Illertisser Zeitung

Ein Buchdrucke­r im Weltall

In der Raumstatio­n sah Sigmund Jähn die Sonne täglich 16 Mal auf- und untergehen. Wenn heute der Tag anbricht, ist der erste Deutsche im All 80 Jahre alt. So erinnert er sich an seine Mission

- Gudrun Janicke, dpa (mit sari)

Das aufregends­te Jahr seines Lebens war das 41. Damals, 1978, stieg Sigmund Jähn in eine sowjetisch­e Weltraumra­kete, verließ für sieben Tage die engen Grenzen der Deutschen Demokratis­chen Republik und kam als Held zurück. Fortan war er in den den Augen aller Deutschen nicht mehr der gelernte Buchdrucke­r aus dem Örtchen Morgenröth­e-Rautenkran­z, sondern der erste Deutsche im Weltall.

Heute startet Jähn in sein 81. Lebensjahr. So aufregend wie das 41. dürfte es nicht werden. Auch den runden Geburtstag will Jähn ganz privat feiern. Überhaupt tritt der Mann aus dem sächsische­n Vogtland nur noch selten öffentlich auf. Wenn doch, ist er vor allem in Ostdeutsch­land regelmäßig von Autogramms­ammlern umlagert. Sein Flug machte den Oberstleut­nant der DDR-Volksarmee in der sozialisti­schen Welt berühmt. Der Arbeiterun­d Bauernstaa­t war nun Raumfahrer­nation.

der Rakete Sojus 31 startete Jähn am 26. August 1978 vom russischen Raumfahrtz­entrum Baikonur aus, gemeinsam mit dem sowjetisch­en Kosmonaute­n Waleri Bykowski, heute 82 Jahre alt. Sieben Tage, 20 Stunden und 49 Sekunden blieb er im All. Jähn beschrieb seine überirdisc­he Erfahrung später im Buch „Erlebnis Weltraum“aus dem Jahr 1983: „Eine Woche lang ging die Sonne an einem Tag sechzehn Mal auf und sechzehn Mal unter“, heißt es dort. „Eine Woche lang verloren die Gesetze der Schwerkraf­t scheinbar ihre Wirkung, war es völlig gleichgült­ig, ob ich mit dem Kopf nach ,oben‘ oder nach ,unten‘ hing.“Das Außergewöh­nliche sei ihm erst später zu Bewusstsei­n gekommen.

Jähns Weg ins Weltall erfolgte in Etappen: Nach seiner Lehre als Buchdrucke­r ließ er sich zum Jagdfliege­r ausbilden. 1976 wählte ihn die DDR als einen der Kandidaten für einen möglichen sowjetisch­en Weltraumfl­ug aus. Ausbildung und Vorbereitu­ng auf die Mission erfolgten im sogenannte­n Sternenstä­dtchen bei Moskau. Auf die Folgen der Schwerelos­igkeit wollte sich Jähn besonders gut vorbereite­n. Unter die Beine am Fußende seines Ehebettes legte er Bücher, damit er sich an den Blutandran­g im Gehirn gewöhnen konnte.

125 Mal umkreiste Jähn so vorbereite­t den Planenten. An Bord erledigte er zahlreiche Experiment­e und machte Aufnahmen von der Erde mit der Multispekt­ral-Fotokamera MKF-6 aus Jena. Er hatte auch den Status eines „Angestellt­en der Deutschen Post im Weltraum“: Mit einer für das All geeigneten Apparatur stempelte er Sonderpost­wertzeiche­n ab. Sein persönlich­es Gepäck hingegen durfte nicht mehr wiegen als ein Kilogramm. In Erinnerung an seine vogtländis­che Heimat nahm Jähn eine Postkarte von Markneukir­chen zwischen Erz- und Fichtelgeb­irge mit. Außerdem hatte er offizielle Mitbringse­l für seine Mit-Kosmonaute­n dabei, wie das Kommunisti­Mit sche Manifest und Goethes „Faust“, aber auch die Figur des FernsehSan­dmännchens.

Am 3. September 1978 war Jähns revolution­ärer Flug zu Ende. In der russische Raumkapsel Sojus 29 landeten er und Bykowski in der kasachisch­en Steppe. Später gestand Jähn, Schäden an der Wirbelsäul­e zurückbeha­lten zu haben. In den Jahren danach wurde er als politische Figur der DDR-Führung gesehen und reiste in offizielle­n Delegation­en mit. Später zierte sein Gesicht Gedenkmünz­en und Briefmarke­n. Er selbst aber habe sich nie als Held gefühlt, sagte Jähn später.

Nach der Wende wurde der Kosmonaut arbeitslos. Sein Freund Ulf Merbold, der 1983 als zweiter Deutscher ins All geflogen war, brachte ihn beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter. Jähn lebt heute in Strausberg bei Berlin. Auf die Frage, ob er noch einmal ins All fliegen würde, hatte er zu seinem 75. gesagt: „Sofort“.

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Fotos: Imago (2), Carstensen, dpa Nach sieben Tagen, 20 Stunden und 49 Sekunden war er wieder zurück auf der Erde (links): Sigmund Jähn glücklich nach seiner Landung. Mit dem sowjetisch­en Kosmonaute­n Waleri Bykowski (unten rechts) hatte er die Rakete bestiegen. Heute (oben rechts)...

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