Illertisser Zeitung

Setzt Berlin Erdogan Grenzen?

Noch ist nicht geklärt, was passiert, wenn der Präsident aus Ankara in Deutschlan­d auf einer Wahlkampfk­undgebung auftreten will. Die Opposition fordert ein Verbot

- VON MARTIN FERBER

Kommt er? Oder kommt er doch nicht? Und wenn er kommt – soll die Bundesregi­erung einen Wahlkampfa­uftritt des türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan auf deutschem Boden untersagen?

Die Bundesregi­erung äußert sich zurückhalt­end. Noch stehe überhaupt nicht fest, ob Erdogan überhaupt nach Deutschlan­d komme, um vor den hier lebenden türkischen Staatsbürg­ern für ein Ja zu der Verfassung­sänderung zu werben. Sollte er kommen wollen, werde man ihm dies nicht untersagen, erklärt Regierungs­sprecher Steffen Seibert in Berlin. Die Bundesregi­erung setze sich im Fall des inhaftiert­en Journalist­en Deniz Yücel für die Meinungsfr­eiheit ein. Daher solle man auch im eigenen Land die Meinungsun­d Versammlun­gsfreiheit achten, sagt Seibert. Und: „Wir sollten leben, was wir von anderen fordern.“

Doch die demonstrat­iv zur Schau gestellte Gelassenhe­it des Regie- rungssprec­hers täuscht. Tatsächlic­h sieht man einem möglichen Wahlkampfa­uftritt Erdogans im Kanzleramt wie im Auswärtige­n Amt mit einer gewissen Sorge entgegen, wird doch damit ein innertürki­scher Konflikt auch auf deutschem Boden ausgetrage­n. Die rund 1,4 Millionen wahlberech­tigten Türken, die in Deutschlan­d leben, werden in die parteipoli­tische Auseinande­rsetzung in ihrem Heimatland hineingezo­gen. Zu dieser Sorge besteht auch aller Grund, ist doch die Türkische Gemeinde in Deutschlan­d in ungewöhnli­ch offener Weise auf Distanz zu Erdogan und seiner AKP-Partei gegangen. In einem Beschluss lehnt sie die Verfassung­sänderung ab und plant bundesweit bis zu 400 Veranstalt­ungen, auf denen für ein „Nein“bei der Volksabsti­mmung am 16. April geworben wird. Mit der Reform entferne sich die Türkei „von jeglichen demokratis­chen Grundsätze­n“, man lehne jegliche Bemühungen ab, „die das Land in ein EinMann-Regime führen“.

Dabei ist der Wahlkampf auf deutschem Boden längst voll ent- brannt. Am letzten Samstag trat bereits der türkische Ministerpr­äsident Binali Yildirim in Oberhausen auf. Ein für gestern Abend geplanter Auftritt von Justizmini­ster Bekir Bozdag in der Festhalle der badischen Stadt Gaggenau wurde am Nachmittag kurzfristi­g von der Stadtverwa­ltung untersagt. Den Widerruf der Zulassung begründete sie mit Sicherheit­sproblemen. Und auch die Stadt Köln will einen geplanten Auftritt des türkischen Wirtschaft­sministers Nihat Zeybekci am Sonntag verhindern und den Saal nicht zur Verfügung stellen. Ankara reagiert empört: Das Außenminis­terium bestellt am Donnerstag­abend den deutschen Botschafte­r Martin Erdmann ein.

Hinter derart rein formalisti­schen Auftrittsv­erboten allerdings, das ist den Verantwort­lichen in Berlin klar, kann man sich auf Dauer nicht verstecken. Nötig ist vielmehr eine klare Positionie­rung. So wirft GrünenChef Cem Özdemir der Bundesregi­erung vor, im Umgang mit Erdogan insgesamt viel zu ängstlich zu sein. Einen Auftritt des Präsidente­n zu Wahlkampfz­wecken dürfe es nicht geben. „Dass Erdogan unsere Demokratie dazu missbrauch­t, für seine Diktatur in der Türkei zu werben, finde ich unerträgli­ch.“Mehr noch, „Propaganda für einen Folterund Unterdrück­ungsstaat hat in unserem Land nichts verloren.“Noch kategorisc­her formuliert es Linken-Chef Bernd Riexinger. Die Bundesregi­erung müsse unmissvers­tändlich klarmachen, „dass in Deutschlan­d nicht Stimmung für die Errichtung einer Diktatur gemacht werden darf“.

Das allerdings will die Regierung offenbar unter allen Umständen vermeiden. Ein offizielle­s Auftrittsv­erbot für Erdogan, heißt es in Regierungs­kreisen, würde die ohnehin schon überaus angespannt­en deutsch-türkischen Beziehunge­n weiter verschlech­tern. Hinter vorgehalte­ner Hand wird auf die besondere Rolle der Türkei bei der Bewältigun­g der Flüchtling­skrise und das bestehende Abkommen der EU mit der Türkei verwiesen. Schon mehrfach drohte Erdogan damit, dieses Abkommen aufzukündi­gen.

 ?? Foto: Sascha Schürmann, afp ?? Wie viel türkischer Wahlkampf darf in Deutschlan­d stattfinde­n? Am 18. Februar wurde Ministerpr­äsident Binali Yildirim in Oberhausen (Nordrhein Westfalen) von Anhängern der Regierungs­partei AKP frenetisch gefeiert. Ob auch Präsident Recep Tayyip Erdogan...
Foto: Sascha Schürmann, afp Wie viel türkischer Wahlkampf darf in Deutschlan­d stattfinde­n? Am 18. Februar wurde Ministerpr­äsident Binali Yildirim in Oberhausen (Nordrhein Westfalen) von Anhängern der Regierungs­partei AKP frenetisch gefeiert. Ob auch Präsident Recep Tayyip Erdogan...

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