„Hier bin ich einfach die Claudia“
Die Grünen-Politikerin hat sich bei einem Heimaturlaub in Babenhausen in das Goldene Buch der Gemeinde eingetragen. Ein Gespräch über ihren Bezug zum Fuggermarkt und was sie in der Politik am meisten beschäftigt
Frau Roth, was führt Sie heute in den Fuggermarkt Babenhausen?
Einerseits private Treffen mit der Familie und Freunden, andererseits eine Einladung von Bürgermeister Otto Göppel, mit ihm über kommunalpolitische Themen zu sprechen.
Gab es dazu einen konkreten Anlass?
In erster Linie ging es um die zukünftige Nutzung des Fuggerareals, einerseits durch das Haus Fugger, andererseits durch die Gemeinde oder andere Organisationen. Dazu wurde ich um Mithilfe bei der Beschaffung von staatlichen Zuschüssen auf Bundesebene gebeten.
Dabei wurden Sie mit dem Eintrag ins Gästebuch der Marktgemeinde überrascht.
Das kann man wohl sagen. Damit hatte ich nach einem Vierteljahrhundert als Abgeordnete nicht mehr gerechnet. Allerdings zeigt es mir, dass ich jetzt auch politisch in meiner Heimat angekommen bin und Anerkennung finde.
Verraten Sie uns, welchen Text Sie ins Goldene Buch geschrieben haben?
Gerne. Was lange währt, wird wunderbar gut. Das Beste für Babenhausen, wo meine Heimat ist.
Sind Sie eigentlich noch öfter in Babenhausen?
Ich verbringe öfter meine freie Zeit in meinem Heimatort Babenhausen, allerdings meist im Kreis der Familie und Freunde – also kaum in der Öffentlichkeit. Hier ist mein Ruhepol im oftmals hektischen Politikgeschehen. In Babenhausen bin ich verankert und nicht die Bundestagsvizepräsidentin, sondern einfach die Claudia. Hier bin ich aufgewachsen und hier schmeckt beziehungsweise riecht es immer noch nach den Eindrücken meiner Kindheit. Je älter man wird und je mehr man in der Welt unterwegs ist, um so mehr schätzt man die Heimat.
Brachten die zwei Semester Theaterwissenschaft und die praktische Bühnenarbeit etwas für Ihre politischen Ämter?
Ohne Zweifel. Auf der Bühne erfährt man, was man mit Sprache, Kostüm und Maske erreichen kann, vor allem aber wie man es schafft, die Herzen zu öffnen.
Mein besonderes Engagement galt und gilt den Politikfeldern Menschen- und Bürgerrechte, Klimaschutz, Anti-Rassismus und Kultur.
In der Außenwirkung Ihrer Partei kommen sie kaum noch vor. Machen Sie sich dort rar?
Selbstverständlich bin ich in die Partei- und Vorstandsarbeit meiner Partei noch immer stark eingebunden, wenn auch nicht mehr in der ersten Reihe. Gleichzeitig habe ich jetzt auf viele Themen einen anderen Blickwinkel, was sicherlich nicht schadet.
Als engagierte Europapolitikerin muss es Ihnen angesichts mancher Gegenbewegungen und vor allem des Brexit Angst um die Europäische Union werden.
Es gibt keine Alternative zu einem vereinigten Europa, wobei durchaus einige Korrekturen angebracht wären. Nicht zuletzt ein friedliches Europa, das schon seit über Jahrzehnten von Kriegen verschont blieb, gleichzeitig aber Wohlstand, Freiheit, Sicherheit und Of- fenheit mit sich bringt, macht es unerlässlich, sich auch weiterhin mit aller Kraft dafür einzusetzen. Nicht zuletzt Trumps Äußerungen ist zu entnehmen, dass ihm an einem starken Europa nicht gelegen ist, sondern dieses am besten auseinander bröselt.
Und was kann man dagegen machen?
Ich befinde mich auf einer dauernden Werbetour, dass die Demokraten stärker zusammenstehen und sich für das vereinte Europa mit aller Macht und vor allem die Demokratie einsetzen. Hier gilt es, die Demokraten über die Parteigrenzen hinweg zusammenzubringen.
Gilt das auch gegen die Rechtspopulisten?
Ohne Einschränkungen. Der Kampf gegen Rechtspopulisten, gegen politische Hetze und Hass, ist schon immer ein wesentlicher Bestandteil meiner politischen Arbeit gewesen. Falsch ist es, wenn Politiker hinter den AfD-Parolen herhecheln. Deren Stimmenpotenzial kann man nicht durch Imitation gewinnen, sondern durch Herausstellung der eigenen Positionen.
Ihr Kampf gilt auch der Pressefreiheit. Was sagen sie zur Verhaftung des freien Journalisten Deniz Yücel in der Türkei?
Diesbezüglich bleibe ich bei meiner Aussage, dass es sich hier um eine staatlich organisierte Geiselnahme handelt, wobei Yücel als Faustpfand gegenüber westlichen Staaten, vor allem der Bundesrepublik, eingesetzt wird. Es kann nicht angehen, dass in einem Land wie der Türkei praktisch die komplette regierungskritische Presse verboten und deren Journalisten eingesperrt werden. Das widerspricht einer Demokratie komplett. Doch nicht nur Erdogan, sondern beispielsweise auch Putin und Trump wollen beziehungsweise beschneiden bereits die unabhängige Presse.
Beim politischen Aschermittwoch bezeichnete CSU-Vorsitzender Horst Seehofer sinngemäß die Grünen als größtes Sicherheitsrisiko in Deutschland.
Die Union trägt seit über zehn Jahren die politische Verantwortung für die Innere Sicherheit auf Bundesebene. Da wäre es an deren Vertretern gelegen, für die notwendige Sicherheit zu sorgen. Da sollte sich Horst Seehofer einmal an die eigene Nase fassen. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass in Länderregierungen, an denen die Grünen beteiligt sind, die Polizei mit mehr Macht und Personal ausgestattet wurde. Allerdings scheiterten Bemühungen, das zu liberale deutsche Waffenrecht für private Waffenbesitzer deutlich einzuschränken nicht zuletzt am Widerstand der CSU.
Ein weiteres heiß diskutiertes Thema ist die Flüchtlingsproblematik und Massenabschiebungen wie jüngst in Bayern geschehen.
Die jüngste Massenabschiebung nach Afghanistan ist absolut zu verurteilen. Nach einer Feststellung der Vereinten Nationen ist Afghanistan weiterhin eines der gefährlichsten Länder der Welt. Da zudem das dortige Bundeswehrmandat verlängert wurde und dann aber gleichzeitig von einem sicheren Land für abzuschiebende Flüchtlinge zu sprechen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Politiker dürfen nicht müde werden, auf das Leid und die Not von Menschen auf der Flucht hinzuweisen und für die Solidarität mit den Menschen zu werben, die bei uns Zuflucht, Rettung und Schutz suchen.
Und zum Schluss noch eine Frage über Ihre persönliche politische Zukunft. Ist dies Ihre letzte Kandidatur für den Deutschen Bundestag, vor allem da Sie in Ihrem eigenen Stimmkreis bei der Aufstellung einen Gegenkandidaten bekamen?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Die Auswahl zwischen mehreren Kandidaten ist zudem ein wesentliches Merkmal der Demokratie. Außerdem habe ich bei der Nominierung für den Spitzenplatz auf der Landesliste unserer Partei in Bayern mit über 91 Prozent mein bisher bestes Ergebnis erzielt.