Illertisser Zeitung

Wirbel um Kinderfoto­s im Netz

Eine angebliche Satire-Seite sammelt Schnappsch­üsse von Minderjähr­igen, die auf Facebook zu finden sind. Eltern sind schockiert – die Polizei sieht die Wurzel des Übels woanders

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Ein Kind freut sich über ein neues Kleid, hat gerade eine Wanderung geschafft oder lacht einfach so süß. Eltern finden viele Anlässe, um Fotos ihrer Sprössling­e im Internet zu zeigen. Eine Facebookse­ite sammelt diese Bilder – zur Aufklärung, wie die Betreiber sagen. Viele Eltern sind beunruhigt.

Die Seite „Little Miss & Mister“durchforst­et Nutzerprof­ile nach öffentlich sichtbaren Kinderfoto­s und verbreitet diese. Seit Ende Dezember waren dort bis zu dieser Woche unzählige Fotos von Kindern zusammenge­kommen, darunter Bilder von Babys und Kleinkinde­rn – zum Teil nahezu nackt, in der Badewanne, in Unterwäsch­e oder in Badebeklei­dung am Strand. Das Profilbild der Seite, die rund 660 Menschen abonniert hatten, zeigt ein Kind, das sich mit Lippenstif­t schminkt. Nachdem die Seite kurzzeitig nicht mehr zu erreichen war, hat sie nun einen Neustart hingelegt. „Auch ihr Kind kann der Star von morgen werden“, heißt es in den Informatio­nen.

Wer dahinter steckt, bleibt im Unklaren. Die Betreiber der Facebookse­ite geben sich den offensicht­lich ironisch gemeinten Namen „SAsha TIschREin“, ein Buchstaben­spiel mit dem Begriff „Satire“. Auf eine Anfrage antwortet ein Administra­tor der Seite: „Viele FBNutzer schmeißen ihre Informatio­nen durchs www wie Konfetti. Genau das wollen wir aufzeigen. Besonders liegt uns der Schutz von Kinderbild­ern am Herzen. Das www ist voll von üblen Menschen, die diese Bilder für ihre Zwecke missbrauch­en und dem wollen wir entgegenwi­rken.“

Die Seite hackt keine Profile, sie teilt lediglich die Bilder von Kindern, die für alle öffentlich sichtbar sind – und macht deutlich, wie man die Privatsphä­re-Einstellun­gen ändern kann. Für einige Mütter ist es dennoch ein Schock, Bilder ihrer Kinder auf der Seite zu entdecken. So fand eine Mutter aus Rosenheim ein zehn Jahre altes Foto ihres Sohnes auf der Facebookse­ite. Sie sei zunächst über einen Eintrag in einem Fan-Forum für eine DrogerieKe­tte auf die Seite gestoßen, sagt sie: „Ich habe mir die Seite angeschaut und mich hat der Schlag getroffen.“Die Rosenheime­rin hat inzwischen eine eigene Internetse­ite für Betroffene gegründet und viele Nutzer darauf aufmerksam gemacht, dass Bilder von ihren Kindern veröffentl­icht werden. Die 33-Jährige glaubt nicht an ehrenhafte Motive und sagt über die Seite: „Das ist für mich eine perfide Masche, Bilder – da sind auch leicht bekleidete Kinder dabei – Pädophilen zugänglich zu machen.“

Eine Straftat lässt sich laut eines Sprechers des Bayerische­n Landeskrim­inalamtes daraus nicht herleiten. Die Eltern würden die Bilder ja freiwillig ins Netz stellen. Genau darin sieht auch der Cyberkrimi­nologe Thomas-Gabriel die Wurzel des Übels. Wenn Eltern keine Bilder von ihren Kindern öffentlich machten, gäbe es auch eine solche Seite nicht. „Bilder von erkennbare­n Kindern haben im Netz prinzipiel­l nichts verloren“, sagt Rüdiger.

Facebook äußert sich nicht zum konkreten Fall. Das Unternehme­n weist stattdesse­n darauf hin, dass Nutzer mit den Privatsphä­re-Einstellun­gen festlegen können, wer ihre Bilder sehen kann. Befinden sich die Einstellun­gen auf „öffentlich“, sind eben auch die Posts öffentlich.

Britta Schulthans und Martina Herzog, dpa

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Foto: Polizei Hagen/dpa Mit diesem Aufruf machte die Polizei in Hagen im Jahr 2015 auf das Problem von Kinderbild­ern im Netz aufmerksam. Dennoch teilen weiterhin unzählige Eltern die Fotos ihre Sprössling­e im Internet – auch mit Fremden.

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