Sie helfen bei Schicksalsschlägen
Der Kriseninterventionsdienst und die Notfallseelsorge stehen Angehörigen in den ersten Stunden nach Tragödien bei. Wie die Helfer selbst mit schweren Fällen umgehen
Ein tödlicher Autounfall, ein plötzlicher Kindstod, der Suizid eines geliebten Menschen: Solche Schicksalsschläge treffen Angehörige hart und unvermittelt. Beistand bekommen sie in den ersten Stunden nach einem solchen Unglück vom Kriseninterventionsdienst (KID) und der ökumenischen Notfallseelsorge. Die Gruppe aus speziell geschulten Ehrenamtlichen unterstützt körperlich unversehrte Menschen nach einer Verlustsituation. Beide Einrichtungen im Landkreis feiern am Wochenende ein Jubiläum: Den Kreisverband des KID gibt es seit zehn Jahren, die Notfallseelsorge der Diözese Augsburg existiert mit 20 Jahren bereits doppelt so lange.
Pater Ulrich Keller von der Pfarrgemeinde Oberelchingen leitet die Notfallseelsorge im Landkreis. Den Dienst teilt er sich mit Pfarrer Andreas Erstling von der evangelischlutherischen Kirchengemeinde Weißenhorn. An seinen ersten Einsatz als Notfallseelsorger kann er sich noch ganz genau erinnern: „Ich war mit Pfarrer Erstling unterwegs. Eine junge Frau ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.“Die Mutter und der Bruder der Verstorbenen seien gerade erst von der Arbeit nach Hause gekommen. „Und eigentlich musste dringend der Hund raus“, sagt Pater Ulrich und fügt hinzu: „Pfarrer Erstling blieb dann bei den Angehörigen und ich bin bei meinem ersten Einsatz mit einem Schäferhund Gassi gegangen. Also auch das ist eine Aufgabe.“
Auch Monika Bühler, Leiterin des Kriseninterventionsdienstes im Neu-Ulmer Kreisverband, ist ihr erster Einsatz im Gedächtnis geblieben: „Ein Mensch hatte sich umgebracht und an diesem Abend lief ein Deutschlandspiel der Europameisterschaft.“Während sie die Angehörigen betreuten, habe man deshalb immer wieder Jubelschreie aus den umliegenden Häusern gehört.
Fast 100 Einsätze hatten Notfallseelsorge und Kriseninterventionsdienst im vergangenen Jahr. Den Dienst teilen sie sich: Tagsüber ist die Notfallseelsorge zuständig, nachts der KID. Gerufen werden sie stets von Einsatzleitern der Feuerwehr, Polizei und Rettungskräften. „Wir werden also nicht alarmiert, indem die Leute selbst anrufen“, stellt Pater Ulrich klar. Zwei bis maximal vier Stunden seien sie vor Ort, so Pater Ulrich. „Wir bieten auch keine Therapie an, sondern sind nur in der ersten Schocksituation für die da“, erklärt er. Danach schafften es die Betroffenen entweder durch die Unterstützung ihrer Angehörigen oder durch ihre eigene Resilienz, also ihre psychische Widerstandskraft, durch die schwere Zeit. Das klappe in 97 Prozent der Fälle. „Natürlich dauert es aber, bis man den Tod eines geliebten Menschen in sein Leben integriert hat“, sagt Pater Ulrich. In wenigen Fällen würden sich die Betroffenen anschließend Hilfe bei der Pfarrgemeinde oder von psychosozialen Fachkräften holen.
Auch die Helfer selbst haben bestimmte Strategien, um mit dem Erlebten umzugehen. Bühler macht zwei- bis dreimal die Woche Sport – oft auch mit Pater Ulrich gemein- sam. „Dabei tauschen wir uns dann auch über die Arbeit aus“, sagt sie und fügt hinzu: „Wenn man bei einem richtig heftigen Einsatz war, ruft man sich auch untereinander an.“Zudem gebe es mehrmals pro Jahr Supervisionen. Pater Ulrich weiß zudem, dass es vielen Helfern guttue, den Einsatzbericht zu schreiben. „Sie lassen das Ereignis dabei Revue passieren, schließen es danach aber ab.“Er selbst hat noch eine andere Strategie: „Nach einem Einsatz setze ich mich ins Auto, schnaufe bewusst durch und bete.“Ein ganz wichtiger Punkt zudem: die Einsatzkleidung ausziehen – da sind sich Pater Ulrich und Bühler einig.
Pater Ulrich möchte allerdings eiMenschen nem Klischee vorbeugen: „Es ist nicht so, dass wir ständig mit abgetrennten Gliedmaßen und schreienden Angehörigen zu tun haben.“Natürlich würden viele Hinterbliebene weinen und auch laut klagen, aber das gebe sich wieder. „Und dann kommt es zum Gespräch – oder auch einfach zur Stille.“Denn das Wichtigste an dieser Arbeit sei es, dass man einfach Zeit für die Menschen habe.
Am Samstag, 25. März, wer den die Jubiläen von Kriseninterventi onsdienst und Notfallseelsorge gefeiert: Um 14 Uhr gibt es einen ökumenischen Gottesdienst in der Weißenhorner Stadt pfarrkirche. Anschließend gibt es einen Stehempfang im Rot Kreuz Haus.