Was auf der Seele brennt – Merkels Mission in Ägypten
Für die Kanzlerin ist der Besuch in Kairo ein weiterer Balanceakt. Menschenrechte, Geschäfte und vor allem die Flüchtlingspolitik müssen besprochen werden. Aber es sieht nach Fortschritten aus
Die gute Nachricht zuerst: Politische Stiftungen aus Deutschland sollen in Ägypten wieder arbeiten können. Staatlicher Druck, Durchsuchungen, Beschlagnahmungen und im Fall der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) sogar Verurteilungen wegen angeblicher illegaler politischer Agitation hatten den Einsatz der Stiftungen für einen engen Draht zu Ägyptern zunichtegemacht. Für die KAS war nach 40-jähriger Arbeit Anfang 2013 Schluss. Nun soll es einen Neuanfang geben, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi am Donnerstag in Kairo verkündete.
„Ich bin sehr froh“, sagt sie bei einem gemeinsamen Auftritt mit AlSisi vor Journalisten im Präsidentenpalast. „Das hat uns schwer auf der Seele gelegen.“Denn die Stiftungen leisteten einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich die Zivilgesellschaft entwickeln könne. Und das gelingt nach Ansicht von Menschenrechtlern unter dem autoritär herrschenden Al-Sisi in dem nordafrikanischen Land dramatisch schlecht. Der Präsident geht auf die Vorhaltungen von deutschen Oppositionspolitikern und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International selbst ein. Und wirbt darum, die gesamte Lage Ägyptens zu betrachten. Al-Sisi, unter dessen Führung die Bürger im Land nach Ansicht seiner Kritiker sehr viel stärker unterdrückt werden als zu Zeiten des 2011 gestürzten Machthabers Hosni Mubarak, reagiert nach außen weich und diplomatisch.
Al-Sisi sagt: „Wir bemühen uns sehr, dass die Menschenrechte analog zu den Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden.“Er wisse, dass sich „alle europäischen Freunde“mit dem Thema beschäftigten. „Sie müssen wissen, dass wir Interesse an Menschenrechten haben“, versichert er. Man solle aber die Probleme in der Region mit dem Terror beachten. „Dann würden sie verstehen, warum wir solche Maßnahmen treffen.“Niemandem sei es erlaubt, eine Kirche anzugreifen. Ägypten wünsche auch niemandem die Bedrohungen, die es selbst erleide. „Wir greifen nicht zur Gewalt, nur wenn wir mit Waffen angegriffen werden.“Zehntausende Oppositionelle sollen in Ägypten in Gefängnissen sitzen. Ein ganz anderes schwieriges Thema ist die Flüchtlingskrise, die Merkel auch im Bundestagswahlkampf zu schaffen macht. Die Bürger in Deutschland sollen sehen, dass die Kanzlerin unermüdlich um Partnerschaften mit anderen Ländern, vor allem auch in Afrika, ringt, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Politiker in Europa und auch in Deutschland und auch schon in Merkels CDU halten es für eine gute Idee, dass zum Beispiel Ägypten Auffanglager für Flüchtlinge errichtet.
Doch aus Ägypten kommen gar nicht viele Flüchtlinge nach Europa, und Al-Sisi betont, dass die Flüchtlinge im Land – darunter geschätzt 500000 Syrer – nicht in Lagern, sondern wie die Ägypter lebten. Aber es heißt, Al-Sisi, der dringend die Wirtschaft in Ägypten ankurbeln und mehr Menschen in Lohn und Brot bringen will, brauche Geld und Investitionen. Ein Flüchtlingspakt, wie ihn die EU mit der Türkei abgeschlossen und damit Ankara drei Milliarden Euro in Aussicht gestellt hat, könnte Kairo womöglich helfen. Merkel und Al-Sisis Äußerungen dazu erscheinen offen.
Zwar halten es beide nach eigenen Worten nicht für den ersten Schritt, einen solchen Pakt anzustreben. Aber sie sprechen von Punkten, die noch nicht erreicht seien. Das lässt Interpretationsspielraum. Fürs Erste sagt Merkel Al-Sisi Unterstützung bei der Grenzsicherung und weitere 250 Millionen Euro im Jahr 2018 für Programme zu, die auch die Lebensbedingungen von Flüchtlingen verbessern sollen.
Merkels Fazit ihrer schwierigen Ägypten-Reise ist optimistisch: „Dieser Besuch ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer engeren Kooperation.“
Kristina Dunz und Benno Schwinghammer, dpa