Die Gefahr kommt aus dem All
Ein Alien in einem Raumschiff? Kommt einem bekannt vor. Der Science-Fiction-Film von Regisseur Daniel Spinosa wartet aber mit einem originellen Außerirdischen auf
Vor 38 Jahren setzte Ridley Scott mit seinem Science-Fiction-Thriller „Alien“einen Meilenstein der Genregeschichte. Der Film drang tief in die menschlichen Urängste vor dem vollkommen Fremden ein und bildete mit dem extraterrestrischen Monster, das die Besatzung des Raumschiffes sukzessive dezimierte, eine Projektionsfläche für die diffusen Bedrohungsgefühle des Publikums. Seitdem wollte die Reihe der Sequels, Spin-Offs und plumper Nachahmungstäter nicht mehr abreißen. Bevor Scott im Mai dieses Jahres mit „Alien: Covenant“selbst den Mythos des außerirdischen Bösen fortschreibt, kommt nun mit Daniel Espinosas „Life“ein Film in die Kinos, der sich selbstbewusst zu den B-Movie-Wurzeln des Subgenres bekennt.
Ein Raumschiff, eine Besatzung, ein Alien – „Life“bleibt bei den Grundzutaten und versucht daraus ein Maximum an Spannungsmomenten, aber auch eine originäre Atmosphäre zu kreieren. Die Zukunft, um die es geht, wurde ganz dicht an unsere Gegenwart herangebaut. Die Internationale Raum- station (ISS), die seit November 2000 um die Erde kreist, dient als Location für diesen Film, der keine fantastischen Welten entwirft, sondern um Realismus bemüht ist. In einer brillanten Eingangssequenz von Kameramann Seamus McGarvey wird der Zuschauer in die Welt der Schwerelosigkeit entführt und die Raumstation als Arbeitsplatz vorgestellt. Eine soghafte Dynamik geht von diesen frühen Filmminuten aus, in denen die Astronauten auf engstem Raum aneinander vorbeifliegen und das Andocken einer Marssonde überwachen.
Darin befinden sich Bodenproben, deren Untersuchung bald einen Einzeller hervorbefördern. Die Crew-Mitglieder reagieren unterschiedlich auf das zügig wachsende Wesen, dessen einzelne Zellen zugleich die Funktionen von Muskeln, Gehirn und Sinnesorganen übernehmen können. Der Biologe Hugh (Ariyon Bakare) entwickelt eine fast väterliche Beziehung zu dem Zellgebilde, das ihm die Tentakeln in E.T.-Manier entgegenstreckt. Die Quarantäne-Offizierin Miranda (Rebecca Ferguson) behält bei aller Faszination die Sicherheitsvorschriften im Auge. Der Mediziner David (Jake Gyllenhaal), der sich aus dem Krieg in Syrien in den Weltraum geflüchtet hat, weitet seinen ärztlichen Humanismus auf die außerirdische Lebensform aus, während Bordtechniker Rory (Ryan Reynolds) dem neuen Passagier mit großer Skepsis entgegentritt. Auf der Erde verfolgt man die Forschungsarbeiten im All mit großem medialen Interesse, bis eine Elektroschocktherapie zur Wiederbelebung des tintenfischartigen Geschöpfs dessen aggressive Energien freisetzt.
Regisseur Daniel Espinosa („Safe House“, „Kind 44“) hat für seine Weltraum-Crew ein durchaus prominentes Ensemble zusammengestellt, aber der eigentliche Star des Filmes ist das kleine, glitschige Wesen. Die Designer haben hier auf sämtliche humanoiden Details verzichtet, und dennoch wird dieser mickrige, extrem wendige, hochelastische Oktopus zu einer enorm effizienten Schreckgestalt. Außerirdische Monstergestalten im Kino scheinen ja meist ein und demselben Genpool zu entspringen. Aber hier flitzt wirklich einmal eine innovative Kreatur, die sich aus den Ängsten der Menschen förmlich zu ernähren scheint, auf mörderischer Mission durch das Raumschiff.
Zugegeben: Der Grad menschlichen Versagens professioneller Raumfahrer wird hier auf unglaubwürdige Weise hoch gefahren, um die Spannungskurve aufrecht zu erhalten. Aber vom langsamen Aufbau über den Ausbruch der Gewalt bis zum finalen Twist liefert „Life“bestes Thriller-Handwerk. Aus dem engen Setting, dem übersichtlichen Personalbestand und den im Grunde vorhersehbaren Genre-Vorgaben holt Espinosa ein Höchstmaß an Spannung heraus. Was dem Film hingegen fehlt, ist eine tragfähige Subtext-Basis. Mit intellektuell ausgereiften Science-Fiction-Werken wie zuletzt „Arrival“, die im Zukunftsszenario gesellschaftliche Gegenwart reflektieren, hat „Life“wenig zu tun. Die Ängste, die hier projiziert und ausgelebt werden, bleiben ohne sozialen oder politischen Kontext – aber deshalb nicht weniger wirkungsvoll. ****
Das kleine Wesen ist eine effiziente Schreckgestalt
in vielen Kinos der Region