Hensoldt: Ulms neuer Milliardenkonzern
Die Radarhochburg operiert jetzt losgelöst von Airbus unter einem neuen Namen. Warum der Verkauf sowohl Sorgen als auch Hoffnung in der Belegschaft hervorruft
Nach dem schlussendlich über die Bühne gegangenen Verkaufs der Airbus-Tochter „Airbus DS Electronics and Border Security“an Finanzinvestor Kohlberg-Kravis-Roberts (KKR), einer führenden, weltweit tätigen Beteiligungsgesellschaft
(wir berichteten im überregionalen Teil)
ist die Erleichterung groß. „Wir sind froh, dass Klarheit herrscht“, sagt Petra Wassermann, die erste Bevollmächtigte und Geschäftsführerin der Industrie-Gewerkschaft (IG) Metall. Kräftezehrend sei die Hängepartie für den nach Evobus zweitgrößten industriellen Arbeitgebers der Region gewesen. Durch das Inkrafttreten des Anteilskaufvertrags sind die 2000 Beschäftigten in Ulm ab sofort Mitarbeiter eines neuen europäisches Verteidigungsunternehmens namens Hensoldt.
Das neue Unternehmen beschäftigt insgesamt 4000 Mitarbeiter, etwa 3400 in Deutschland und 600 in Südafrika. Auch wenn Ulm mit 2000 Beschäftigten der mit Abstand größte Standort ist, wurde Taufkirchen als Firmensitz gewählt. Der Name geht zurück auf den 1821 geborenen Moritz Carl Hensoldt, einen deutschen Pionier im Bereich der Optik und Feinmechanik, der technologisch führende Produkte und Lösungen in seinem Bereich entwickelte. Der Markenname Hensoldt wurde zuletzt für eine Produktreihe von Zielfernrohren verwendet. Airbus hatte, wie berichtet, bereits im September 2014 angekündigt, Teile seiner Rüstungssparte verkaufen zu wollen. Der Handel mit KKR wurde im März 2016 eingefädelt. In einem Eckpunktepapier wurde eine Beschäftigungsund Standortsicherung bis zum 30. Juni 2019, der Erhalt der betrieblichen Regelungen und der Tarifbindung Metall, die Zusicherung eines dauerhaften Sitzes des neuen Unternehmens in Deutschland sowie ein zusätzlicher Aufsichtsrat auf Gesellschafterebene mit erweiterten Mitbestimmungsund Zustimmungsrechten fixiert. Allerdings ist nicht nur der Gewerkschaft klar, dass KKR in der Vergangenheit Firmen nicht gekauft hat, um sie dauerhaft zu behalten. KKR hält Beteiligungen an Industriefirmen gewöhnlich für den Zeit- von etwa sechs bis sieben Jahren. In dieser Zeit wird die Firma profitabler gemacht und mit den Erträgen, das für den Kauf aufgenommene Fremdkapital bedient. Nach abgeschlossener Restrukturierung wird die Firma wieder verkauft. KKR hatte den Bereich mit rund 1,1 Milliarden Euro bewertet, Airbus behält zunächst eine Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent.
„Wir wissen natürlich nicht, was in fünf oder sechs Jahren ist“, sagt Wassermann. Allerdings sehe sie nicht schwarz. Für einen Investor wie KKR sei eine Beschäftigungsund Standortsicherung eher ungewöhnlich. Dies könnte ein Indiz daraum für sein, dass der Investor die Firma bereits für sehr gesund hält. Armin Maier-Junker, der Betriebsratsvorsitzende am Standort Ulm, bezeichnet die Stimmung im Betrieb als abwartend aber froh. 30 Monate Ungewissheit seien genug. Maier-Junker ist zuversichtlich, dass sich Hensoldt gut entwickeln kann. Lothar Belz, langjähriger Pressesprecher von Airbus und nun ein HensoldtBeschäftigter, hält die neue Unabhängigkeit für eine große Chance: Als nun mittelständisches Unternehmen seien die Ulmer Radarexperten weit wendiger als früher und könnte so schneller auf wechselnde Nachfrage reagieren. „Wir werden wachsen“, ist Belz überzeugt. Neue, in Ulm entwickelte Produkte zeigten, in welche Richtung sich die Firma entwickle: So wurde in Ulmer Labors etwa ein Passiv-Radar entworfen. Es sendet kein eigenes Signal aus, sondern erfasst die Umgebung mithilfe vorhandener Funkwellen etwa von Radios oder Mobilfunkstationen. Der Vorteil: Es sei nahezu unmöglich, es aufzuspüren, es ist quasi unsichtbar. Ebenfalls ein Hoffnungsträger aus Ulm ist ein neues Drohnen-Abwehrsystem. Das System übernimmt die Kontrolle über unbemannte Flugobjekte und ortet ihre Piloten. Das System könne das Risiko einer Gefährdung sensibler Gebiete oder großer Menschenansammlungen – etwa in Fußballstadien – minimieren. Daneben bleiben Hensoldt die bekannten Produkte: die Radar-Ausrüstung für die Kampfflugzeuge wie F-16 und Eurofighter, für das Transportflugzeug A400M sowie verschiedene Hubschraubermodelle. Daneben liefert das Unternehmen Ausrüstung für die Panzerfahrzeuge Puma und Leopard 2, die U-Boote der Klassen 212 und 209, Schiffe der Freedom-Klasse der US Navy und die F125-Fregatten der Deutschen Marine. Darüber hinaus wurde die Ziel- und Nachtsichtoptik von Hensoldt auch für das deutsche Programm „Infanterist der Zukunft“zur Modernisierung der Infanterieausrüstung ausgewählt. Chef von Hensoldt, einer Firma die eine Milliarde Euro als Umsatz angibt, ist Thomas Müller.