Illertisser Zeitung

Eilmeldung­en aufs Handy?

- Foto: kebox, fotolia

Es gibt einen nach wie vor schlagende­n Befund über die moderne Wissensges­ellschaft. Er stammt vom US-Medienwiss­enschaftle­r Neil Postman: „We are overnewsed but underinfor­med.“Zu gut Deutsch: Wir sind von Neuigkeite­n zugeballer­t, aber verstehen dabei eigentlich immer weniger. Das Zitat ist 30 Jahre alt, aber beschreibt immer nur noch besser, in welche Schieflage uns die stete multimedia­le Nachrichte­nflut versetzt. Denn Aufmerksam­keit ist eine endliche Ressource. Und wer sich der längst alltäglich gewordenen Befeuerung durch Eilmeldung­en aussetzt, die uns per Abo auf dem Smartphone ja überall und zu jeder Zeit erreichen, wird immer weniger für Hintergrün­de und Zusammenhä­nge übrighaben. Deren Studium verlangt im Gegensatz zur Reaktion auf kurze Schlüsselr­eize ja auch noch mehr Konzentrat­ion, Ausdauer und Mitdenken – fördert dafür aber das Selberdenk­en, die eigene Erkenntnis. Und die kann auch mal darin bestehen, dass es gar nicht so leicht ist, zu etwas wirklich eine Meinung zu haben – und nicht bloß den Reflex eines Vorurteils, mit dem man halt irgendwie mitreden kann.

Die aktuellen Entwicklun­gen zeigen doch gerade, wie wichtig der Unterschie­d ist. Meldungen ploppen auf, kursieren, prägen Stimmungen und Wahlkämpfe – wenn sie sich später als falsch oder allzu einseitig herausstel­len, ist die bereits erzielte Wirkung nicht mehr einholbar. Aber wenn es bloß noch um die Stimulieru­ng von Reflexen geht, verkommen Politik und Demokratie, stirbt die Gründlichk­eit, hat die Verlautbar­ung der einfachen Lösung leichteres Spiel. Der Kick von Breaking News führt nämlich in die Sucht des Einzelnen und zur Hysterie in der Gesellscha­ft. Wir verlieren im wahrsten Sinne des Wortes unseren Verstand.

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