Wie türkische Normalbürger uns Deutsche sehen
Vorwürfe, Beschimpfungen, sogar Nazi-Vergleiche: In der Türkei fahren Politiker schwere Geschütze gegen Deutschland auf. Es geht auch bedeutend unaufgeregter. Erst recht mit Blick darauf, wie viel die beiden Länder verbindet
Nusret ist ein stolzer Türke. Sein Land ist ihm wichtig. Aber deshalb in denselben Ton abzugleiten, den seine Regierung gegenüber Deutschland anschlägt? „Das mit den Spannungen, das ist doch nur Politik“, sagt er. Nusret führt eine Kfz-Werkstatt in Istanbul und hat die Erfahrung gemacht, dass deutsche Autos zu den besten überhaupt gehören. Deutsche Wertarbeit, deutscher Fleiß – das sind Dinge, die Nusret schon immer geschätzt hat. Dass sich die Deutschen plötzlich in Türkenfeinde verwandelt haben sollen, wie ihm hier weisgemacht wird, will er nicht glauben.
Deshalb hat Nusret in diesen schweren Zeiten eher das große Ganze im Blick als die Tagespolitik. „Deutschland war schon immer unser Freund“, sagt er. Fast drei Millionen Türken und türkischstämmige Deutsche in der Bundesrepublik, immer noch vier Millionen deutsche nicht. In der Türkei herrscht Wahlkampf vor dem Verfassungsreferendum am 16. April, wenn die Wähler über die Einführung des Präsidialsystems nach Erdogans Wünschen abstimmen sollen, da könne es schon mal hoch hergehen. Aber spätestens danach „wird das alles schnell vergessen sein“, glaubt Faruk.
Tatsächlich ist auch bei einigen türkischen Regierungspolitikern der Versuch erkennbar, den Krach mit den Deutschen nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Ministerpräsident Binali Yilidirim etwa betont in seinen Wahlkampfreden stets die Bereitschaft seines Landes, sich mit den Deutschen wieder zu einigen. Allerdings will Ankara keinesfalls als derjenige dastehen, der klein beigibt. Die Wahlkampfbesuche türkischer Politiker in Deutschland werden also weitergehen.
Am Bosporus suchen einige Türken, die der Regierung weniger gewogen sind als Faruk, nach Gründen für das Verhalten der Erdogan-Leute.
Nusret sagt: Das ist wie in einer Familie Dann setzen sie sich wieder in ihren Mercedes…