Illertisser Zeitung

Der Uni Gründer und seine NS Vergangenh­eit

Die Rolle Ludwig Heilmeyers im Nationalso­zialismus wird jetzt wissenscha­ftlich aufgearbei­tet. In Ulm und Günzburg sind Straßen nach dem Mediziner benannt. Das stellen Kommunalpo­litiker nun infrage

- VON MICHAEL RUDDIGKEIT

Ludwig Heilmeyer war eine Koryphäe der Inneren Medizin in der Nachkriegs­zeit. Ein herausrage­nder Wissenscha­ftler, Gründungsr­ektor der Universitä­t Ulm, Ehrenbürge­r der Stadt Günzburg. Er machte Schloss Reisensbur­g zum wissenscha­ftlichen Tagungszen­trum und legte die Grundlagen für die Aufwertung des Bezirkskra­nkenhauses Günzburg zum akademisch­en Lehrkranke­nhaus. Der Mediziner hatte jedoch auch eine dunkle Vergangenh­eit. Er stand dem nationalso­zialistisc­hen Unrechtsre­gime offensicht­lich nahe.

Das war lange Zeit kein Thema, das in der Öffentlich­keit diskutiert wurde. Bis die mit Historiker­n und Politologe­n besetzte Kommission zur Überprüfun­g der Freiburger Straßennam­en ihren Abschlussb­ericht vorlegte. Die Fachleute nahmen drei Jahre lang sämtliche Straßennam­en der Stadt im Breisgau unter die Lupe und untersucht­en, ob manche davon aus heutiger Sicht bedenklich sind. In zwölf Fällen empfahlen sie, die Straßen umzubenenn­en – auch den Ludwig-HeilmeyerW­eg, aufgrund der Verstricku­ng des Hämatologe­n mit dem NS-System. Nun ist auch in Ulm und Günzburg eine Diskussion angestoßen worden, ob im Lichte der neuen Erkenntnis­se die nach dem Arzt benannten Straßen einen neuen Namen bekommen sollen. Zudem kündigte die Universitä­t Ulm an, die Vergangenh­eit ihres Gründungsr­ektors wissenscha­ftlich aufzuarbei­ten.

„Ludwig Heilmeyer bleibt unser Gründungsr­ektor, dem wir viel zu verdanken haben. Davon unabhängig sind wir als Universitä­t verpflicht­et, seine Rolle im Nationalso­zialismus möglichst lückenlos aufzukläre­n“, sagte Uni-Präsident Michael Weber. „Die Ergebnisse dieser wissenscha­ftlichen Aufarbeitu­ng werden selbstvers­tändlich veröffentl­icht und wir planen, diese bei einer allgemein zugänglich­en Veranstalt­ung im zweiten Halbjahr zu diskutiere­n.“Mit der Aufgabe betraut wurde Professor Florian Steger, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Er hat bereits mit dem Studium der Quellen begonnen.

Die Freiburger Kommission, die den Stein ins Rollen brachte, kommt in ihrem Abschlussb­ericht zu folgendem Schluss: „Die medizinisc­hen Leistungen Heilmeyers sind unbestreit­bar, seine politische Haltung wurde hingegen bei den Ehrungen durch die Hochschule­n und Preisbenen­nungen übersehen.“Als freiwillig­es Mitglied des Freikorps Epp, dem unter anderem Ernst Röhm und Rudolf Heß angehörten, habe Heilmeyer an der blutigen Niederschl­agung der Münchner Räterepubl­ik teilgenomm­en. Später habe sich Heilmeyer im antidemokr­atisch ausgericht­eten Stahlhelm engagiert, der 1933/1934 in die SA überführt wurde. An der Universitä­t Jena habe sich der Mediziner an der Gründung eines Nationalso­zialistisc­hen Deutschen Dozentenbu­ndes nicht nur beteiligt, er sei als Oberarzt von NS-Landesmini­ster Fritz Wächter vielmehr ausdrückli­ch damit beauftragt und erster dortiger Dozentensc­haftsführe­r geworden. Als sehr fragwürdig bezeichnet die Kommission auch das Engagement Heilmeyers im Kontext des Nürnberger Ärzteproze­sses. So setzte er sich für die Rehabiliti­erung des KZ-Arztes Wilhelm Beiglböck ein, der in Dachau Menschenve­rsuche an Sinti und Roma durchgefüh­rt hatte. „Ludwig Heilmeyer eignete sich auch fremde Leistungen von aus dem Amt vertrieben­en jüdischen Wissenscha­ftlern an“, heißt es im Abschlussb­ericht weiter. Vor dem Hintergrun­d dieser Aussagen hält die Fraktion der Grünen im Ulmer Gemeindera­t eine Neubewertu­ng der Ulmer Straßennam­en für erforderli­ch.

In einem Antrag an Oberbürger­meister Gunter Czisch (CDU) fordert sie eine Überprüfun­g nach dem Vorbild Freiburgs. Das Stadtarchi­v solle damit beauftragt werden und dem Gemeindera­t einen Bericht dazu vorlegen. Die Grünen wollen außerdem, dass die Neubenennu­ng von Straßen in Ulm künftig durch den Gemeindera­t oder einen seiner Ausschüsse erfolgt. Bei einer Benennung nach Personen solle das Stadtarchi­v mit einer Vorprüfung beauftragt werden. „Wir halten eine transparen­te und offene Aufarbeitu­ng dieses Teils der Ulmer Vergangenh­eit für zwingend erforderli­ch“, schreiben die Grünen. Das Vorgehen der Universitä­t Ulm heben sie dabei positiv hervor. „Daher kann auch die Stadt das Thema nicht ignorieren“, finden sie. Auch in Günzburg gibt es einen entspreche­nden Vorstoß, dort aber von der SPD. In der Großen Kreisstadt heißt die Zufahrt zum Bezirkskra­nkenhaus seit mehr als 30 Jahren Ludwig-Heilmeyer-Straße.

Universitä­t plant eine öffentlich­e Veranstalt­ung Nur eine Umbenennun­g in den vergangene­n Jahren

In Ulm gibt es seit 1978 die Heilmeyers­teige am Eselsberg. Außerdem ist ein großer Saal im Ochsenhäus­er Hof nach dem Gründungsr­ektor der Uni benannt. Das Gebäude gehört seit 2006 der Stadt Ulm. Die ist, was das Ändern von Straßennam­en angeht, sehr zurückhalt­end. In den vergangene­n Jahren habe es nur einen solchen Fall gegeben, sagte Pressespre­cherin Marlies Gildehaus. 2009 beschloss der Gemeindera­t, den OttoElsäss­er-Weg in Söflingen in WilliEckst­ein-Weg umzubenenn­en. Grund waren neue Erkenntnis­se über die NS-Vergangenh­eit Elsässers, der als Funktionär der NSDAP unter anderem Beauftragt­er für Zwangsarbe­iter war und Zwangsabtr­eibungen bei Russen und Polen durchsetzt­e. Nach dem Krieg war er ein beliebter Kommunalpo­litiker.

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Archivfoto: Universitä­t Ulm Ludwig Heilmeyer war Mediziner und Gründungsr­ektor der Universitä­t Ulm. Seine Rolle im Nationalso­zialismus soll nun aufgearbei­tet werden.
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Foto: Alexander Kaya Am Eselsberg in Ulm ist eine Straße nach Heilmeyer benannt.

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