Wie der Hase aufs Straußenei kommt
Maler Josef Oehl aus Babenhausen bannt seit über 40 Jahren filigrane Kunstwerke auf zerbrechliche Materialien. Warum das gar nicht so leicht ist, wie es vielleicht scheinen mag
Es ist wie eine innere Uhr – geht es auf Ostern zu, holt Josef Oehl Pinsel und Farben hervor. Und natürliche viele, viele Eier: Die von Hühnern und von Enten. Und manchmal sogar auch die von Straußen. Seit 40 Jahren ist das so. Der Kunstmaler aus Babenhausen, 65 Jahre alt, versucht, seine Passion zu erklären: „Es ist eine Leidenschaft von mir und die meisten Ostereier verschenke ich anschließend.“Beim Erzählen lächelt er, und ebenso, wenn er bei der Arbeit sitzt, um seine Kunst vorzuführen. „Das kommt daher“, sagt er, „weil kein Zwang hinter meiner Tätigkeit steckt“.
Neben Farbtöpfen, Rohlingen und fertigen Mustern hat er ein Holzgestell mit dünnen Stäben vor sich, auf dem halb fertig bemalte Eier trocknen. Oder auf ihre Weiterverarbeitung warten. Etwa eine Stunde Arbeit steckt in einem fertig bemalten Hühnerei. Oehl kauft auch zu: Straußeneier zum Preis von 30 Euro oder die günstigeren, ebenfalls größeren Enten- und Gänseeier oder die ganze Palette in Kunststoffausführung. Statt die Eier auszublasen, drückt er mit einer Arztspritze vorsichtig etwas Luft hinein, zieht die Spritze heraus, lässt den Inhalt auslaufen. Das wiederholt sich, bis das Ei leer ist. Dann wird es mit Wasser ausgespült. Das Loch lässt sich mithilfe eines Kreuzschraubenziehers vergrößern, wenn eine Aufhängung angebracht werden soll.
Handelt es sich um Kunststoffexemplare, muss als erstes vorsichtig die Naht abgeschliffen werden – da ist sensibles Vorgehen nötig: „Es wird zerbrechlicher“, erklärt der Experte. Dann werden die Modelle mit einem guten Grundiermittel behandelt. „Sonst blättert die Farbe wieder ab oder hält erst gar nicht“, sagt der Kunstmaler. Er verwendet Acrylfarben, wie er sie von seinen anderen Arbeiten kennt. Die Ostereier schmückt Oehl mit naiver Malerei und orientiert sich an den Motiven von Kinderbüchern, markanten Gebäuden, Bauernmalerei oder was ihm in der Natur auffällt. Das fertig bemalte Ei wird mit Wasserlack oder Lackspray überzogen.
Dabei kann der ausgebildete Bankkaufmann, der sein Talent immer professioneller anzuwenden gelernt hat, aus breiter Erfahrung schöpfen. Sein Arbeitsgebiet reicht vom Restaurieren und Fassen von Figuren bis zu Fresko-Bildern, Illusionsund Lüftelmalerei. Zuletzt war Oehl in einem Malerbetrieb in der Doppelfunktion von Büro- und Malerarbeit angestellt und noch zehn Jahre als selbstständiger Kunstmaler tätig. Oehl hat Zeit seines Lebens gerne gemalt und auch einen guten Zeichenlehrer gehabt, wie er erzählt. Zwar konnte er erst etwas später sein Talent ausbauen und hat dabei gelernt, Niederlagen doch er weiß: „Ich muss etwas wollen, dann kann ich auch mit Kritik fertig werden.“Neben der Begabung würde auch viel Übung hinter der Kunst stecken. „Wenn daraus etwas werden soll, muss ich dahinter bleiben“, sagt Oehl und lächelt wieder.
Wenn er in seine Arbeit vertieft ist, sei ihm schnell mal der Tag zu kurz – und Gedanken ans Ausspannen oder Verreisen fremd: „Der ganze Urlaub freut mich nicht, wenn ich etwas tun will und es nicht machen kann.“Das Untergeschoss im Wohnhaus der Oehls ist ein Atelier mit Nebenräumen voll Material und Utensilien. Erna Oehl hat sich damit arrangiert, dass sich ihr Mann dort stundenlang aufhält und sagt humorvoll: „Arbeit im Garten hätten wir ja auch noch.“
Um die 30 Eier hat Oehl heuer bemalt. Von jeder neuen Ei-Kreation behält er sich ein Musterexemplar, sodass im Laufe der Jahre eine stattliche Sammlung zusammengekommen ist. Damit wird – mal mehr, mal weniger – zur Osterzeit in Haus und Garten dekoriert. In diesem Jahr sind die Schätze überall verteilt, „wegen der Enkelkinder“, sagt Oehl. „Die freuen sich darüeinzustecken, ber.“Beim Ausschmücken und Dekorieren nimmt er nur teilweise die Unterstützung seiner Frau in Anspruch. Denn bei dem Künstler haben sich allerlei Accessoires angesammelt, die ihn auf immer neue Gestaltungs-Ideen bringen.
An den bemalten Ostereiern ist nichts zu verdienen, sagt der Kunstmaler. „Früher gab es dafür richtige Ostereiermärkte, die sind inzwischen aus der Mode gekommen.“Da verschenkt Josef Oehl lieber seine überaus filigran bemalten Kunstwerke, alles Unikate. Er sagt: „Das Eierbemalen macht Freude, weil am Ende was Schönes entsteht.“Und dass Josef Oehl dabei gute Laune hat, kann jeder sehen.
Eierbemalen macht Freude, weil Schönes entsteht