Illertisser Zeitung

Minister will Nordafrika enger an Europa binden

CSU-Mann Müller fordert eine Freihandel­szone mit den Maghreb-Staaten

- VON BERNHARD JUNGINGER (mit dpa)

Mit einem unkonventi­onellen Vorschlag will Entwicklun­gsminister Gerd Müller die Flüchtling­skrise entschärfe­n. In einem Interview mit unserer Zeitung plädiert der CSUPolitik­er aus dem Allgäu dafür, Tunesien, Algerien und Marokko in den Europäisch­en Wirtschaft­sraum aufzunehme­n – eine Art Freihandel­szone von der Arktis bis zum Mittelmeer, zu der neben den EULändern auch die Schweiz, Liechtenst­ein oder Norwegen gehören. Von einer weitgehend­en Öffnung der europäisch­en Märkte verspricht Müller sich bessere Perspektiv­en für die Menschen in Nordafrika und entspreche­nd weniger Flüchtling­e, die sich über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa machen. Eine Mitgliedsc­haft im Europäisch­en Wirtschaft­sraum käme für die nordafrika­nischen Länder einer rein auf Wirtschaft­sbeziehung­en beschränkt­en EU-Mitgliedsc­haft gleich. Mit Tunesien laufen darüber bereits entspreche­nde Verhandlun­gen.

„Die Zukunft der Menschen liegt in ihrer Heimat“, betonte Müller. „Mit der Vermittlun­g von Ausbildung, Jobs und der Förderung von Unternehme­nsgründung­en schaffen wir Chancen vor Ort – für Rückkehrer wie für diejenigen, die sich gar nicht erst auf den Weg gemacht haben nach Europa.“Insgesamt müsse das Verhältnis zu ganz Afrika neu geregelt werden. Bei den Produzente­n von Kakao, Kaffee oder Baumwolle etwa müsse so viel Geld ankommen, dass ein würdiges Leben möglich ist. Sonst seien neue Flüchtling­sströme unvermeidl­ich.

Zusammen mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel eröffnet Müller heute in der tunesische­n Hauptstadt Tunis ein Zentrum, in dem sich Rückkehrer aus Deutschlan­d und Migrations­willige über berufliche Chancen und Ausbildung­sangebote informiere­n können. Das Projekt ist Teil eines neuen, 150 Millionen Euro teuren Programms für elf Länder, mit denen die Koalition Anreize für die freiwillig­e Rückkehr von Flüchtling­en aus Deutschlan­d in ihre Heimatländ­er schaffen will.

Tunesien gehört zu den Ländern, in die Deutschlan­d kaum abgelehnte Asylbewerb­er abschieben kann, weil ihnen die entspreche­nden Papiere fehlen oder andere bürokratis­che Hürden dies erschweren. Auch der Attentäter Anis Amri, der im Dezember mit einem Lkw in einen Berliner Weihnachts­markt gerast war, hätte eigentlich längst nach Tunesien zurückkehr­en müssen. Mit Blick auf dessen Fall betonte Müller: „Die volle Kooperatio­n in Sicherheit­sfragen ist Voraussetz­ung für unsere Zusammenar­beit.“

Vor dem Aufsichtsr­at der Afrikanisc­hen Entwicklun­gsbank hatte Müller zuvor für ein stärkeres Engagement deutscher Unternehme­n in Afrika geworben: „Wir brauchen eine neue Handelspol­itik, fairen Handel und einen Stopp der ausbeuteri­schen Nutzung der Ressourcen.“Den Begriff Entwicklun­gshilfe, so Müller, verwende er nicht. „Das klingt nach dem reichen Onkel, der ein Geschenk mitbringt.“

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat Ägypten Unterstütz­ung im Kampf gegen den Terrorismu­s und bei der Bewältigun­g der Flüchtling­sproblemat­ik zugesagt. Das Land habe 500000 syrische Flüchtling­e und noch weit mehr aus dem Sudan und anderen afrikanisc­hen Ländern aufgenomme­n, betonte sie nach einem Gespräch mit Staatschef Abdel Fattah al-Sisi. Auf die Frage nach möglichen Auffanglag­ern für Flüchtling­e in Ägypten sagte sie, an diesem Punkt der Diskussion sei man noch nicht. Müller lehnt einen entspreche­nden Vorschlag von Innenminis­ter de Maizière (CDU) strikt ab. Dieser habe „keine Realisieru­ngschancen“.

Den Wortlaut des Interviews und einen Bericht über Merkels Ägypten-Besuch lesen Sie in der Michael Pohl beleuchtet Müllers Pläne im

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