Wie Flüchtlingskinder leichter Deutsch lernen
Eine im Landkreis produzierte DVD soll Lehrern bei der Unterrichtsgestaltung helfen. Warum der richtige Umgang mit Fehlern für die Pädagogen besonders wichtig ist
Die Aufnahme von Flüchtlingen stellt auch die Schulen und Lehrer vor große Herausforderungen: Wie gestaltet man bloß den Unterricht, wenn Kinder weder Deutsch sprechen noch verstehen? Dabei soll jetzt die DVD „Brücken bauen – Welten öffnen“helfen. Das Besondere: Darauf finden sich kurze Filme mit mehreren Unterrichtsbeispielen aus dem Landkreis Neu-Ulm. Der DVD ist außerdem ein kleines Heft beigelegt, in dem sich unter anderem Gestaltungsmöglichkeiten für Unterrichtseinheiten oder Arbeitsaufträge an die Kinder finden.
Brigitte Herde ist Klassenleiterin der Übergangsklasse an der Bürgermeister-Engelhart-Grundschule in Senden und hat beim Film mitgewirkt – von ihr stammen zwei Unterrichtsbeispiele. Wichtig sei vor allem, eine Willkommenskultur in der Klasse zu schaffen, erklärt sie: „Nur, wer sich wohlfühlt, kann auch lernen.“Zudem lerne jedes Kind sehr individuell. Manche versuchten bereits vom ersten Tag an, einzelne Worte zu sprechen. Andere schwiegen dagegen erst ein halbes Jahr. „Das sind dann oft kleine Perfektionisten, die oft gleich in ganzen Sätzen sprechen, wenn sie dann anfangen zu reden“, sagt Herde.
Für sie ist der Umgang mit Fehlern besonders wichtig. Aus den Buchstaben des Wortes lasse sich das Wort „Helfer“bilden – und genau das sei ein Fehler. „So merke ich als Lehrer, was das Kind schon kann – und nicht, was es noch nicht kann. Wenn ein Kind sagt ‚ich gehte‘, weiß ich, dass es schon die Vergangenheitsform kennt und einfach noch nicht weiß, wie sie beim unregelmäßigen Wort ‚gehen‘ gebildet wird.“Auf keinen Fall sollte man Schüler bei Fehlern ständig sofort verbessern, betont Herde. „Ich will das Kind ja zum Sprechen animie- ren.“Unterbreche ein Lehrer es ständig, bewirke er damit das Gegenteil. Besser wäre: Das Gesagte noch einmal selbst – grammatikalisch korrekt – zusammenfassen.
Um dieses Vorgehen zu verdeutlichen, gibt es eine Sequenz auf der DVD, in der es „keine einzige Lehreräußerung“gibt, sagt Schulamtsdirektor Ansgar Batzner. Im vergangenen Schuljahr gab es laut Batzner 17 Übergangsklassen an Grundund Mittelschulen, in denen Kinder (bis 16 Jahre) mit fehlenden Sprachkenntnissen unterrichtet wurden. Derzeit sind es 14 Klassen. Maximal zwei Jahre dürfen die Schüler eine Übergangsklasse besuchen, danach kommen sie in eine Regelklasse. „Aber viele wechseln schon nach acht oder neun Monaten“, lobt der Schulamtsdirektor den Fleiß und Ehrgeiz der Schüler.
Insgesamt steckten in dem Projekt locker 400 Stunden Arbeit, sagt Batzner. 600 DVDs sind zunächst gepresst worden, sie werden unter anderem an alle Grundschulen und Mittelschulen Schwabens sowie an alle Seminare zur Lehrerausbildung in Schwaben geschickt. Batzner sagt: „Der Film soll allen Lehrern in Schwaben eine Handreichung geben, worauf man beim Fach ‚Deutsch als Zweitsprache‘ achten muss.“Allerdings richte sich der Film auch an Lehrer, die nur ein Kind in der Klasse haben, das noch nicht gut Deutsch könne.
Hinter der Konzeption von „Brücken bauen – Welten öffnen“stehen das Staatliche Schulamt Neu-Ulm, die Regierung von Schwaben sowie die Kompetenzakademie Neu-Ulm, deren Vorsitzender Batzner ist. Die Kompetenzakademie und die Regierung von Schwaben haben das Projekt finanziert, es hat etwa 6000 bis 7000 Euro gekostet. Gedreht wurde der Film von Dieter Hallmann aus Illereichen, die Gestaltung des Booklets hat federführend Jürgen Bumiller aus Illertissen übernommen. Schulamtsdirektor Batzner spricht von einem „Landkreisprodukt“und fügt hinzu: „Das passt sehr gut in unsere Bildungsregion.“
Das Kind sollte zum Sprechen animiert werden