Illertisser Zeitung

Ein seltener Anblick

Nach den Schmierere­ien in Vöhringen und Bellenberg wäscht der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa die Kirchen symbolisch wieder rein. Für viele Gläubige eine Erleichter­ung

- VON MADELEINE SCHUSTER (az)

Es ist ein besonderer Moment, als Bischof Konrad Zdarsa wenige Minuten nach 20.30 Uhr die schweren Holztüren der Kirche „Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz“aufschiebt: Zum ersten Mal nach den Schmierere­ien im Innenraum können die Bellenberg­er ihr Gotteshaus wieder betreten. „Ich bin wirklich froh“, flüstert eine Gläubige ihrer Nachbarin vor der Kirche zu. „Jetzt kehrt endlich wieder Normalität ein“, antwortet diese und nickt energisch mit dem Kopf.

Bereits eine Viertelstu­nde vor Beginn des Gottesdien­stes warten viele Katholiken vor der Kirche auf die Ankunft des Augsburger Bischofs – wenn auch nicht ganz freiwillig. Nach den Schmierere­ien hatte Zdarsa das Bellenberg­er Gotteshaus schließen lassen. Gut einen Monat lang blieben die Türen für die Gläubigen zu. Nachdem der mutmaßlich­e Täter, ein 19-Jähriger, Kirchen in Vöhringen, Illerberg und Bellenberg mit wüsten Hassparole­n beschmiert hatte, hat der aus Sachsen stammende Zdarsa in zwei Kirchen der Pfarreieng­emeinschaf­t den nur selten durchgefüh­rten Bußritus angeordnet. Er soll die Heiligkeit­en der Orte wieder herstellen – und die Kirchen symbolisch reinwasche­n.

Als der Bischof dann mit Stab und Mitra und begleitet von gut zwei Dutzend Ministrant­en um die Ecke zieht, äußern manche ihre Erleichter­ung. Andere wiederum sind in sich gekehrt. Ein Kamerateam filmt die Zeremonie. Die Kameras von Fotografen klicken. Als Zdarsa vor der Kirche zum Mikrofon greift, wird es still. „Ich bin mit Ihnen bestürzt über die Schändunge­n der Kirchen in ihren Gemeinden“, hallt es über den Hof. Mit einem Bußritus wolle man Gott darum bitten, „zu heilen, was verwundet ist“. Es folgt ein kurzes Gebet, dann öffnet Zdarsa die Türen. Mit dem Gesang der Allerheili­genlitanei ziehen Bischof, Pfarrer und Bürger in die Kirche ein.

Minutenlan­g wechseln sich Vorsängeri­n und Gemeinde beim aus dem 7. Jahrhunder­t stammenden Bittgebet ab. Heilige werden darin um ihre Fürbitte vor Gott gebeten. Die Litanei wird vor allem bei der feierliche­n Spendung einiger Sakramente und Sakramenta­lien, etwa die Kirchweihe, gesungen. Eine kürzere Fassung ist Bestandtei­l der Weihe des Taufwasser­s in der Feier der Osternacht.

Wenige Zeit später segnet auch Bischof Zdarsa in der Kirche „Unse- re Liebe Frau vom Rosenkranz“Wasser. Wie zuvor in der St. Martinskir­che in Vöhringen, wo ebenfalls ein Bußritus durchgefüh­rt wurde, ist auch in Bellenberg der Altar zu Beginn nicht geschmückt. Kein Tuch, keine Kerzen. Der Geruch von Weihrauch breitet sich aus. Einmal geht der Bischof um den Altar herum und besprengt ihn mit Wasser. Dann führt er dieselbe Prozedur im gesamten Kirchenrau­m durch und besprengt zuletzt auch die Gläubigen – an seiner Seite Pfarrer Martin Straub, der das Weihwasser trägt. Altar und Wände sind nun symbolisch reingewasc­hen.

Vor allem Glaubensfe­rnen oder Kirchenkri­tikern mag der Ritus an dieser Stelle wie aus der Zeit gefallen vorkommen. Der 72-jährige Zdarsa bezeichnet den Bußritus dagegen als „ein ausdrückli­ches Bekenntnis unserer Entschloss­enheit, dass wir nicht einfach hinnehmen werden, wenn unser Glauben und unser Glaubensle­ben verspottet, geschmäht, ausgegrenz­t und angegriffe­n werden.“Der Bußritus sei ein Zeichen, das ebenso gut und gern als Aufschrei übersetzt und verstanden werden sollte, mahnt der als konservati­v bekannte Bischof und übt nebenbei Kritik am Thema Abtreibung aus: „Aber wer schreit denn von uns, wenn die Ebenbilder Gottes zu Hunderttau­senden schon im Mutterleib zerstückel­t und zerstört, dem Hungertod und Bombenhage­l ausgeliefe­rt und wegen ihres Glaubens verfolgt und vertrieben, grausam gequält, gefoltert und öffentlich hingericht­et werden?“, so der Bischof.

Hinsichtli­ch der Kirchensch­ändungen sagt der Geistliche: Es gebe keinen Grund, diese Verletzung der Gefühle der Gläubigen, den hohen materielle­n Schaden und den ausdrückli­ch manifestie­rten Hass auf Glauben und Kirche von vornherein kleinzured­en und zu verharmlos­en. Die Anzeige bei der Polizei und die Verfolgung durch die Justiz seien mehr als gerechtfer­tigt.

Nach dem Wortgottes­dienst und zu Beginn der Eucharisti­efeier wird dann auch der Altar wieder geschmückt: Ministrant­en legen ein Tuch auf und postieren Kerzenleuc­hter. Abgeschlos­sen wird die Eucharisti­efeier mit einem Segensgebe­t. Und auch Pfarrer Martin Straub richtet am Ende noch ein paar Worte an die Gemeinde: Die Kirchensch­ändungen seien für die Pfarreieng­emeinschaf­t „eine schmerzlic­he Erfahrung“gewesen. Umso mehr sei man über den bischöflic­hen Beistand dankbar.

Die Kosten für den entstanden­en Schaden übernehme das Bistum Augsburg. Wie hoch diese ausfallen werden, könne noch nicht beziffert werden, da die Arbeiten noch nicht abgeschlos­sen seien. „Aber es werden insgesamt mehrere zehntausen­d Euro sein“, so Straub. Wer helfen möchte, kann das am Mittwoch, 5. April, 13 Uhr, im Bauhof der Stadt Illertisse­n tun. Wer kann, soll eine Gartensche­re mitbringen. Am Freitag, 7. April, wird dann der fertig geschmückt­e Brunnen um 13.30 Uhr offiziell an die Stadt Illertisse­n übergeben, wozu ebenfalls alle Bürger eingeladen sind.

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Fotos: Roland Furthmair Mit Weihwasser besprengte Bischof Konrad Zdarsa (links) am Freitagabe­nd die Wände der Bellenberg­er Kirche „Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz“. Zuvor hatte der Geistliche auch in Vöhringen einen Bußritus vollzogen. Auch Pfarrer Martin Straub wand te sich...
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Trotz seltenem Bußritus war die Kirche in Bellenberg nicht ganz gefüllt. Unter den Gottesdien­stbesucher­n war auch Bürgermeis­terin Simone Vogt Keller.

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