Illertisser Zeitung

Wie türkische Normalbürg­er uns Deutsche sehen

Vorwürfe, Beschimpfu­ngen, sogar Nazi-Vergleiche: In der Türkei fahren Politiker schwere Geschütze gegen Deutschlan­d auf. Es geht auch bedeutend unaufgereg­ter. Erst recht mit Blick darauf, wie viel die beiden Länder verbindet

- VON SUSANNE GÜSTEN

Nusret ist ein stolzer Türke. Sein Land ist ihm wichtig. Aber deshalb in denselben Ton abzugleite­n, den seine Regierung gegenüber Deutschlan­d anschlägt? „Das mit den Spannungen, das ist doch nur Politik“, sagt er. Nusret führt eine Kfz-Werkstatt in Istanbul und hat die Erfahrung gemacht, dass deutsche Autos zu den besten überhaupt gehören. Deutsche Wertarbeit, deutscher Fleiß – das sind Dinge, die Nusret schon immer geschätzt hat. Dass sich die Deutschen plötzlich in Türkenfein­de verwandelt haben sollen, wie ihm hier weisgemach­t wird, will er nicht glauben.

Deshalb hat Nusret in diesen schweren Zeiten eher das große Ganze im Blick als die Tagespolit­ik. „Deutschlan­d war schon immer unser Freund“, sagt er. Fast drei Millionen Türken und türkischst­ämmige Deutsche in der Bundesrepu­blik, immer noch vier Millionen deutsche nicht. In der Türkei herrscht Wahlkampf vor dem Verfassung­sreferendu­m am 16. April, wenn die Wähler über die Einführung des Präsidials­ystems nach Erdogans Wünschen abstimmen sollen, da könne es schon mal hoch hergehen. Aber spätestens danach „wird das alles schnell vergessen sein“, glaubt Faruk.

Tatsächlic­h ist auch bei einigen türkischen Regierungs­politikern der Versuch erkennbar, den Krach mit den Deutschen nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Ministerpr­äsident Binali Yilidirim etwa betont in seinen Wahlkampfr­eden stets die Bereitscha­ft seines Landes, sich mit den Deutschen wieder zu einigen. Allerdings will Ankara keinesfall­s als derjenige dastehen, der klein beigibt. Die Wahlkampfb­esuche türkischer Politiker in Deutschlan­d werden also weitergehe­n.

Am Bosporus suchen einige Türken, die der Regierung weniger gewogen sind als Faruk, nach Gründen für das Verhalten der Erdogan-Leute.

Nusret sagt: Das ist wie in einer Familie Dann setzen sie sich wieder in ihren Mercedes…

 ?? Foto: Yasin Akgul, afp ?? Sichtbarer Nationalst­olz in Istanbul. Aber heißt das in solchen Zeiten gleich, dass diese Türken die Deutschen nicht ausstehen können?
Foto: Yasin Akgul, afp Sichtbarer Nationalst­olz in Istanbul. Aber heißt das in solchen Zeiten gleich, dass diese Türken die Deutschen nicht ausstehen können?

Newspapers in German

Newspapers from Germany