Anton Schlecker steht ab Montag vor Gericht
Früherer Unternehmer muss sich wegen vorsätzlichen Bankrotts verantworten
In 30 Jahren baut Anton Schlecker aus dem Nichts ein Drogerie-Imperium auf, das zu seinen Glanzzeiten im Jahr 2008 über 55000 Mitarbeiter beschäftigt. Von da an dauert der steile Absturz nur vier Jahre: Am 23. Januar 2012 meldet der öffentlichkeitsscheue Unternehmer Insolvenz an. Weitere fünf Jahre später endet diese wechselhafte Unternehmerkarriere in einem Stuttgarter Gerichtssaal.
Von Montag an muss sich der 72-Jährige vor dem Stuttgarter Landgericht wegen vorsätzlichen Bankrotts verantworten. Vor dem Zusammenbruch soll er Millionen beiseitegeschafft haben. Mit angeklagt wegen Beihilfe sind seine Ehefrau Christa und die Kinder Meike und Lars. Es ist eine spektakuläre Pleite, die in Deutschland 25000 Mitarbeiter den Job gekostet hat. Nur die Auslandsgesellschaften kann Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz verkaufen, im Inland scheitern alle Rettungsversuche.
„Schock, Panik, Angst, Trauer“– so fasst die damalige Betriebschefin Christel Hoffmann die Stimmung der Schlecker-Frauen zusammen. Es sei ein rabenschwarzer Tag gewesen. Längst nicht alle kommen bei der Konkurrenz unter, viele der Älteren finden keinen Vollzeitjob mehr oder arbeiten zu deutlich schlechteren Löhnen.
Wie es zu einem solchen Absturz kommen konnte, treibt Leni Breymaier noch heute um. Die SPDLandes-Chefin war 2012 Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi in Baden-Württemberg. „Ich bin immer noch zornig, dass da ein eingetragener Kaufmann in einem Unternehmen mit mehr als 50000 Mitarbeitern ohne jede Kontrolle durch einen Aufsichtsrat agieren konnte“, sagt Breymaier, die Schlecker gut kennt. Die SPD will dieser Unternehmensform und den unumschränkten Herrschern über Unternehmen jetzt rechtliche Grenzen setzen. Die Schlecker-Insolvenz ist den Kritikern für diesen Schritt Grund genug.
Nils Schmid war 2012 Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg. „Ich erwarte von dem Prozess Aufklärung, wo das Geld hinging“, sagt er. Schmid versuchte damals in letzter Minute eine Rettungsaktion. Aber die Bürgschaft aller Bundesländer scheiterte am Widerstand der FDP, die damals in Bayern mitregierte und die Sozialdemokraten ins Leere laufen ließ. Noch immer kann es der heutige SPD-Landtagsabgeordnete Schmid nicht fassen. „Schlecker war in vielen ländlichen Gemeinden unverzichtbar“, sagt er.
Das Tempo des Absturzes des Unternehmens ist atemberaubend. Auf über eine Milliarde Euro wird das Vermögen der Schlecker-Familie zu besten Zeiten des Imperiums
„Auf dem Land war Schlecker unverzichtbar“
geschätzt. So machte der Handelskonzern 2008 rund 7,2 Milliarden Euro Umsatz. Aber der Branchenprimus verschläft die Modernisierung, die Kunden bleiben den teils veralterten Filialen fern. Bis 2011 sinkt der Umsatz auf 5,2 Milliarden Euro. Als Geiwitz unter die Liste der Gläubigerforderungen einen Strich zieht, kommt er auf Unmengen offener Rechnungen. Vieles liegt bis heute im Dunkeln.
In den Fokus des Prozesses könnte die LDG Logistik- und Dienstleistungsgesellschaft rücken, die den Schleckerkindern Meike und Lars gehört. Der Verdacht der Ermittler: Über diese Firma soll Schlecker seinen Kindern durch überhöhte Rechnungen Millionen zugeschoben haben. In einem Vergleich mit Geiwitz hat die Familie gut zehn Millionen Euro an den Verwalter zurückgezahlt. Vor Strafe würde diese Aktion aber nicht schützen. Und die
will herausgefunden haben, dass Schlecker mehr als 26 Millionen Euro beiseiteschaffen konnte. Das gehe aus der Anklageschrift hervor.
Der Name Schlecker ist komplett aus der Öffentlichkeit verschwunden. Der Büroturm der früheren Firmenzentrale in Ehingen bei Ulm ist verkauft. Mieter in der siebten Etage – einst das Reich des Drogeriemarktkönigs Anton Schlecker – ist übrigens die CML Schlecker Immobilienverwaltung. Das Kürzel steht für Christa, Meike und Lars. Auch für Familienoberhaupt Anton Schlecker soll da ausreichend Platz vorhanden sein.