Zur rechten Zeit
Heutzutage passen sich die meisten Uhren automatisch der Sommerzeit an. Früher war das anders. Ein Fachmann erklärt, wie es an Kirchtürmen funktionierte
In Großstädten wie Berlin oder New York dominieren längst Wolkenkratzer und Funktürme das Erscheinungsbild. Auf dem Land sind es die Kirchtürme, die oft schon von Weitem sichtbare Wahrzeichen der Orte sind. Und mit ihnen die Turmuhren. Auch die müssen ab Sonntag eine Stunde vorgestellt werden, denn es beginnt die Sommerzeit. Das sei heutzutage aber kein Problem mehr, sagt der Illertisser Pfarrer Andreas Specker. Da müsse niemand mehr auf den Turm hochsteigen. „Wir haben eine moderne Funkuhr, die das von ganz alleine macht“, sagt er. Auch in der Neu-Ulmer Petruskirche regelt eine Funkuhr die Zeitumstellung automatisch, erklärt Dekanin Gabriele Burmann.
Gordian Meinrad Pechmann ist ein Fachmann, wenn es um Uhren geht. „Ab 1990 wurden in den Kirchtürmen die ersten Funkuhren eingebaut“, sagt der 60-Jährige, der einer der letzten Kirchturmuhrenbauer Deutschlands ist. Heute sei das Standard. Pechmanns Firma wurde 1862 gegründet. Seither ist das Unternehmen in der Hand der Familie. Daher weiß Pechmann auch, dass es früher tatsächlich etwas schwieriger war, die Uhren am Laufen zu halten. „Die Gewichte mussten jeden Tag neu aufgezogen werden“, erklärt der Uhrenbauer. Und das ging damals nur oben im Turm. Heute ist die Kirche in Raunertshofen, das zur Gemeinde Pfaffenhofen gehört, die einzige, deren Uhr noch von Hand aufgezogen werden muss.
Früher hätten meist der Messner oder der Dorflehrer das Aufziehen der Turmuhr übernommen, sagt Pechmann. Beide hätten in ihrem eigentlichen Beruf nicht viel ver- dient. Für das Uhraufziehen zahlten manche Kirchengemeinden laut Pechmann jedoch bis zu einer Mark am Tag. „Da war das ein willkommenes Zubrot.“
Auch für die Uhrumstellung waren diese Männer dann verantwortlich. Die ersten Bemühungen eine Sommerzeit in Deutschland einzuführen, habe es bereits im 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung unter Reichskanzler Otto von Bismarck gegeben, erklärt Pechmann. Ziel war es, die Arbeitsleistung in den Fabriken zu steigern. Im Dritten Reich wurde diese Idee dann erneut aufgegriffen. Das Zeitsystem, wie es heute ist, gibt es seit den 1980er-Jahren. Bis zu den 1960ern musste das Umstellen der Kirchturmuhr von Hand erledigt werden. Zum Vorstellen auf die Sommerzeit musste an der Zeigerleitung gedreht werden, bis die Zeiger in der richtigen Position standen. Um die Uhr auf die Winterzeit zurückzustellen, wurde das Pendel für eine Stunde angehalten. Leichtsinnigerweise habe Pechmann einem Messner einmal empfohlen, diese eine Stunde Wartezeit, bis das Pendel wieder angeschubst werden muss, bei einem Bier im Wirtshaus zu überbrücken. Weil aus einem Bier wohl doch ein paar mehr wurden, stand die Uhr Pechmann zufolge am nächsten Morgen noch still.
Inzwischen gibt es sogenannte Pendelhauptuhren, die die passende Zeit auf elektrischem Weg zur Turmuhr leiten.
Außerdem laufen in fast allen Kirchen zentrale Steueruhren in der Sakristei. Sie bekommen die genaue Uhrzeit über Funk in Mainflingen von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig vermittelt. Zudem steuern diese Uhren aus der Sakristei den Glockenschlag sowie das Gebetsläuten.
Die Zeitumstellung – kurz und knapp