Der Uni Gründer und seine NS Vergangenheit
Die Rolle Ludwig Heilmeyers im Nationalsozialismus wird jetzt wissenschaftlich aufgearbeitet. In Ulm und Günzburg sind Straßen nach dem Mediziner benannt. Das stellen Kommunalpolitiker nun infrage
Ludwig Heilmeyer war eine Koryphäe der Inneren Medizin in der Nachkriegszeit. Ein herausragender Wissenschaftler, Gründungsrektor der Universität Ulm, Ehrenbürger der Stadt Günzburg. Er machte Schloss Reisensburg zum wissenschaftlichen Tagungszentrum und legte die Grundlagen für die Aufwertung des Bezirkskrankenhauses Günzburg zum akademischen Lehrkrankenhaus. Der Mediziner hatte jedoch auch eine dunkle Vergangenheit. Er stand dem nationalsozialistischen Unrechtsregime offensichtlich nahe.
Das war lange Zeit kein Thema, das in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Bis die mit Historikern und Politologen besetzte Kommission zur Überprüfung der Freiburger Straßennamen ihren Abschlussbericht vorlegte. Die Fachleute nahmen drei Jahre lang sämtliche Straßennamen der Stadt im Breisgau unter die Lupe und untersuchten, ob manche davon aus heutiger Sicht bedenklich sind. In zwölf Fällen empfahlen sie, die Straßen umzubenennen – auch den Ludwig-HeilmeyerWeg, aufgrund der Verstrickung des Hämatologen mit dem NS-System. Nun ist auch in Ulm und Günzburg eine Diskussion angestoßen worden, ob im Lichte der neuen Erkenntnisse die nach dem Arzt benannten Straßen einen neuen Namen bekommen sollen. Zudem kündigte die Universität Ulm an, die Vergangenheit ihres Gründungsrektors wissenschaftlich aufzuarbeiten.
„Ludwig Heilmeyer bleibt unser Gründungsrektor, dem wir viel zu verdanken haben. Davon unabhängig sind wir als Universität verpflichtet, seine Rolle im Nationalsozialismus möglichst lückenlos aufzuklären“, sagte Uni-Präsident Michael Weber. „Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Aufarbeitung werden selbstverständlich veröffentlicht und wir planen, diese bei einer allgemein zugänglichen Veranstaltung im zweiten Halbjahr zu diskutieren.“Mit der Aufgabe betraut wurde Professor Florian Steger, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Er hat bereits mit dem Studium der Quellen begonnen.
Die Freiburger Kommission, die den Stein ins Rollen brachte, kommt in ihrem Abschlussbericht zu folgendem Schluss: „Die medizinischen Leistungen Heilmeyers sind unbestreitbar, seine politische Haltung wurde hingegen bei den Ehrungen durch die Hochschulen und Preisbenennungen übersehen.“Als freiwilliges Mitglied des Freikorps Epp, dem unter anderem Ernst Röhm und Rudolf Heß angehörten, habe Heilmeyer an der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik teilgenommen. Später habe sich Heilmeyer im antidemokratisch ausgerichteten Stahlhelm engagiert, der 1933/1934 in die SA überführt wurde. An der Universität Jena habe sich der Mediziner an der Gründung eines Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes nicht nur beteiligt, er sei als Oberarzt von NS-Landesminister Fritz Wächter vielmehr ausdrücklich damit beauftragt und erster dortiger Dozentenschaftsführer geworden. Als sehr fragwürdig bezeichnet die Kommission auch das Engagement Heilmeyers im Kontext des Nürnberger Ärzteprozesses. So setzte er sich für die Rehabilitierung des KZ-Arztes Wilhelm Beiglböck ein, der in Dachau Menschenversuche an Sinti und Roma durchgeführt hatte. „Ludwig Heilmeyer eignete sich auch fremde Leistungen von aus dem Amt vertriebenen jüdischen Wissenschaftlern an“, heißt es im Abschlussbericht weiter. Vor dem Hintergrund dieser Aussagen hält die Fraktion der Grünen im Ulmer Gemeinderat eine Neubewertung der Ulmer Straßennamen für erforderlich.
In einem Antrag an Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) fordert sie eine Überprüfung nach dem Vorbild Freiburgs. Das Stadtarchiv solle damit beauftragt werden und dem Gemeinderat einen Bericht dazu vorlegen. Die Grünen wollen außerdem, dass die Neubenennung von Straßen in Ulm künftig durch den Gemeinderat oder einen seiner Ausschüsse erfolgt. Bei einer Benennung nach Personen solle das Stadtarchiv mit einer Vorprüfung beauftragt werden. „Wir halten eine transparente und offene Aufarbeitung dieses Teils der Ulmer Vergangenheit für zwingend erforderlich“, schreiben die Grünen. Das Vorgehen der Universität Ulm heben sie dabei positiv hervor. „Daher kann auch die Stadt das Thema nicht ignorieren“, finden sie. Auch in Günzburg gibt es einen entsprechenden Vorstoß, dort aber von der SPD. In der Großen Kreisstadt heißt die Zufahrt zum Bezirkskrankenhaus seit mehr als 30 Jahren Ludwig-Heilmeyer-Straße.
Universität plant eine öffentliche Veranstaltung Nur eine Umbenennung in den vergangenen Jahren
In Ulm gibt es seit 1978 die Heilmeyersteige am Eselsberg. Außerdem ist ein großer Saal im Ochsenhäuser Hof nach dem Gründungsrektor der Uni benannt. Das Gebäude gehört seit 2006 der Stadt Ulm. Die ist, was das Ändern von Straßennamen angeht, sehr zurückhaltend. In den vergangenen Jahren habe es nur einen solchen Fall gegeben, sagte Pressesprecherin Marlies Gildehaus. 2009 beschloss der Gemeinderat, den OttoElsässer-Weg in Söflingen in WilliEckstein-Weg umzubenennen. Grund waren neue Erkenntnisse über die NS-Vergangenheit Elsässers, der als Funktionär der NSDAP unter anderem Beauftragter für Zwangsarbeiter war und Zwangsabtreibungen bei Russen und Polen durchsetzte. Nach dem Krieg war er ein beliebter Kommunalpolitiker.