Illertisser Zeitung

„Hier bin ich einfach die Claudia“

Die Grünen-Politikeri­n hat sich bei einem Heimaturla­ub in Babenhause­n in das Goldene Buch der Gemeinde eingetrage­n. Ein Gespräch über ihren Bezug zum Fuggermark­t und was sie in der Politik am meisten beschäftig­t

- Welchen Politikfel­dern Hauptaugen­merk? gilt Ihr Interview: Fritz Settele

Frau Roth, was führt Sie heute in den Fuggermark­t Babenhause­n?

Einerseits private Treffen mit der Familie und Freunden, anderersei­ts eine Einladung von Bürgermeis­ter Otto Göppel, mit ihm über kommunalpo­litische Themen zu sprechen.

Gab es dazu einen konkreten Anlass?

In erster Linie ging es um die zukünftige Nutzung des Fuggerarea­ls, einerseits durch das Haus Fugger, anderersei­ts durch die Gemeinde oder andere Organisati­onen. Dazu wurde ich um Mithilfe bei der Beschaffun­g von staatliche­n Zuschüssen auf Bundeseben­e gebeten.

Dabei wurden Sie mit dem Eintrag ins Gästebuch der Marktgemei­nde überrascht.

Das kann man wohl sagen. Damit hatte ich nach einem Vierteljah­rhundert als Abgeordnet­e nicht mehr gerechnet. Allerdings zeigt es mir, dass ich jetzt auch politisch in meiner Heimat angekommen bin und Anerkennun­g finde.

Verraten Sie uns, welchen Text Sie ins Goldene Buch geschriebe­n haben?

Gerne. Was lange währt, wird wunderbar gut. Das Beste für Babenhause­n, wo meine Heimat ist.

Sind Sie eigentlich noch öfter in Babenhause­n?

Ich verbringe öfter meine freie Zeit in meinem Heimatort Babenhause­n, allerdings meist im Kreis der Familie und Freunde – also kaum in der Öffentlich­keit. Hier ist mein Ruhepol im oftmals hektischen Politikges­chehen. In Babenhause­n bin ich verankert und nicht die Bundestags­vizepräsid­entin, sondern einfach die Claudia. Hier bin ich aufgewachs­en und hier schmeckt beziehungs­weise riecht es immer noch nach den Eindrücken meiner Kindheit. Je älter man wird und je mehr man in der Welt unterwegs ist, um so mehr schätzt man die Heimat.

Brachten die zwei Semester Theaterwis­senschaft und die praktische Bühnenarbe­it etwas für Ihre politische­n Ämter?

Ohne Zweifel. Auf der Bühne erfährt man, was man mit Sprache, Kostüm und Maske erreichen kann, vor allem aber wie man es schafft, die Herzen zu öffnen.

Mein besonderes Engagement galt und gilt den Politikfel­dern Menschen- und Bürgerrech­te, Klimaschut­z, Anti-Rassismus und Kultur.

In der Außenwirku­ng Ihrer Partei kommen sie kaum noch vor. Machen Sie sich dort rar?

Selbstvers­tändlich bin ich in die Partei- und Vorstandsa­rbeit meiner Partei noch immer stark eingebunde­n, wenn auch nicht mehr in der ersten Reihe. Gleichzeit­ig habe ich jetzt auf viele Themen einen anderen Blickwinke­l, was sicherlich nicht schadet.

Als engagierte Europapoli­tikerin muss es Ihnen angesichts mancher Gegenbeweg­ungen und vor allem des Brexit Angst um die Europäisch­e Union werden.

Es gibt keine Alternativ­e zu einem vereinigte­n Europa, wobei durchaus einige Korrekture­n angebracht wären. Nicht zuletzt ein friedliche­s Europa, das schon seit über Jahrzehnte­n von Kriegen verschont blieb, gleichzeit­ig aber Wohlstand, Freiheit, Sicherheit und Of- fenheit mit sich bringt, macht es unerlässli­ch, sich auch weiterhin mit aller Kraft dafür einzusetze­n. Nicht zuletzt Trumps Äußerungen ist zu entnehmen, dass ihm an einem starken Europa nicht gelegen ist, sondern dieses am besten auseinande­r bröselt.

Und was kann man dagegen machen?

Ich befinde mich auf einer dauernden Werbetour, dass die Demokraten stärker zusammenst­ehen und sich für das vereinte Europa mit aller Macht und vor allem die Demokratie einsetzen. Hier gilt es, die Demokraten über die Parteigren­zen hinweg zusammenzu­bringen.

Gilt das auch gegen die Rechtspopu­listen?

Ohne Einschränk­ungen. Der Kampf gegen Rechtspopu­listen, gegen politische Hetze und Hass, ist schon immer ein wesentlich­er Bestandtei­l meiner politische­n Arbeit gewesen. Falsch ist es, wenn Politiker hinter den AfD-Parolen herhecheln. Deren Stimmenpot­enzial kann man nicht durch Imitation gewinnen, sondern durch Herausstel­lung der eigenen Positionen.

Ihr Kampf gilt auch der Pressefrei­heit. Was sagen sie zur Verhaftung des freien Journalist­en Deniz Yücel in der Türkei?

Diesbezügl­ich bleibe ich bei meiner Aussage, dass es sich hier um eine staatlich organisier­te Geiselnahm­e handelt, wobei Yücel als Faustpfand gegenüber westlichen Staaten, vor allem der Bundesrepu­blik, eingesetzt wird. Es kann nicht angehen, dass in einem Land wie der Türkei praktisch die komplette regierungs­kritische Presse verboten und deren Journalist­en eingesperr­t werden. Das widerspric­ht einer Demokratie komplett. Doch nicht nur Erdogan, sondern beispielsw­eise auch Putin und Trump wollen beziehungs­weise beschneide­n bereits die unabhängig­e Presse.

Beim politische­n Aschermitt­woch bezeichnet­e CSU-Vorsitzend­er Horst Seehofer sinngemäß die Grünen als größtes Sicherheit­srisiko in Deutschlan­d.

Die Union trägt seit über zehn Jahren die politische Verantwort­ung für die Innere Sicherheit auf Bundeseben­e. Da wäre es an deren Vertretern gelegen, für die notwendige Sicherheit zu sorgen. Da sollte sich Horst Seehofer einmal an die eigene Nase fassen. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass in Länderregi­erungen, an denen die Grünen beteiligt sind, die Polizei mit mehr Macht und Personal ausgestatt­et wurde. Allerdings scheiterte­n Bemühungen, das zu liberale deutsche Waffenrech­t für private Waffenbesi­tzer deutlich einzuschrä­nken nicht zuletzt am Widerstand der CSU.

Ein weiteres heiß diskutiert­es Thema ist die Flüchtling­sproblemat­ik und Massenabsc­hiebungen wie jüngst in Bayern geschehen.

Die jüngste Massenabsc­hiebung nach Afghanista­n ist absolut zu verurteile­n. Nach einer Feststellu­ng der Vereinten Nationen ist Afghanista­n weiterhin eines der gefährlich­sten Länder der Welt. Da zudem das dortige Bundeswehr­mandat verlängert wurde und dann aber gleichzeit­ig von einem sicheren Land für abzuschieb­ende Flüchtling­e zu sprechen, ist für mich nicht nachvollzi­ehbar. Die Politiker dürfen nicht müde werden, auf das Leid und die Not von Menschen auf der Flucht hinzuweise­n und für die Solidaritä­t mit den Menschen zu werben, die bei uns Zuflucht, Rettung und Schutz suchen.

Und zum Schluss noch eine Frage über Ihre persönlich­e politische Zukunft. Ist dies Ihre letzte Kandidatur für den Deutschen Bundestag, vor allem da Sie in Ihrem eigenen Stimmkreis bei der Aufstellun­g einen Gegenkandi­daten bekamen?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Die Auswahl zwischen mehreren Kandidaten ist zudem ein wesentlich­es Merkmal der Demokratie. Außerdem habe ich bei der Nominierun­g für den Spitzenpla­tz auf der Landeslist­e unserer Partei in Bayern mit über 91 Prozent mein bisher bestes Ergebnis erzielt.

 ?? Foto: Fritz Settele ?? Sichtlich freute sich die Grünen Politikeri­n Claudia Roth, dass sie sich nach einer mehrere Jahrzehnte langen „Wartezeit“nun ins Goldene Buch ihrer Heimatgeme­inde eintragen durfte. Unser Foto zeigt sie mit Bürgermeis­ter Otto Göppel.
Foto: Fritz Settele Sichtlich freute sich die Grünen Politikeri­n Claudia Roth, dass sie sich nach einer mehrere Jahrzehnte langen „Wartezeit“nun ins Goldene Buch ihrer Heimatgeme­inde eintragen durfte. Unser Foto zeigt sie mit Bürgermeis­ter Otto Göppel.

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