtigen Fragen auf dem Laufenden zu sein, muss es regelmäßige Besprechungen des Führungsduos über die wichtigsten Anliegen geben. „Sie müssen sich aber auch immer wieder die Zeit nehmen, um über ihre eigene Arbeit und ihr Zusammenwirken zu sprechen“, sagt Groth. Das gilt vor allem dann, wenn in einem Chef-Team die Hierarchie keine wichtige Rolle spielt. „Da kann etwa der eine für die Repräsentation nach außen zuständig sein, während der andere im Betrieb die Fäden zieht“, sagt er. Oder einer ist für das Personal zuständig, während sich der andere um die Zahlen kümmert.
Außerdem kann der Stellvertreter das Gegenstück zum Chef geben und eine andere Sprache sprechen, sagt Groth. Ist die Führungskraft eher ein Freund klarer Worte, kann der Vize im Hintergrund moderieren. Muss der Chef Neues verkünden, ist es an seinem Stellvertreter, die Situation auszubalancieren.
Wichtig bei der Rollenverteilung ist absolute Loyalität – egal wie ehrgeizig eine Nummer zwei ist, sagt Unternehmensberater Thomas Studer. Wenn jemand den Vize-Posten dagegen nur als Sprungbrett sieht, um selbst Chef zu werden, könne das für alle Beteiligten kontraproduktiv sein. „Man muss auch in der zweiten Reihe einen guten Job machen.“